Woelki konnte es sich nicht leisten, auf die Verjährung zu pochen: Der Imageverlust wäre nicht wieder gut zu machen.
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Ex-Mitarbeiterin belastet Kardinal Woelki: «Was der Erzbischof sagt, ist illoyal»

Paukenschlag in Köln: Eine ehemalige Mitarbeiterin der Personalabteilung bezichtigt Kardinal Woelki der Lüge. Woelki sei bereits 2015 von den Vorwürfen gegen den «Laudato si»-Schöpfer Winfried Pilz informiert worden. Woelki droht nun ein Verfahren wegen Meineids.

Raphael Rauch

«Das ist echt der Hammer. Ich denke, das bekommt Woelki nicht mehr eingefangen», schreibt ein Insider des Erzbistums Köln über einen Scoop des «Kölner Stadtanzeigers».

«Hat Woelki doch die Unwahrheit gesagt?»

Unter dem Titel «Hat Woelki doch die Unwahrheit gesagt?» packt eine ehemalige Mitarbeiterin der Personalabteilung aus. Es geht um den ehemaligen Sternsinger-Chef Winfried Pilz – bekannt auch als Schöpfer des Kirchenliedes «Laudato si».

Winfried Pilz, früherer Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" und Erfinder des Liedes "Laudatio si'".
Winfried Pilz, früherer Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" und Erfinder des Liedes "Laudatio si'".

Winfried Pilz wird sexuelle Gewalt gegen junge Männer vorgeworfen. Das Erzbistum Köln meldete die Anschuldigungen gegen den Priester erst 2021 an das Bistum Dresden-Meissen, wo dieser jahrelang seinen Ruhestand verbracht hatte. Kritikerinnen und Kritiker sehen hier eine Dienstpflichtverletzung durch Woelki, was dieser zurückweist.

Excel-Liste für Woelki

Woelki behauptet, erst im Juni 2022 mit dem Fall Pilz befasst worden zu sein. Dem widerspricht eine ehemalige Mitarbeiterin der Personalabteilung: «Das ist nicht wahr», sagt Hildegard Dahm im Interview mit dem «Kölner Stadtanzeiger». 

2015 habe sie für Woelki eine Excel-Liste erstellt, auf der auch der Name Pilz auftauchte. «Mag sein, dass er sich das Blatt mit Pilz und den anderen 13 Namen nicht angeschaut hat. Aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig. Deshalb war ich auch so entsetzt über die Selbstdarstellung des Kardinals in der Öffentlichkeit.»

Pilz-Nachruf ohne Kardinal und Generalvikar

Hildegard Dahm nennt in dem Interview ein weiteres Indiz, das aus ihrer Sicht dafür spricht, dass Woelki schon früh Bescheid wusste. Es geht um den Pilz-Nachruf des Erzbistums Köln. Pilz starb am 23. Februar 2019 – doch entgegen den Gepflogenheiten im Erzbistum Köln unterschrieben weder Kardinal Woelki noch Generalvikar Markus Hofmann den Nachruf. 

Laut der ehemaligen Mitarbeiterin gibt es für tote Priester «ein klares Reglement». Konkret: «Den Nachruf unterschreibt der Erzbischof, in seiner Abwesenheit der Generalvikar. Der Nachruf auf Pilz aber war von Personalchef Mike Kolb verfasst. Da ist der Dienstweg nicht eingehalten worden. Das passiert nicht einfach so.» 

«Das musste jetzt einfach raus»

Da Pilz ein prominenter Priester war und lange das Päpstliche Missionswerk geleitet hatte, müsse es einen schwerwiegenden Grund geben, warum die Bistumsspitze Pilz nicht persönlich würdigte.

Die ehemalige Mitarbeiterin spricht in dem Interview auch über ihren inneren Zwiespalt. Sie sei gläubige Katholikin, die «fast täglich in den Dom zur Messe» gehe. «Das ist für mich eine Kraftquelle.» Lange Zeit habe sie geschwiegen – doch nun könne sie das nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinen: «Das musste jetzt einfach raus. Ich will nicht, dass später einmal Menschen zu mir kommen und mich fragen: ‘Du hast doch so viel gewusst. Warum nur hast du nichts gesagt?’» 

«Missachtung des Einsatzes und der guten Arbeit von Mitarbeitenden»

Auch findet Hildegard Dahm: Nicht nur sie müsse loyal sein, sondern auch der Dienstgeber. «Ich finde, wie der Erzbischof hier mit den Tatsachen umgeht und sich nicht einmal im Ansatz bemüht, zumindest intern Klarheit zu schaffen, das ist eine Missachtung des Einsatzes und der guten Arbeit von Mitarbeitenden. Was der Erzbischof sagt, ist illoyal – auch mir gegenüber als Verfasserin der Excel-Liste.»

Das Erzbistum Köln war am Dienstagabend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Hildegard Dahms Aussagen sind aber brisant. Denn Kardinal Woelki versicherte in einer presserechtlichen Auseinandersetzung an Eides statt: «Ich wurde mit dem Fall Pilz durch das Erzbistum Köln erst in der 4. Juni-Woche 2022 befasst… Auch unabhängig von einer Befassung durch das Erzbistum Köln habe ich mich vor der 4. Juni-Woche 2022 auch nicht aus anderen Gründen mit dem Fall Pilz und/oder diesbezüglich zu treffenden Massnahmen befasst.»

Hildegard Dahm bekräftigt in dem Interview mit dem «Kölner Stadtanzeiger», dass Woelki sich von 2015 an mit der Causa Pilz befasst habe. Es könnte daher sein, dass die Staatsanwaltschaft nun wegen Meineides Ermittlungen aufnimmt. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Woelki konnte es sich nicht leisten, auf die Verjährung zu pochen: Der Imageverlust wäre nicht wieder gut zu machen. | © KNA
9. November 2022 | 00:01
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