Papst Franziskus an der Bussprozession vom Aschermittwoch
Schweiz

Franziskus schöpft seine Macht als Papst voll aus – auch in Chur

Münster (D)/Chur, 1.6.17 (kath.ch) Unter Papst Franziskus erleben Apostolische Administratoren eine Renaissance. Darin zeige sich, dass Franziskus seine umfassende Rechtsgewalt als Papst voll ausschöpfe, sagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller gegenüber kath.ch. Überraschend sei vor diesem Hintergrund, dass Franziskus für das gespaltene Bistum Chur keinen Apostolischen Administrator ernannt, sondern die Amtszeit des amtierenden Bischofs verlängert habe.

Barbara Ludwig

Schüller hat die Entscheidung von Papst Franziskus überrascht, die Amtszeit des Churer Bischofs Vitus Huonder bis Ostern 2019 zu verlängern. Dafür nennt der Direktor des Instituts für kanonisches Recht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster zwei Gründe.

Apostolischer Administrator für Friedensdienst erwartet

Zum einen bekomme man auch in Deutschland mit, dass es Huonder «wohl nur in den seltensten Phasen seiner Bischofszeit» gelungen sei, den Dienst der Einheit – die Kernaufgabe eines Bischofs – zu leisten. «Da erwartet man dann, wenn der Bischof seinen Rücktritt anbietet, eigentlich nicht, dass die Amtszeit verlängert wird.» Schüller sagt zudem, ihm sei in Europa aus der jüngsten Vergangenheit kein vergleichbarer Fall bekannt, bei dem die Amtszeit eines höchst umstrittenen Bischofs verlängert worden sei.

In Europa kein vergleichbarer Fall von Amtszeitverlängerung

Zum andern hatte er erwartet, dass Papst Franziskus einen Apostolischen Administrator einsetzt, wie das Reformkreise auch gefordert hatten. «Ich habe diese Vorgänge verfolgt. Mir war klar, dass es nicht einfach sein wird, sofort geeignete Kandidaten zu benennen. Zunächst muss eine Befriedung stattfinden. Das klassische Rechtsinstitut dazu ist ein Apostolischer Administrator, der im Auftrag des Papstes die Geschicke der Diözese leitet.» Schüller verweist auf das Bistum Limburg, wo der emeritierte Weihbischof von Paderborn, Manfred Grothe, nach dem Rücktritt von Franz-Peter Tebartz-van Elst als Bischof während zweieinhalb Jahren diesen «Friedensdienst» geleistet habe.

Renaissance Apostolischer Administratoren unter Franziskus

Diese Erwartung des Kirchenrechtlers war auch dadurch genährt worden, dass Papst Franziskus häufig Apostolische Administratoren ernennt. «Unter Papst Franziskus hat diese Rechtsfigur, die das Kirchenrecht von 1983 gar nicht mehr vorsieht, eine Renaissance erlebt.» Als Papst habe er das Recht, auf ein solches Instrument zurückzugreifen. Interessant und umso überraschender sei nun für ihn die Entscheidung von Franziskus, die Amtszeit von Huonder zu verlängern, so Schüller.

Aus Sicht des Kirchenrechtsexperten drückt Franziskus mit der häufigen Ernennung von Apostolischen Administratoren seine päpstliche Gewalt aus. In Beiträgen der Monatszeitschrift «Herder Korrespondenz» habe er, Schüller, mehrfach darauf hingewiesen, dass Papst Franziskus sich als Monarch gebärde. Er schätze ihn sehr. Auch seine Hinwendung zu den Ärmsten oder die Berufung auf den Heiligen Geist finde er «grossartig».

Franziskus handelt als Monarch

«Aber in seinem Leitungshandeln, vor allem wenn es um die zentralen Leitungsämter der Bischöfe geht, ist Franziskus ganz klar Monarch. Da ist er ganz klar Papst und schöpft seine umfassende Rechtsgewalt voll aus.» Das zeige sich auch darin, dass er – etwa in Chur – aus Sicht eines Teils des Kirchenvolkes «unpopuläre Entscheidungen» trifft.

«So ist Franziskus eben auch. «

«So ist Franziskus eben auch», stellt Schüller fest. Franziskus sei ein Papst, der vollkommen unabhängig und sehr eigenständig manchmal auch überraschende Entscheidungen treffe. Basisdemokratisch orientiert sei er nicht. «Hier interveniert in die Schweizer Situation hinein ein Papst, der kraftvoll seine unbegrenzte Amtsgewalt ausschöpft.»

Zwar habe ihn die Verlängerung der Amtszeit im Falle von Huonder überrascht, sagt Schüller. Amtszeitverlängerungen seien aber an sich nichts Ungewöhnliches. «Sie kommen häufiger vor. Aus verschiedenen Gründen.» Etwa, wenn es den zuständigen römischen Behörden noch nicht gelungen sei, geeignete Kandidaten zu ermitteln. Der Kirchenrechtler geht davon aus, dass dies der Grund für die päpstliche Entscheidung gewesen sei.

Personalkrise

Eine Rolle spiele hier aber auch der generelle Mangel an geistlichem Personal. Schon lange habe man vom Priestermangel gesprochen, so Schüller. «Mittlerweile schlägt sich das durch auf die Suche nach geeigneten Priestern, die in der Lage sind, das anspruchsvolle Amt des Diözesanbischofs zu übernehmen.» Die Ereignisse auch in Chur seien nur ein Indikator für die «grosse Krise» im personellen Bereich.

Indikator für die «grosse Krise» im personellen Bereich

Weiter könne es auch vorkommen, dass die Amtszeit eines sehr angesehenen Bischofs verlängert werde, der noch bei guter Gesundheit ist. Oder dass ein Geistlicher, der erst im Alter von 63 oder 64 Jahren Bischof wurde, noch länger als Hirte wirken darf. «Bei diesen Bischöfen dauert es nicht so lange, bis sie mit 75 dem Papst den Rücktritt anbieten müssen. In solchen Fällen verlängert man gerne die Amtszeit, weil man davon ausgeht, dass sie noch motiviert sind.»

Papst Franziskus an der Bussprozession vom Aschermittwoch | © Oliver Sittel
1. Juni 2017 | 08:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!