Gabriel Pittet segnet den Kirchplatz von Sacré-Coeur, Lausanne
Schweiz

Flüchtlinge in Lausanner Pfarrei: Pfarrer nimmt Stellung

Lausanne, 5.5.16 (kath.ch) Die Pfarrei Sacré-Coeur hat Ende April eine Gruppe Asylsuchender aufgenommen, welche zuvor Räume der reformierten Kirchgemeinde Saint-Laurent besetzt hatten. Der zuständige Pfarrer Gabriel Pittet erklärt gegenüber cath.ch die Beweggründe für sein Handeln.

Christliche Werte wie Solidarität umsetzen und eine Debatte anregen über die Ausschaffung von Asylsuchenden, wie sie das Dubliner Abkommen vorsieht. Mit diesen Argumenten stimmte der Pfarreirat von Sacré-Coeur der Anfrage der Aktivistengruppe «Collectif R» zu, neun Asylsuchende zu beherbergen, die zuvor in der reformierten Kirche Saint-Laurent Unterschlupf gesucht hatten. Eine Entscheidung, die Wellen aufgeworfen hat:

So hatte die Katholische Kirche im Kanton Waadt (ECVD) das «Collectif R» als keinen adäquaten Gesprächspartner bezeichnet, weil die Gruppe sich auf einem Weg der Konfrontation statt des Dialogs befinde. Gabriel Pittet, Pfarrer von Sacré-Coeur, der als Bindeglied zwischen dem «Collectif R» und dem Pfarreirat fungiert, bedauert diese «beschränkte Sichtweise» auf die Aktivisten. Pittet, der das «Collectif R» seit langem kennt, ist überzeugt, dass dieses sich für einen gerechten Kampf engagiert, der die öffentliche Meinung beeinflussen könnte: Die Aufnahme der Flüchtlinge in der Kapelle Mon-Gré ist für Pittet eine Form des Protests gegen das Dublin-Abkommen. Gemäss diesem müssten die neun Personen in das Land zurückgeschafft werden, wo sie ihren ersten Asylantrag gestellt haben.

Pfarreirat hat einstimmig zugestimmt

Pittet hat auch kein Verständnis für die Haltung der reformierten Kirche im Kanton Waadt (EERV). Diese hatte dem «Collectif R» vorgeworfen, die Situation der Asylsuchenden zu instrumentalisieren. «Es ist nicht so leicht zu unterscheiden, wo die Politik aufhört und die Solidarität anfängt», so Pittet. Der Protest der Aktivisten ist für Pittet kein Verrat am Rechtsstaat, vielmehr hält er es für «wichtiger, Gott zu gehorchen als den Menschen».

Der Pfarrer weist darauf hin, dass der Pfarreirat sich einstimmig für die Aufnahme der Flüchtlinge ausgesprochen habe. Er habe die Mitglieder darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung den kirchlichen Autoritäten missfallen könnte. Pittet gibt allerdings zu, dass der Seelsorgerat gegen die Aufnahme gewesen sei. «Mehrere Mitglieder wollten nicht auf die Anfrage eingehen», so Pittet. Er findet, dass der Seelsorgerat von der klaren Haltung der offiziellen Kirche stärker beeindruckt war als der Pfarreirat. Dennoch hat den Eindruck, dass die Debatte nicht zu einer grundsätzlichen Spaltung der Gemeinschaft geführt habe.

Im März 2015 hatten Flüchtlinge mit Hilfe von «Collectif R» den Pfarreisaal der reformierten Kirche  Saint-Laurent in Lausanne besetzt, welcher der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Waadt (EERV)  gehört. Diese hatte die Besetzer gebeten, den Saal zu räumen, was erst im April dieses Jahres geschah. Die Aktivisten hatten daraufhin dem Pfarreirat von Sacré-Coeur ihr Anliegen unterbreitet und dieser hatentschieden, die Flüchtlinge in der zur Pfarrei gehörenden Kapelle Mon-Gré aufzunehmen. (cath.ch/sys)

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Gabriel Pittet segnet den Kirchplatz von Sacré-Coeur, Lausanne | © Bernard Litzler
5. Mai 2016 | 14:51
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