Der nach wie vor nicht sanierte Klosterplatz in Einsiedeln. Derzeit liegt dort provisorisch Kies als Unterlage.
Schweiz

David gegen Goliath: Privatperson bringt den Einsiedler Klosterplatz vors Bundesgericht

Der Einsiedler Klosterplatz bleibt ein heisses Pflaster. Eine gehbehinderte Privatperson zieht die Causa vors Bundesgericht. Sie verlangt, dass der ganze Klosterplatz behindertengerecht gepflästert wird. Und stellt sich gegen den Kompromiss zwischen Kloster, Bezirk und Denkmalpflege, den das Schwyzer Verwaltungsgericht gutgeheissen hatte.

Wolfgang Holz

«Wenn ich jetzt meinen jahrelangen Kampf für einen behindertengerechteren Klosterplatz beende, würde ich mich bis an mein Lebensende darüber ärgern. Dann wüsste ich nicht, wie das Bundesgericht über die Rechte der Menschen mit Behinderungen entscheidet», sagt die Privatperson gegenüber kath.ch. Ein Kampf fast zwischen David und Goliath.

Mehr um materielle als um menschliche Werte»

«Dem Kloster geht es offensichtlich mehr um materielle als um menschliche Werte», ärgert sich die gehbehinderte Privatperson, deren Namen kath.ch bekannt ist. Aus Gründen des Personenschutzes möchte die Person anonym bleiben.

Der Einsiedler Klosterplatz vom Himmel aus gesehen
Der Einsiedler Klosterplatz vom Himmel aus gesehen

Sie habe sich entschlossen in Rekurs zu gehen und die Sache vors Bundesgericht zu ziehen, weil es ja schliesslich um die gesetzlich garantierten Rechte von behinderten Menschen gehe. Und diese Rechte müssten auch auf dem Unteren Klosterplatz in Einsiedeln gewährt werden.

Ganzen Klosterplatz glatt pflästern

Sprich, der ganze Klosterplatz müsse künftig behindertengerecht mit geschliffenen Flusskieseln gepflästert werden – und nicht nur, wie es der Behördenkompromiss vorsieht, mit gewissen Bahnen. «Der Platz im Platz ist schliesslich ein öffentlicher Platz.»

Die überwiegende Fläche des unteren Einsiedler Klosterplatzes soll bekanntlich mit für Menschen mit Behinderung nur schwer überwindbaren, ungeschliffenen Flusskieseln gepflästert werden. So sieht es das neue Konzept für den «Platz im Platz» rund um den Liebfrauenbrunnen vor dem Kloster Einsiedeln vor – eine «Vergleichslösung» zwischen Bezirk, Kloster und Denkmalpflege.

«Gerichtskosten und Präjudiz gescheut»

Dass die anderen Behindertenorganisationen dem Widerstand der Privatperson nicht folgen und das Urteil des Verwaltungsgerichts hinnehmen, führt die Privatperson darauf zurück, dass diese im Fall einer Niederlage vor dem Bundesgericht zum einen wohl die Gerichtskosten scheuten.

So soll nun der Klosterplatz gepflästert werden: Gelb  sandverfugte Steine, rot und orange Wege mit glatten Steinen für Gehbehinderte.
So soll nun der Klosterplatz gepflästert werden: Gelb sandverfugte Steine, rot und orange Wege mit glatten Steinen für Gehbehinderte.

«Zum anderen fürchten sie wohl die Gefahr eines Präjudizes», so die Privatperson. Will heissen: Das Bundesgerichtsurteil zum Klosterplatz könnte dann wegweisend für andere Streitfälle zulasten von Behinderteninteressen werden.

Fakt ist: Die beiden landesweit tätigen Organisationen «Procap für Menschen mit Handicap» und «Schweizerische hindernisfreie Architektur» sowie eine weitere Privatperson, die in den jahrelangen Streit um eine behindertengerechte Pflästerung des Einsiedler Klosterplatzes involviert waren, halten nicht an ihren Beschwerden fest. Respektive akzeptieren sie das Urteil des Schwyzer Verwaltungsgerichts.

«Chancen: 50:50»

Das finanzielle Risiko der Gerichtskosten trägt die Privatperson alleine. Ihre Chancen schätzt die Person mit 50:50 ein. «Wenn ich den Prozess verliere, dann verlieren alle Menschen – auch jene ohne Behinderung. Die können nämlich selbst jederzeit zu Menschen mit Behinderung werden – spätestens im Alter.» 

Für Menschen mit Behinderungen ein Hindernis: Beim Pflaster nach traditioneller Art wäscht der Regen den Sand aus und es können sich Dellen bilden.
Für Menschen mit Behinderungen ein Hindernis: Beim Pflaster nach traditioneller Art wäscht der Regen den Sand aus und es können sich Dellen bilden.

Unterm Strich seien die Menschen mit Behinderung «betrogen» worden durch den einseitigen Bruch eines Kompromisses, der 2018 aufgrund einer Einsprache mit ihnen geschlossen worden ist, beklagt die Privatperson. Dieser Vertrauensbruch belaste sie schwer.

«Kompromiss von Kloster und Denkmalpflege gebrochen»

Damals haben nach Ansicht der Privatperson Kloster, Denkmalpflege und Bezirk ihr und dem Einsiedler Einsprecher persönlich zugesichert, den ganzen Platz mit hindernisfrei geschliffenen Flusssteinen zu pflästern. Im Gegenzug habe der Einsiedler Einsprecher seine Einsprache gegen die neu geplanten, für Menschen im Rollstuhl unüberwindbaren Treppen am unteren Ende des Klosterplatzes zurückgezogen.

Für Rollstuhlfahrer ein unüberwindliches Hindernis: Die neuen Treppen am unteren Rand des Klosterplatzes.
Für Rollstuhlfahrer ein unüberwindliches Hindernis: Die neuen Treppen am unteren Rand des Klosterplatzes.

«Dieser Kompromiss ist dann 2019 von Kloster und Denkmalpflege gebrochen – und dadurch der Baustopp provoziert worden.» Darauf habe das Kloster die rund 150’000 Franken Spenden, die sie als Privatperson in jenen Monaten vor dem Kloster für die hindernisfreie Erneuerung des Klosterplatzes gesammelt habe, indirekt buchstäblich in den Sand gesetzt. Und zwar für den auf dem «Platz im Platz» notwendigen provisorischen Belag, so die Privatperson.

99 Prozent der Leute nutzen «geschliffenen» Weg

«Wer übrigens genau hinschaut, sieht, dass auf dem fertig gestellten Klosterplatz vor der Stiftskirche 99 Prozent aller Klosterbesucherinnen und -besucher auf dem von mir mit initiierten hindernisfreien Weg mit den geschliffenen Flusskieseln geht – und nicht auf den unbehauenen Steinen nebenan», sagt die Privatperson. Dies müsse auch wegweisend sein für den «Platz im Platz» rund um den Liebfrauenbrunnen.

Abt Urban: «Dankbar für rollstuhlgängige Rampe»

«Vor das Bundesgericht kommt der Vorplatz um den Marienbrunnen herum. Dazu können Bezirk und Kloster sich im Moment nicht äussern», sagt Abt Urban Federer gegenüber kath.ch.

Abt Urban Federer
Abt Urban Federer

«Über das Kernstück des Klosterplatzes – also über den Platz vor der Klosterfront – kann ich mich allerdings schon länger freuen.» Es sei gelungen, einen grosszügigen barrierefreien Zugang zur Klosterkirche zu schaffen sowie zum Abteihof hin und zu den Toilettenanlagen. «Auch für die rollstuhlgängige Rampe im Abteihof bin ich dankbar, die zu einem neuen Lift führt, der gehbehinderten Menschen den Zugang zu diesem alten barocken Haus ermöglicht.»

Der Bezirk Einsiedeln wollte sich zur Sache nicht äussern. Wie Landschreiber Patrick Schönbächler gegenüber dem «Einsiedler Anzeiger» wissen lässt, erwartet er einen Abschluss des Verfahrens vor Bundesgericht «bis Ende dieses Jahres». Gepflästert werden soll der Klosterplatz nicht unmittelbar danach, sondern erst nach der Welttheater-Spielzeit. Und diese endet voraussichtlich im September 2024.


Der nach wie vor nicht sanierte Klosterplatz in Einsiedeln. Derzeit liegt dort provisorisch Kies als Unterlage. | © Ueli Abt
8. Mai 2023 | 12:15
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