Blick über Brunnen und Urschweiz
Schweiz

Martin Kopp zu Huonder-Umfrage: Urschweiz nicht allein lassen

Erstfeld UR, 10.3.16 (kath.ch) Vor einer Loslösung der Urschweiz von Zürich warnt Martin Kopp. Der Generalvikar für die Urschweiz regt an, statt eine Umfrage über die Neugliederung der Bistümer zu starten, sollte eine Umfrage über die Nachfolge von Diözesanbischof Vitus Huonder durchgeführt werden. Der Bischof von Chur hat Anfang März eine Umfrage lanciert. Er möchte wissen, wie die Angestellten seiner Diözese zu einem möglichen Bistum Zürich oder Bistum Urschweiz stehen. Huonder wird nächstes Jahr 75 Jahre alt.

Sylvia Stam

Wie stehen Sie als Generalvikar der Urschweiz einem allfälligen Bistum Zürich gegenüber?

Martin Kopp: Zunächst konnte und kann ich nicht verstehen, dass man in Zürich die Frage nach einem eigenen Bistum ausgerechnet in einer Phase lanciert hat, da unser Bistum in grossen Schwierigkeiten steckt. Man löst nichts, indem man das Territorium eines Bistums verändert, da es nicht in erster Linie um strukturelle Fragen, sondern viel mehr um personelle geht. – Unsere Situation löst man am allerwenigsten dadurch, dass man die jeweils anderen im Regen stehen lässt.

Dass man in Zürich die Frage eines Bistums Zürich in der Vergangenheit immer wieder diskutiert hat, ist verständlich. Es wurde aber immer neu festgestellt, dass man diese Frage nur im Rahmen von gesamtschweizerischen Lösungen sehen kann, und sicher nicht ohne die anderen Bistumskantone.

Es werden wenige etwas dagegen haben, dass es in Zürich einen Bischof gibt. Vorausgehend muss aber die Frage gestellt werden: Was geschieht in diesem Fall mit den andern Teilen des Bistums? Es erstaunt mich, dass man diese Frage in Zürich nicht oder kaum gestellt hat. Immerhin ist dieses Bistum Chur 200 Jahre lang eine Solidargemeinschaft gewesen, damit wohl auch eine Schicksalsgemeinschaft. Daraus stiehlt man sich nach meinem Empfinden nicht einfach weg.

Ein Bistum Zürich macht Sinn, wenn man einen plausiblen Vorschlag machen kann, was mit dem Rest des Bistums Chur geschehen soll

Ein Bistum Zürich macht Sinn, sobald die Fragen rundum gelöst sind, und vor allem, wenn man einen plausiblen Vorschlag machen kann, was mit dem Rest des Bistums Chur geschehen soll. Eigentlich könnte man aus der Geschichte lernen: Vor 200 Jahren schob man – nach der recht willkürlichen Auflösung des uralten Bistums Konstanz – aus lauter Verlegenheit die Konstanzer Konkursmasse einmal dahin, einmal dorthin. – Soll sich so etwas wiederholen, erneut mit Teilen der damaligen Konkursmasse?

Was für Konsequenzen hätte ein eigenes Zürcher Bistum denn für die Urschweizer Kantone?

Kopp: Die Urschweizer Kantone wären bei einer solchen Loslösung kirchlich viel mehr auf sich allein gestellt, auch in Fragen des Personals. Heute schon kann für die «Randgebiete» viel weniger Personal gefunden werden. Doch zusammen mit Zürich kann ein gewisser, immer noch prekärer Ausgleich gefunden werden. Das entfiele dann.

Es ist kaum vorstellbar, dass die verbleibenden Restgebiete des Bistums Chur ein sinnvolles Ganzes ergäben. Vor allem besteht wenig Zusammenhang zwischen Graubünden und den Urkantonen, kulturell, geschichtlich, strukturell. Dieser Rest würde in zwei ungleiche Teile zerfallen, was umso mehr Konflikte zeitigen würde. Zürich bildet das «Scharnier», bildet die Klammer für das übrige Bistum, in einem gewissen Sinn auch das Zentrum.

Unsere Situation löst man am allerwenigsten dadurch, dass man die jeweils anderen im Regen stehen lässt.

Die finanzielle Seite spielt auch eine Rolle, aber keineswegs die erste, um die ganze Frage zu beurteilen. Es wäre wichtig, dass unter sehr unterschiedlichen Teilen auch eine materielle Solidarität spielen könnte. Das entspräche einer Grundidee der Kirche

Gibt es im Bistum Chur so etwas wie einen Finanzausgleich?

Kopp: Es gibt unter den Bistumskantonen keinen Finanzausgleich im üblichen Sinn. Jeder Kanton, und zuvor jede Kirchgemeinde, muss für die eigenen Bedürfnisse und Auslagen grundsätzlich selber aufkommen. Indirekt gibt es einen Ausgleich, indem das reiche Zürich oft viel mehr Geld für gemeinsame Aufgaben auch im Bistum aufwendet. Dafür müsste der verbleibende Rest des Bistums allein aufkommen.

Die Umfrage fragt auch nach Argumenten für oder gegen ein allfälliges Bistum Urschweiz.

Kopp: Gegen ein allfälliges Bistum Urschweiz scheint zunächst die nicht allzu zahlreiche katholische Bevölkerung zu sprechen (190’000, das heisst knapp die Hälfte der Katholiken in Zürich). Wie schon gesagt, würde die schon prekäre Nachwuchslage bei den Seelsorgenden noch prekärer, da diese seit längerer Zeit viel eher aus Zürich als aus der Urschweiz stammen.

Es ist kaum vorstellbar, dass die verbleibenden Restgebiete des Bistums Chur ein sinnvolles Ganzes ergäben

Ein Bistum Urschweiz wäre in vielen Fragen und Aufgaben nur in enger Zusammenarbeit mit anderen Bistümern lebensfähig, so etwa in der Ausbildung, aber auch in der Wahrnehmung vieler Spezialaufgaben. In struktureller – das heisst immer auch in finanzieller – Hinsicht ist die Urschweiz schwach.

Für ein Bistum Urschweiz würde die relative Geschlossenheit in Mentalität und Kultur sprechen. Ebenso spräche auch die gemeinsame Geschichte für ein engeres Zusammengehen in kirchlicher Hinsicht.

Es ist logisch zu fragen, ob, wenn ein Bistum Zürich notwendig oder möglich ist, das nicht auch für ein Bistum Urschweiz gilt.

Würden die Katholiken der Urschweiz Ihrer Ansicht nach ein eigenes Bistum begrüssen? Oder würden sie lieber mit Zürich zusammen ein Bistum bilden oder bei Chur bleiben?

Die Katholiken der Urschweiz sehnen sich kaum nach einem eigenen Bistum. Sie möchten aber kaum mit Graubünden zusammen ein Restbistum Chur bilden. Dann möchten sie lieber kirchlich für sich allein sein.

Ich schlage vor, dass eine Umfrage zur Nachfolge Bischof Huonder durchgeführt wird

Was in der Urschweiz generell am meisten begrüsst würde, ist so gut wie sicher das Verbleiben im bisherigen Churer Bistumsverband, das heisst mit Zürich, Glarus und Graubünden. Man verlässt sich meines Erachtens lieber auf eine seit 200 Jahren eingeübte Solidarität, auch wenn diese in vielen Punkten zu wünschen übrig liess. Umso wichtiger ist dann freilich ein Verhältnis des Vertrauens und eine tatsächliche Verbundenheit mit dem jeweiligen Bischof.

Ist ein Zusammengehen der Urkantone mit Luzern denkbar?

Kopp: Luzern gehört traditionellerweise nicht zur Urschweiz. Ein Bistum Luzern wäre eine ganz andere Variante. Dann müssten gesamtschweizerisch neue Überlegungen angestellt werden, was ohnehin notwendig wäre, bevor es zu einem Bistum Zürich und / oder eventuell einem Bistum Urschweiz käme. Vermutlich will das Bistum Basel, zu dem Luzern gehört, sein Territorium nicht verändern.

Luzern ist und bleibt allerdings ohnehin in mancher kirchlichen Frage ein wichtiger Bezugspunkt für die meisten Urschweizer Gebiete. Das verändert sich so oder so nicht.

Viel mehr als alle diese Fragen um Bistumsterritorien treibt die katholische Bevölkerung der Urschweiz aktuell die Frage um, wie die Nachfolge von Bischof Huonder, die in einem guten Jahr ansteht, gut vorbereitet werden kann. Ich schlage konkret vor, dass diesbezüglich eine Umfrage durchgeführt wird, die in der gleichen Breite die Ansicht des gläubigen Volkes und aller Verantwortlichen erfragt. Das wäre nicht weniger angemessen und billig als die laufende Umfrage. (sys/gs)

Blick über Brunnen und Urschweiz | © 2016 Georges Scherrer
10. März 2016 | 16:00
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