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Einheit in Verschiedenheit: Wie die Bischöfe in Prag mit den Spannungen umgehen

Es liegen Welten zwischen der Kirche in der Schweiz, in Deutschland und in Polen. Trotzdem haben mit der Ausnahme von Liechtenstein Katholikinnen und Katholiken aus ganz Europa eine Woche lang über eine synodale Kirche diskutiert. Auch wenn Überraschungen ausblieben: Die meisten dürften Prag verändert verlassen.

Ludwig Ring-Eifel

Eine Woche lang haben in Prag Bischöfe, Priester, Laiinnen und Laien aus allen Teilen Europas über die Krise der katholischen Kirche und mögliche Antworten beraten. 

In Prag zeigt sich die Vielfalt der katholischen Kirche

Unter den knapp 200 Anwesenden waren rund 50 Bischöfe, zudem Priester und Ordensleute, aber auch zahlreiche Laiinnen und Laien. Diese Männer und Frauen kamen aus Bewegungen und Organisationen, die in ihrer Vielfalt einen Teil der unterschiedlichen Strömungen des Katholizismus in Europa abbildeten.

Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Die Gemeinschaft Sant’Egidio war ebenso dabei wie der deutsche Katholikendachverband ZdK mit seiner Präsidentin Irme Stetter-Karp, das Opus Dei ebenso wie Lebensschützer-Vereine, eine Handvoll Professorinnen und Professoren, die verschiedenen Ausprägungen der «katholischen Aktion» aus südlichen Ländern und viele mehr.

Progressive sind in der Minderheit

Eine herausgehobene Rolle hatte der tschechische Religionsphilosoph Tomas Halik. Er setzte mit einem nachdenklichen Eröffnungsreferat Impulse, die im Laufe der Beratungen immer wieder aufgegriffen und zum Ausgangspunkt weitergehender Überlegungen gemacht wurden. Er ordnete die gegenwärtige Kirchenkrise in den ideengeschichtlichen Rahmen einer Glaubenskrise ein und weitete damit den Horizont der Debatte.

Tomas Halik, tschechischer Priester und Religionsphilosoph, an der Synode in Prag.
Tomas Halik, tschechischer Priester und Religionsphilosoph, an der Synode in Prag.

Dennoch wurden häufig auch einfache Krisendiagnosen und Antworten vorgetragen: «Progressive» (in Prag klar in der Minderheit) traten für Änderungen der kirchlichen Lehre und Moral ein, um niemanden aus der Kirche auszuschliessen oder hinauszudrängen.

Erst tagen alle, dann nur noch die Bischöfe

«Konservative» warben für ein Festhalten an Dogmen und Verboten als einzig sinnvoller Reaktion der Kirche auf die Beliebigkeit der postmodernen Welt. Konsens gab es darüber, dass die Kirche – wie vom Papst gefordert – neue Wege der Beratung und einer Beteiligung des «Volkes Gottes» an Entscheidungen finden müsse. Dafür war das Treffen in Prag eine erste Einübung.

"Wir sind ganz Ohr": Das Bistum Basel macht in Prag auf den synodalen Prozess aufmerksam.
"Wir sind ganz Ohr": Das Bistum Basel macht in Prag auf den synodalen Prozess aufmerksam.

Die 39 Bischofskonferenzen in Europa, die in einem «Rat» unter der Abkürzung CCEE mit Sitz in St. Gallen zusammengeschlossen sind, entsandten jeweils ihren Vorsitzenden sowie drei weitere Vertreterinnen und Vertreter. Die 39 Vorsitzenden tagten am Ende zwei Tage lang unter sich, um das zu reflektieren, was in den ersten vier Tagen von Bischöfen, Priestern und Laien gesagt worden war.

Wolfgang Haas ist noch Erzbischof von Vaduz.
Wolfgang Haas ist noch Erzbischof von Vaduz.

Das Fürstentum Liechtenstein war nicht vertreten: Erzbischof Wolfgang Haas lehnt den synodalen Prozess ab. Das Erzbistum Vaduz ist auch nicht Mitglied des CCEE.

Die Sprachen: Italienisch, Englisch, Deutsch

Während im ersten Teil die Plenarsitzungen im Livestream übertragen wurden, war der Abschluss nicht öffentlich. Zuvor hatten auch die Stuhlkreis-Sitzungen der Kleingruppen ohne Medienöffentlichkeitstattgefunden. Ausserdem konnten sich Delegierte online beteiligen – allerdings gelang es kaum, die Versammlung in Prag und die online diskutierenden Teilnehmenden zusammenzubringen.

Drei Delegierte in Prag, zehn Online-Delegierte in Wislikofen: die Schweizer Delegation des synodalen Prozesses.
Drei Delegierte in Prag, zehn Online-Delegierte in Wislikofen: die Schweizer Delegation des synodalen Prozesses.

Schnell zeigte sich, dass die Gruppendynamik der Präsenzversammlung für Online-Teilnehmende uneinholbar war. Das galt für die Gespräche in den Kaffeepausen ebenso wie für die Erfahrung gemeinsamer Gottesdienste und Gebete, von denen viele in Latein gehalten wurden. In den Debatten waren Italienisch und Englisch die am meisten gesprochenen Sprachen – gefolgt von Deutsch.

Intransparenter Redaktionsprozess

Intransparent war der Redaktionsprozess, der nach den Beratungen der ersten vier Tage zu einem gemeinsamen Dokument führen sollte. Ein Team von Expertinnen und Experten versuchte, die Kernpunkte der im Plenum vorgetragenen Ideen in einem Text zu bündeln.

Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing.
Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing.

Dieser wurde am Donnerstagmorgen verlesen, dann konnten mündlich und schriftlich Änderungswünsche eingebracht werden. Am Ende der geschlossenen Bischofsberatungen wurde ein kurzer zweiter Text verabschiedet, der als «Botschaft an das Volk Gottes» veröffentlicht werden sollte.

Kein eigener Text zum Thema Missbrauch

Anders als zunächst angekündigt gab es keinen eigenen Text zum Thema Missbrauch. Es war der Belgrader Erzbischof Laszlo Nemet, der eingeräumt hatte, dass es sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker auch in Osteuropa gab. Doch wegen der Unterdrückung der Kirche im Kommunismus fehlt bis heute ein klares Bild darüber – unter anderem, weil die Geheimpolizei ihre Finger im Spiel hatte und viele Akten später vernichtet wurden. Nicht nur an diesem Punkt wurde in Prag deutlich, dass das Erbe der Diktaturen in Osteuropa bis heute nachwirkt.

Blick auf die Karlsbrücke in Prag.
Blick auf die Karlsbrücke in Prag.

In Pressestatements zeigten sich am Ende Bischöfe aus allen Teilen Europas zufrieden mit dem in Prag erlebten Prozess des gegenseitigen Zuhörens – auch wenn die unterschiedlichen Ansätze zur Überwindungder Kirchen- und der Glaubenskrise in Europa nicht in eine gemeinsame Handlungsstrategie mündeten.

«Einheit in Verschiedenheit» 

Bei der Versammlung der Weltsynode in Rom im Oktober dürften daher die Bischöfe aus Europa wie gehabt mit sehr unterschiedlichen Akzenten auftreten. Neu ist, dass viele von ihnen nach der Erfahrung von Prag eine «Einheit in Verschiedenheit» eher für möglich halten. (cic)


11. Februar 2023 | 19:04
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