Pfadfinder "App" alias Pater Aaron Brunner am Matterhorn.
Schweiz

«Einmal Pfadi, immer Pfadi»: Nostalgische Erinnerungen an die Pfadi-Zeit

Aaron Brunner heisst bei der Pfadi «Äpp», Roland Trauffer «Spatz» und Sibylle Hardegger mauserte sich vom anhänglichen «Zeto» zum «Turbo». Was lernt man bei der Pfadi fürs Leben? Der Einsiedler Pater Aaron Brunner findet: «Aufgeben ist keine Option.»

David Meier 

«Es gibt immer eine Lösung»

Pater Aaron Brunner OSB.
Pater Aaron Brunner OSB.

«Ein besonderes Highlight meiner Pfadi-Zeit war, als ich mit einer grossen Schar Kinder überraschend getauft wurde und meinen Pfadinamen «Äpp» erhalten habe. Bei einer Nacht- und Nebelaktion, von der ich keine Ahnung hatte, war ich ziemlich nervös – wie die Kids. Ich war anschliessend erleichtert, befreit und glücklich – wie der Rest der Lagergruppe. Die Fantasie der Leitergruppe hat mich dabei beeindruckt wie auch die Achtsamkeit, mit welcher man an die Sache heran ging.

Ich habe durch die Pfadi gelernt, dass es immer eine Lösung gibt. Aufgeben ist keine Option. Das Teamwork kittet zusammen und das Vertrauen zueinander ist die Basis zum Gelingen von lebenslangen Freundschaften. 

Ich sehe auch eine Parallele zwischen Pfadi- und Pfarreileben: Die Vielfalt an Persönlichkeiten, Charakteren und Lebenseinstellungen macht das Zusammenleben nicht immer einfach, doch es ist gleichzeitig eine grosse Bereicherung. Eine Pfadiabteilung ist auch der Mikrokosmos einer Pfarrei. Alle verbindet ein Ziel, doch die Wege, wie man dorthin gelangt, können ganz unterschiedlich sein. Ausserdem hat es in der Pfadi, wie auch in der Pfarrei, leidenschaftlichere und passivere Menschen, welche sich mehr oder weniger mit der Institution identifizieren.»

Der Benediktiner-Pater Aaron Brunner ist Vikar in der Pfarrei Einsiedeln.

Als Berner im separatistischen Jura: Das Bundeslager 1956

Roland Trauffer
Roland Trauffer

«Bei der Pfadi heisse ich Spatz. Er steht für einen neugierigen, furchtlosen, manchmal frechen, immer draufgängerischen Berner Altstadt-Gieul – auf Mattenenglisch heisst das Junge. Ich erinnere mich an viele Pfadi-Highlights, unter anderem an das Bundeslager 1956 in Saignelegier. Als Berner im Jura: Für mich war es das erste Lager mit dem Corps Windrösli. Auf der Uniform hatte ich ein aufgenähtes Malteserkreuz, um die katholische Identität zu markieren. Es gab Separatisten, die stolz darauf waren, die bunte Schweizer Jugend willkommen heissen zu dürfen. Entgegen den Vorurteilen und Befürchtungen des Vaters behelligten die Separatisten den Wagen der Eltern beim Besuch in keiner Weise. Für mich war das Bundeslager eine kreative Erfahrung der multikulturellen, vielsprachigen,  toleranten und geeinten jungen Schweiz.

Bei der Pfadi habe ich viel fürs Leben gelernt: Verantwortung zu übernehmen und aus den eigenen Erfahrungen zu lernen. Als ursprünglich engbrüstiges Asphaltbüebli habe ich den wertvollen Kontakt mit der Natur gefunden. Ich habe entdeckt, was Spuren im weiten Sinn bedeuten. Auch lernte ich, eine vielfältige Knotenkunde umzusetzen – zu knüpfen und aufzulösen. Durch Kameradschaft konnten wir Gegensätze überwinden und für die Friedensarbeit sensibilisiert werden. Insgesamt war die Pfadi eine gelungene Art der Sozialisation – im Weiterführen des Mottos: Allzeit bereit. Und: Jeden Tag eine gute Tat.»

Der Dominikaner Roland Trauffer lebt seit 2011 in Guatemala, wo er sich in der Pastoral engagiert und das kirchliche Gericht der Diözese Verapaz führt. Zuvor war er Generalvikar des Bistums Basels und Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz.

«Allzeit bereit, durch mein ganzes Leben»

Sibylle Hardegger in der Kirche des Klosters Mariastein SO.
Sibylle Hardegger in der Kirche des Klosters Mariastein SO.

«Als ich bei den «Bienli» eintrat, bekam ich in einer abenteuerlichen Taufe den Namen «Zeto», was in irgendeiner weniger bekannten Sprache «Hund» bedeutet. Die Leiterinnen hatten mir damals erklärt, dass ich ein sehr treues und anhängliches Bienli sei und dieser Name deshalb für mich ausgewählt wurde. 

Später, als ich dann in die Pfadistufe übergetreten bin, bekam ich den Namen «Tourbillon» (Wirbelwind). Selbstredend kam es bald zu den Abkürzungen «Tourbi» oder «Turbo». Vom treuen, anhänglichen Hund zum Turbowirbelwind: Das zeigt in etwa auch meine Entwicklung von der Primarschülerin zur Teenagerin. 

Jeder Samstagnachmittag, jedes Weekend und jedes Lager war ein Highlight. Da fällt es schwer, einzelne Erlebnisse herauszupicken. Ich erinnere mich jedoch an ein Zeltlager im Calancatal. In diesem Lager bin ich auf einen rostigen Nagel getreten und musste zum Arzt nach Grono für eine Auffrischung der Starrkrampfimpfung. Für diesen Weg durfte ich zusammen mit einer Leiterin auf dem Töffli ins Tal fahren. Das war ein super Erlebnis, weil ich selber kein Töffli haben durfte.

Einmal Pfadi, immer Pfadi, deshalb begleitet mich die Haltung: Allzeit bereit, durch mein ganzes Leben. Ich versuche da zu sein, wo es mich braucht. Das habe ich sicher bei den Pfadi gelernt, Rücksicht auf andere zu nehmen und mich in einer Gemeinschaft sozial zu verhalten. 

Später, als Fähnli- und Truppführerin, habe ich gelernt, Verantwortung zu übernehmen, zu leiten und Entscheide zu treffen. Nicht zu vergessen ist ausserdem all das Basis-Wissen über Erste Hilfe, Knoten, Kochen, Morsen und vieles mehr. Gut: Das Morsen brauche ich heute nicht mehr sehr oft!»

Sibylle Hardegger ist Radio- und Fernsehbeauftragte des Katholischen Medienzentrums.

«Gelernt, wie man auftritt und vor grösseren Gruppen spricht»

Rolf Steiner, Kantonsrat SP ZH
Rolf Steiner, Kantonsrat SP ZH

«In der Pfadi, bei der ich seit 1960 dabei bin, werde ich Plato genannt. Es wäre falsch, aus dieser langen Zeit ein besonderes Erlebnis zu erwähnen, das würde anderes abwerten, das genauso toll war. Das wichtigste ist mir nämlich, schon so lange dabei zu sein.

Die Zeit in der Pfadi hat mich geprägt. Ich war mein halbes Berufsleben für die Pfadi engagiert, unter anderem mehr als zehn Jahre als Bundesführer. Auch beim Verband Katholischer Pfadi war ich drei Jahre engagiert. Ich habe durch die Pfadi gelernt, wie man auftritt und vor grösseren Gruppen spricht, was mir zum Beispiel dabei geholfen hat, Sitzungen zu leiten.

Nun bin ich gerade dabei, am Bundeslager eine Ausstellung mitzubetreuen. Diese heisst: «Pfadi gestern heute morgen» Ich bin dabei für den «Gestern»-Teil zuständig. Ich freue mich sehr darauf, wenn viele Besucherinnen und Besucher in die Ausstellung kommen.»

Rolf Steiner ist ehemaliger Kantonsratspräsident (SP) in Zürich.

«Einsatz für die Gemeinschaft, Unterstützung der Schwächeren»

Walter Hofstetter aus Luzern wurde von der Weltpfadfinderorganisation ausgezeichnet.
Walter Hofstetter aus Luzern wurde von der Weltpfadfinderorganisation ausgezeichnet.

«Mein Pfadi-Name ist «Hööggli». Als Hööggli habe ich unzählige schöne Momente in der Pfadi erlebt, angefangen beim ersten Pfadilager 1969 auf der Göscheneralp. Es folgten viele weitere wie die Bürgenstock-Umrundung zu Fuss und mit dem Schlauchboot bei eisiger Kälte in einem Leiterkurs. Oder die Leitung des World Moot 1992 – das ist das Weltlager für 17- bis 25-jährige Pfadis. Oder die Wahl ins Weltkomitee der Weltorganisation und der Einsatz im Kantonallager als Foodmanager.

Dabei habe ich viel gelernt, zum Beispiel die Zusammenarbeit in total verschieden zusammengesetzten Teams oder das Führen von Freiwilligen in unkonventionellen Situationen, in denen immer wieder kreative Lösungen gefordert sind. Wichtig ist, dass man eine Zuversicht behält – in fast jeder Situation.

Ich sehe mehrere Parallelen zwischen der Pfadi und den christlichen Werten: der Einsatz für die Gemeinschaft, die Achtung des Individuums und die Unterstützung der Schwächeren. Ausserdem sind die Pflege der Gemeinschaft und die Auseinandersetzung mit dem Glauben wichtig.»

Walter Hofstetter ist Mitglied der Luzerner Synode.

«Auf die Schöpfung Rücksicht nehmen»

Yvonne Hofstetter
Yvonne Hofstetter

«Als Kind habe ich gerne Streiche gespielt, weshalb ich in der Pfadi Strick genannt werde.

Mein Pfadi-Highlight war das Weltpfadilager in England 2007. In unserer Gruppe, der Gästebetreuung, arbeiteten 40 Menschen aus 32 verschiedenen Ländern zusammen und es hat alles super funktioniert. Besonders hat mir das Zentrum der Religionen gefallen, wo alle Weltreligionen vertreten waren und eine gute Stimmung herrschte. 

Bipi, der Gründer der Pfadfinder, versuchte, den Jungs aus England Gott näher zu bringen. Dies tat er, indem er sie lehrte, die Natur zu beobachten und ihre Schönheit zu schätzen. Sie sollten lernen, auf die Schöpfung Rücksicht zu nehmen. Toleranz und Rücksicht, aber auch der Umgang untereinander, waren ihm im Sinne der Menschenwürde ein wichtiges Anliegen. 

In der katholischen Pfadi in Luzern, in der ich aufgewachsen bin, habe ich als Leiterin viel Unterstützung erfahren und darum auch als zweiten Beruf Religionspädagogin gelernt. Die Pfadi hat mich geprägt und wird mich weiter prägen, denn die nächsten drei Wochen bin ich nun hier im Goms am Helfen.»

Yvonne Hofstetter ist Mitglied der Doppelratskommission für Nachhaltige Entwicklung in Luzern.

«Es ergeben sich Freundschaften fürs Leben»

Lukas Vonlaufen auf dem Bundeslager.
Lukas Vonlaufen auf dem Bundeslager.

«Mir haben die Sommer-Lager der Pfadi immer sehr gefallen und sie haben mich geprägt. Besonders ein Moment aus dem Pfadilager blieb mir dabei in Erinnerung: Wir haben eine Brücke über einen Bach gebaut. Plötzlich kam eine riesige Flutwelle auf diejenigen zu, welche am Bach waren. Es war grosses Glück, dass ein Leiter diese Welle bemerkte und noch rechtzeitig davor warnen konnte.

Als «Tschoo», wie ich in der Pfadi heisse, lernte ich immer wieder neue Leute kennen. Besonders im Corpslager auf dem Santenberg, wo Pfadis aus der ganzen Umgebung von Sursee dabei waren, konnte ich Freundschaften knüpfen. Später lernte ich es schätzen, dass man auch nur mal als Leiterteam etwas unternommen hat oder sich getroffen hat, um zusammen etwas trinken zu gehen. 

Daraus ergeben sich Freundschaften fürs Leben. Darin sehe ich auch eine Gemeinsamkeit mit der Schweizergarde: Man wird Kameraden fürs Leben. In der Pfadi habe ich neben dem Zusammenleben auch einige weitere Skills erlernt. Ich habe gelernt, wie man in der Wildnis «überlebt», zum Beispiel wie man mit einfachen Werkzeugen Feuer macht, wie man Seile richtig verknotet oder wie man eine Karte liest. 

Ausserdem habe ich gelernt, wie man erste Hilfe leistet. Das könnte mir momentan auch während meines Einsatzes hier am Bundeslager helfen, für den ich Ferien genommen habe. Ich bin nämlich im Bereich «Ruhe und Ordnung» im Einsatz. Ich bin als Patrouille Ansprechperson, leiste im Notfall erste Hilfe, biete falls notwendig die Sanität auf und helfe mit, sollte eine Evakuierung nötig sein.

Die Pfadi ist übrigens nicht militärisch organisiert wie die Schweizergarde, obwohl es eine Uniform gibt. Der Sinn der Pfadi-Uniform ist es nämlich, alle gleichzustellen – egal, ob sie arm oder reich sind.»

Lukas Vonlaufen ist Hellebardier in der Päpstlichen Schweizergarde.

«An den Menschen interessierte Führung»

Ehemaliger RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch
Ehemaliger RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch

«Als Kind war ich bei den Wölfen, wo ich wohl aufgrund meiner Frisur den Namen «Pony» bekam. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Lager, das wir Wölfe gemeinsam mit den Pfadfindern verbrachten. Mir imponierten die klassischen Elemente wie Fahnenaufzug oder das Clairon-Spiel. Aber auch die Lieder am Lagerfeuer sind mir in Erinnerung geblieben. 

Gerade dank dieser emotional starken Momente konnte wohl das Heimweh nicht überhand nehmen. Bei diesen Erlebnissen habe ich erfahren, wie stark und schön gute Gemeinschaftserlebnisse sind, was für eine Kraft vom Singen ausgehen kann und dass es sich lohnt, sich auch mal «durchzubeissen» und tapfer zu sein, wenn Gefühle wie Heimweh, Angst oder Überforderung mich zu «überschwemmen» drohten.

Ich erkenne auch Parallelen zu meiner Arbeit innerhalb der staatskirchenrechtlichen Strukturen: Verantwortungsbewusste, an den Menschen interessierte, auf sinnvolle Ziele und Aktivitäten ausgerichtete Führung ist für den Erfolg und den Zusammenhalt einer Gruppe oder Organisation entscheidend. Die Ideale und die Gesamtorganisation mögen noch so gut sein – wenn die konkreten Erfahrungen vor Ort damit nicht übereinstimmen, ist der Austritt die logische Konsequenz.»

Daniel Kosch ist Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz.


Pfadfinder «App» alias Pater Aaron Brunner am Matterhorn. | © zVg
27. Juli 2022 | 11:24
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