Kirchenmusiker und Pfarrer Mario Pinggera an der Orgel in der katholischen Kirche in Richterswil.
Schweiz

Mario Pinggera: Das Gassenhauer-Lied «Laudato si» ist «kontaminiert»

Winfried Pilz, der Autor des erfolgreichen Kirchenliedes «Laudato si», wird posthum des sexuellen Missbrauchs verdächtigt. Das Lied werde deshalb nie wieder so unbeschwert gesungen werden können wie bislang, ist Pfarrer und Kirchenmusiker Mario Pinggera (53) überzeugt.

Barbara Ludwig

Seit kurzem liegt ein Schatten über dem Lied «Laudato si» von Wilfried Pilz (1940-2019). Der deutsche Liedautor wird posthum des sexuellen Missbrauchs verdächtigt. Als Jugendseelsorger hatte Pilz anfangs der 1970er Jahre die deutsche Version eines italienischen Songs getextet. «Laudato si», eine Adaption des Sonnengesangs von Franz von Assisi, wurde zu einem der erfolgreichsten Kirchenlieder.

Winfried Pilz, früherer Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" und Erfinder des Liedes "Laudatio si'".
Winfried Pilz, früherer Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" und Erfinder des Liedes "Laudatio si'".

Bis heute wird es vor allem von Kindern und Jugendlichen gesungen. «Das Lied ist ein richtiger Gassenhauer, den auch ich immer wieder gerne in Gottesdiensten gehört habe», sagt Mario Pinggera, Pfarrer und Kirchenmusiker in Richterswil ZH, auf Anfrage.

«Da war doch noch etwas, das so ganz und gar nicht zum Charakter des Liedes passt.»

Doch wie ist das jetzt, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen den Liedautor erhoben wurden? Kann der Ohrwurm noch ebenso unbeschwert gesungen werden wie eh und je? Nein, sagt Pinggera. «Die Kontamination ist einfach da. Da kann man nichts machen.» Wenn das Lied erklinge, denke man unweigerlich daran: «Da war doch noch etwas, das so ganz und gar nicht zum Charakter des Liedes passt.»

Der Organist hat seine Dissertation über Kirchenmusik in der Zeit des Nationalsozialismus geschrieben. Immer wieder, wenn sich Künstlerinnen und Künstler schuldig gemacht hätten, stelle sich die Frage, wie man mit dem Kulturgut dieser Menschen umgehen solle, sagt Pinggera.

Urheber und Werk trennen

Im Fall von «Laudato si» geht Pinggera allerdings davon aus, dass das Lied auch künftig gesungen wird. Nur schon, weil es in zahlreiche Liedbücher Aufnahme gefunden habe. Pinggera plädiert auch nicht dafür, dass Pfarreien «Laudato si» aus ihren Gottesdiensten verbannen. So weit würde er nicht gehen. «Das Lied hat eine positive Botschaft. Und es ist nicht für die Taten seines Schöpfers verantwortlich». Es sei sinnvoll, Urheber und Werk zu trennen, gibt der Kirchenmusiker zu bedenken.

«Auch ein Mistkerl kann in der Kunst Bedeutendes hervorgebracht haben.»

«Denn auch ein Mistkerl, der Schlimmes angerichtet hat, kann in der Kunst Bedeutendes hervorgebracht haben.» Die Geschichte sei voll von Beispielen. Sergei Sergejewitsch Prokofjew etwa sei ein solcher Mensch gewesen. «Der russische Komponist war ein Künstler von Weltrang, dessen Werke in den Konzerthäusern der Welt bis heute erklingen. Gleichzeitig war überzeugter Stalinist. Und das ist alles andere als ein Kompliment», sagt Mario Pinggera. «Das ändert aber nichts an der hohen Qualität der Musik.»


Kirchenmusiker und Pfarrer Mario Pinggera an der Orgel in der katholischen Kirche in Richterswil. | © Ueli Abt
1. Juli 2022 | 17:48
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!