Papst Franziskus mit ukrainischer Flagge, Juni 2023
Vatikan

Der Papst und die weisse Flagge – Offenbar doch kein Versehen

Von Moskau bis ins Nato-Hauptquartier, von Kiew bis Washington diskutierten in den vergangenen Tagen politische Entscheider die Sätze des Papstes zum Thema Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg. Doch waren die Worte des Papstes von der weissen Flagge im Ukraine-Krieg ein Ausrutscher oder bewusst gewählt? Manches spricht dafür, dass es nicht bloss eine unglückliche Zuspitzung war.

Ludwig Ring-Eifel

Am Samstag waren Auszüge eines Interviews bekannt geworden, in denen der Papst vom «Mut zur weissen Flagge» sprach und der Ukraine sinngemäss nahelegte, weiteres massenhaftes Sterben auf den Schlachtfeldern entlang der Frontlinie durch Verhandlungen zu beenden. Die Reaktionen auf die Worte des 87-jährigen Pontifex liessen nicht lange auf sich warten.

Gedenkdemo für die Ukraine im Februar in Zürich.
Gedenkdemo für die Ukraine im Februar in Zürich.

Am heftigsten waren sie in Osteuropa und in der Ukraine selbst, aber sogar die Regierung in Washington und der Nato-Generalsekretär in Brüssel distanzierten sich von den Aussagen aus Rom. Vor allem zwei Punkte wurden kritisiert: Dass Franziskus das Bild der weissen Flagge gebraucht und damit der Ukraine eine Kapitulation empfohlen habe, war ein Vorwurf.

Für Verhandlungsfrieden geworben

Der andere richtete sich auf die Tatsache, dass der Papst nichts über Russland sagte, sondern sich offenbar nur Gedanken über die Position der angegriffenen und kräftemässig unterlegenen Ukraine machte.

Mehrere Vatikan-Funktionäre bemühten sich darum, Missverständnisse auszuräumen. Pressesprecher Matteo Bruni, der Papstbotschafter in Kiew und der Kardinalstaatssekretär persönlich erinnerten daran, dass der Papst nicht für eine Kapitulation der Ukraine, sondern für einen Verhandlungsfrieden unter Vermittlung internationaler Mächte geworben hatte.

Sendung zur Farbe Weiss

Doch auch sie kamen nicht am Bild der weissen Flagge vorbei, das der Papst benutzt hatte. Der Interviewer habe es dem Papst in den Mund gelegt, betonten sie. Was jedoch nicht erklärte, warum der Papst das missverständliche Symbol nicht einfach zurückwies, das in vielen Kontexten «bedingungslose Kapitulation», und in anderen so viel wie «Wir wollen verhandeln!» bedeutet.

Matteo Bruni ist der Direktor des Presseamts des Heiligen Stuhls.
Matteo Bruni ist der Direktor des Presseamts des Heiligen Stuhls.

Erst das Umfeld der Frage macht klar, warum der Papst beim Bild der weissen Fahne blieb, das der Interviewer ihm anbot: Das gesamte Gespräch wurde am 2. Februar geführt, für eine Kultur-Sendung des Schweizer Fernsehens RSI mit dem Titel «Cliché», bei der es um nichts anderes als um die Farbe Weiss gehen sollte: Die weisse Soutane des Papstes, weisse Brautkleider als Symbol der Unschuld, das Weiss in der christlichen Taufe, weisse Tauben als Friedenssymbol – und eben auch die weisse Fahne.

Internationale Beachtung erfahren

Die Sendung sollte am 20. März im Tessin ausgestrahlt werden und hätte vermutlich nur eine bescheidene Reichweite erzielt. Dass die Äusserungen des Papstes zu einem möglichen Verhandlungsfrieden für die Ukraine dann aber vorab den Sprung in die internationalen Medien schafften und weltweit von Diplomaten, Aussenministern und Regierungschefs diskutiert wurden, ist offenbar die Folge einer plötzlichen Eingebung.

Wolodimir Selenski am WEF 2024 in Davos.
Wolodimir Selenski am WEF 2024 in Davos.

Bei der Sichtung des Interviewmaterials und des dazugehörigen Transkripts fiel jemandem auf, dass die Äusserungen des Papstes zum Frieden eigentlich das Zeug hätten, international beachtet zu werden. Ob es ein Mitarbeiter der Medienabteilung im Vatikan oder jemand vom Sender RSI war, ist ungeklärt.

Nachträgliche Erklärung nützte nichts

Tatsache ist, dass der Text am Samstagnachmittag bei Nachrichten-Agenturen wie «Reuters» und «Ansa» landete. Noch am Samstagabend berichtete das zum Heiligen Stuhl gehörende Portal «Vatican News» unter der Schlagzeile «Der Papst fordert für die Ukraine den Mut zum Verhandeln» über die Papstworte.

Papst Franziskus
Papst Franziskus

Über diesen Kanal kamen dann auch die ersten einordnenden Worte des Pressesprechers Matteo Bruni, der betonte, dass es dem Papst nicht um Kapitulation, sondern um Verhandlungen gehe. Die lange Reihe von zum Teil heftigen Reaktionen auf die Papstworte zur weissen Flagge vermochte diese Erklärung nicht mehr zu stoppen. (cic)

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Papst Franziskus mit ukrainischer Flagge, Juni 2023 | © KNA
13. März 2024 | 11:00
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