Vom Glaubenspräfekten Ratzinger gemassregelt, von Papst Franziskus rehabilitiert: Sr. Jeannine Gramick.
Vatikan

Gegen den Willen der Traditionalisten: katholische Kirche öffnet sich im Umgang mit LGBTQ+

Papst Franziskus traf sich mit Seelsorgenden, die sich für Homosexuelle einsetzen. Darunter auch die US-amerikanische Ordensfrau Jeannine Gramick, die sich seit den 1970er Jahren in der Seelsorge für homosexuelle Menschen engagiert. Mit der Begegnung setzte der Papst ein Zeichen und grenzte sich damit von seinem Vorgänger Benedikt XVI. ab.

Am Rand der Weltsynode im Vatikan ist es zu Begegnungen gekommen, die auf eine Öffnung der katholischen Kirche im Umgang mit sexuellen Minderheiten schliessen lassen. Papst Franziskus traf, wie später bekannt wurde, bereits am Mittwoch die US-amerikanische Ordensfrau Jeannine Gramick. Die Schwester aus Philadelphia hatte sich in den 1970er Jahren als eine der ersten in der Seelsorge für homosexuelle Menschen engagiert und dafür die Vereinigung «New Ways Ministry» mitbegründet.

Von Ratzinger gemassregelt, von Franziskus rehabilitiert

In öffentlichen Äusserungen hatte sie dann gemeinsam mit dem Seelsorger Robert Nugent die geltende katholische Lehre über die Sündhaftigkeit homosexueller Akte in Frage gestellt. Deswegen waren sie 1999 von der vatikanischen Glaubensbehörde unter Kardinal Joseph Ratzinger gemassregelt worden.

Benedikt XVI. am Weltjugendtag in Köln 2005
Benedikt XVI. am Weltjugendtag in Köln 2005

In der offiziellen Bekanntmachung über die Bestrafung hiess es damals: «Die Zweideutigkeiten und Irrtümer der Haltung von P. Nugent und Sr. Gramick haben im katholischen Volk Verwirrung gestiftet und der Gemeinschaft der Kirche Schaden zugefügt. Aus diesen Gründen wird ihnen jedweder seelsorgliche Dienst an homosexuellen Personen auf Dauer untersagt, und sie können in ihren jeweiligen Ordensgemeinschaften auf unbestimmte Zeit nicht in irgendwelche Ämter gewählt werden.»

Treffen in Vatikan

Nach der Begegnung mit Papst Franziskus an diesem Mittwoch im Vatikan twitterte die Vereinigung New Ways Ministry im Netzwerk X ein Foto, das Gramick und drei männliche Seelsoger neben dem Kirchenoberhaupt zeigt. Im Text dazu heisst es: «Ein früher unvorstellbarer Moment: Schwester Jeannine Gramick hat Papst Franziskus im Vatikan getroffen.»

Jesuit James Martin 2019 in Rom. Im Hintergrund: der Petersdom.
Jesuit James Martin 2019 in Rom. Im Hintergrund: der Petersdom.

Weiter teile die Vereinigung mit: «Schwester Jeannine überbrachte Grüsse der LGBTQ+ Katholiken in der US-Kirche. Sie dankte ihm für seine Offenheit bezüglich der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und dafür, dass er sich gegen die Kriminalisierung von LGBTQ+ Menschen stellt.» Das Treffen stehe für eine neue Offenheit gegenüber dem Ansatz, den die Ordensfrau und ihre Organisation seit langem praktiziere. Laut der Vereinigung stehen Gramick und der Papst seit April 2021 in einer «freundlichen Korrespondenz».

Weiteres Treffen mit Vatikan-Botschaftern

Am Donnerstag wurde zudem ein Treffen von Jesuitenpater James Martin mit Vatikan-Diplomaten aus rund 20 EU-Ländern bekannt. Martin, der als Vordenker der New Ways Ministry derzeit auf Einladung des Papstes an der Weltsynode im Vatikan teilnimmt, postete anschliessend ein Foto von der Begegnung im Netzwerk X und schrieb dazu: «Dank an all die Vatikan-Botschafter aus den Ländern der EU, dass sie mich eingeladen haben, über LGBTQ Katholiken zu sprechen.»

Das Foto zeigt Diplomaten aus 20 Ländern. Aus Teilnehmerkreisen war zu hören, es habe einen offenen Austausch zwischen den Diplomaten und dem Jesuiten gegeben. Am Vortag hatten Synodenteilnehmer berichtet, dass ein anderer Umgang der katholischen Kirche mit sexuellen Minderheiten bei der im Vatikan tagenden Weltsynode ein Thema sei. Beschlüsse dazu seien aber erst im Oktober 2024 zu erwarten.


Vom Glaubenspräfekten Ratzinger gemassregelt, von Papst Franziskus rehabilitiert: Sr. Jeannine Gramick. | © Screenshot «X»
21. Oktober 2023 | 09:30
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!