Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler
Schweiz

Grosse Islam-Serie (VI): Professor Schulze, warum darf man Mohammed nicht abbilden?

Bern, 7.2.15 (kath.ch) In unserer Serie vom Montag, 2. Februar, bis Samstag, 7. Februar, antwortet Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler an der Universität Bern, täglich auf drängende Fragen zum grossen Buch der Muslime. Heute: Der Koran und das Bilderverbot.

Steht im Koran, dass man Mohammed nicht abbilden darf?

Nein. Das auch in der islamischen Tradition diskutierte Bilderverbot hatte sicherlich etwas mit dem christlichen byzantinischen Bilderstreit im 8. und 9. Jahrhundert zu tun. Im Christentum ging es um den richtigen Gebrauch und die Verehrung von religiösen Bildern. Diese Diskussion fand dann auch in der islamischen Tradition eine Entsprechung. Da jede Verehrung eines Bildes religiösen Gehalts abgelehnt wurde, galt dann schon bald das Gebot, den Propheten Mohammed nicht abzubilden. Zwar wurde auch dieses Gebot nicht gleichermassen befolgt, doch gab es einen gewissen Konsens, dass eine Abbildung des Propheten nicht rechtfertigt werden könne.

Ist dieser Konsens irgendwo festgehalten?

Nein, da es sich um einen sozialen Konsens handelte, der durch Zustimmung entsteht. Muslimische Juristen haben versucht, hier eine gewisse Ordnung zu schaffen, doch es ist ihnen nie gelungen, eine einheitliche Auffassung durchzusetzen. So war es in Persien und im Osmanischen Reich durchaus möglich, den Propheten Mohammed in der Buchmalerei abzubilden. Auch heute noch werden in Iran Postkarten mit dem Bild Mohammeds verkauft.

Was bedeutet das Wort Koran?

Zunächst bedeutet es im Koran die Rezitation, also die «Lesung» der Offenbarung durch Mohammed; dann wurde der Begriff schon im Koran auf die Gesamtheit der koranischen Offenbarungen bezogen. Schliesslich wurde er zum Namen für Gottes abschliessende Offenbarung.

Warum wird der Koran nur auf Arabisch rezitiert?

Nach islamischer Auffassung hat sich Gott bewusst in der arabischen Sprache offenbart. Das Wort Gottes selbst ist heilig. So kann nur in der Form, in der das Wort gesprochen wurde, die Heiligkeit empfunden und in der Rezitation des Textes selbst nachempfunden werden. Wenn eine Übersetzung des Korans gelesen wird, dann ist dieser heilige Aspekt nicht mehr gegeben. So könne der Koran stets nur in seiner Bedeutung in andere Sprachen übersetzt werden. Doch dann ist er nur der Bedeutung nach Gottes Wort.

Welchen Stellenwert hat der Koran für einen gläubigen Muslim?

Der Koran ist für ihn in erster Linie ein Text, durch den die eigene Frömmigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Es ist kein Text, den ein frommer Mensch liest, um nachzuschlagen, wie man sich zu verhalten hat. Anders als muslimische Juristen, die den Koran auch als Quelle für die Ausarbeitung von Normen und Regeln interpretieren, lesen gläubige Muslime ihn vornehmlich als heiligen Text. Es ist hier ein Text, der im Gebet und in der Andacht verwendet wird, um Gott nahe zu sein. In der Volksfrömmigkeit konnte er als heiliger Text auch für Amulette genutzt werden oder um Krankheiten zu bekämpfen. (sys)

Bisher erschienen:
Montag, 2. Februar: Der Koran und der Weltuntergang.
Dienstag, 3. Februar: Der Prophet Mohammed.
Mittwoch, 4. Februar:
Jesus und Maria im Koran.
Donnerstag, 5. Februar: Gewalt im Koran.
Freitag, 6. Februar: Der Koran und die Kleidung der Frau.

Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler | © Screenshot SRF
7. Februar 2015 | 09:30
Lesezeit: ca. 2 Min.
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