Erzbischof Paul Richard Gallagher (2.v.l.) und Bundesrat Ignazio Cassis.
Vatikan

Der Vatikan im Zeichen des Schweizerkreuzes: Neue Gardisten, neue Botschaft und gemeinsam auf Friedensmission

«Der Geist soll uns, das Volk Gottes und die Hierarchie erleuchten.» Die Stanser Ländlermesse ist erfrischend synodal. Auch sonst hat der «Sacco di Roma» dieses Jahr viel zu bieten: 36 neue Gardisten, eine neue Botschaft – und der Krieg in der Ukraine als Top-Thema.

Roland Juchem

«Ich schwöre, treu, redlich und ehrenhaft zu dienen, dem regierenden Papst Franziskus und seinen rechtmässigen Nachfolgern … bereit, wenn es erheischt sein sollte, für ihren Schutz selbst mein Leben hinzugeben.» Die Eidesformel, die Gardekaplan Pater Kolumban Reichlin in der vatikanischen Audienzhalle vorträgt, und den die neuen Gardisten mit der Hand am Gardebanner und erhobener Schwurhand bekräftigen, ist seit Jahren die gleiche.

Stanser Ländlermesse: «Eine Pfarrerin, ein Bauer, der Papst…»

Wie sie an diesem Freitagabend in ihren bunten Galauniformen das traditionelle Zeremoniell absolvieren, vergisst man schnell, dass der Arbeitsalltag der päpstlichen Personenschützer anders aussieht. Nüchterner und mit modernster Technik. Doch wie gut die Schweizer Tradition und Moderne verbinden können, beweisen nicht nur die traditionell gekleideten Gardisten und ihre modernste Sicherheitstechnik.

Bundespräsident Ignazio Cassis (2. v.l.) an der Messe am Freitagvormittag.
Bundespräsident Ignazio Cassis (2. v.l.) an der Messe am Freitagvormittag.

Bei der Messe am Morgen im Petersdom trug ein Chor des Gastkantons Nidwalden mit Akkordeon und Blasmusik folkloristisch anmutende Gesänge der Stanser Ländlermesse vor. Doch in dem von Felix Stöckli verfassten Text heisst es auf Nidwaldnerdeutsch ganz kosmopolitisch: «Eine Pfarrerin, ein Bauer, der Papst, ein Jude, eine Muslimin, ein Mannequin, eine Ordensfrau sind heilig alle seit eh und je, weil Gott sie alle gerne sieht.» 

Synodale Gesinnung

Ob dies die Offenheit und Toleranz der Eidgenossen ist, die Gardekommandant Christoph Graf abends bei derVereidigung loben wird? Schon zu Beginn der Messe mit Kardinal Mauro Gambetti fragte der Chor: «Sag, wird es auch in der Kirche Tag? Das wird doch wohl nicht sein? Der Geist soll uns, das Volk Gottes und die Hierarchie erleuchten.» An so viel synodaler Gesinnung hätte Papst Franziskus seine Freude gehabt.

Papst Franziskus bei einer Audienz mit den neuen Gardisten am 6. Mai 2022 im Vatikan.
Papst Franziskus bei einer Audienz mit den neuen Gardisten am 6. Mai 2022 im Vatikan.

Der Papst begrüsste die zu vereidigenden Gardisten und ihre Familien am Mittag in der Casa Santa Marta. Dabei gedachte er auch des Ex-Gardisten, der am vergangenen Sonntag in Trun in Graubünden bei einem Unfall durch einen Schuss am Kopf getötet wurde. Der Mann hatte von 2018 bis 2021 bei der Garde gedient und war erst kürzlich in die Schweiz zurückgekehrt.

Künftig hat die Schweiz eine Botschaft am Heiligen Stuhl

Kurz vorher hatte das Kirchenoberhaupt den Schweizer Bundespräsidenten Ignazio Cassis in Audienz empfangen. Mit ihm sprach er über den Ukraine-Krieg und dessen Folgen. Erst im November hatten der Heilige Stuhl und die Eidgenossenschaft in Bern eine Kooperation zum Einsatz für Frieden und multilaterale Konfliktlösung unterzeichnet. «Die muss sich nun bewähren», sagte Cassis nach dem Treffen mit Franziskus.

Hier ist die Schweizer Botschaft am Heiligen Stuhl eingezogen: Bundespräsident Ignazio Cassis und Erzbischof Paul Gallagher.
Hier ist die Schweizer Botschaft am Heiligen Stuhl eingezogen: Bundespräsident Ignazio Cassis und Erzbischof Paul Gallagher.

Für ihn und seine Delegation um Nationalratspräsidentin Irène Kälin und Ständeratspräsident Thomas Hefti war der diesjährige Vatikan-Besuch zudem Gelegenheit, die neue Schweizer Botschaft beim Vatikan einzuweihen. Mit dem Aussenminister des Papstes, Erzbischof Paul Gallagher, enthüllte Cassis die Plakette der «Ambassade de Suisse près la Saint-Siège» am Eingang der Via Crescenzio 97, nur wenige hunderte Meter vom Vatikan entfernt.

Bau der Kaserne verzögert sich

Botschafter Denis Knobel managt nun den Umzug von der slowenischen Hauptstadt Ljubljana nach Rom. Bis dahin müssen die Räumlichkeiten noch den Erfordernissen einer diplomatischen Vertretung angepasst werden. 

Bundespräsident Ignazio Cassis (Mitte) mit Ständeratspräsident Thomas Hefti (links) und Nationalratspräsidentin Irène Kälin.
Bundespräsident Ignazio Cassis (Mitte) mit Ständeratspräsident Thomas Hefti (links) und Nationalratspräsidentin Irène Kälin.

Auf ein anderes Schweizer Gebäude wird man im Vatikan indes noch länger warten müssen. Mit dem Bau der neuen Kaserne der Schweizergarde wird erst nach 2025 begonnen werden können.

«Sacco di Roma» – Plünderung durch Söldner

Vatikanstaat und Italien wollen während des Heiligen Jahres 2025, zu dem Rom einige Million Pilger mehr als üblich erwartet, an einer der Hauptpilgerwege zum Petersdom keine Grossbaustelle. Es wäre so passend gewesen: eine neue, grössere und nachhaltig gebaute Unterkunft für die 135 Gardisten, teils mit Familien, zum 500. Jahrestag des Sacco di Roma im Jahr 2027.

Kardinal Kurt Koch und Garde-Kaplan Pater Kolumban Reichlin in Rom.
Kardinal Kurt Koch und Garde-Kaplan Pater Kolumban Reichlin in Rom.

Bei der Plünderung Roms am 6. Mai 1527 durch Söldner waren 147 Schweizergardisten ums Leben gekommen; die übrigen konnten den damaligen Papst Clemens VII. gerade noch vom Apostolischen Palast in die Engelsburg in Sicherheit bringen. Jährlich gedenkt die Garde am Vorabend der Vereidigung mit einer Kranzniederlegung neben dem Petersdom der getöteten Kameraden von damals.

Finanzierung auf gutem Weg

Am Mittwoch noch hatten Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der Präsident der «Stiftung für die Renovierung der Kaserne der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan», Jean-Pierre Roth, eine Absichtserklärung unterzeichnet. Die soll das Grossprojekt nun endgültig auf den Weg bringen. Sind doch im Vatikanstaat und bei den italienischen Behörden – die Kaserne steht an der Landesgrenze – noch etliche bürokratische Hürden zu nehmen.

Vereidigung der neuen Rekruten.
Vereidigung der neuen Rekruten.

Die gemeinsame Finanzierung des Projekts durch Schweiz, Vatikan und private Spender ist nach Aussage von Bundespräsident Cassis gesichert. Das für Herbst geplante Referendum im Kanton Luzern zur Mitfinanzierung der neuen Kaserne der Schweizergarde sieht er als normalen demokratischen Vorgang. Den müsse man abwarten. Er hoffe aber, dass die Kritik an der Finanzierung nur von einer Minderheit geteilt werde.

Schweizergarde als Teil der Schweizer Identität

Die Schweiz wolle alles tun, so Cassis, um das Fortbestehen der Garde zu ermöglichen, «weil das zu unserer Identität gehört. Wir Schweizer brauchen symbolische Elemente, die unsere vier unterschiedlichen Sprachen und Kulturen zusammenhalten.» Die Schweizergarde sei eines dieser Symbole. (cic)


Erzbischof Paul Richard Gallagher (2.v.l.) und Bundesrat Ignazio Cassis. | © KNA
6. Mai 2022 | 23:14
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!