Die "Credit Suisse" am Zürcher Paradeplatz.
Schweiz

Das Dossier Becciu führt auch zur Credit Suisse

Für einen Kardinal ist es die höchste Strafe: Knall auf Fall verliert Giovanni Angelo Becciu (72) sämtliche Privilegien. Das Dossier Becciu führt auch in die Schweiz – zum Paradeplatz.

Raphael Rauch

Papst Franziskus hat den Rausschmiss von Kardinal Becciu nicht begründet. Doch italienische Medien legen nahe: Der Kardinal soll Vetternwirtschaft betrieben haben.

Vetternwirtschaft von Sardinien bis Kuba

Die Nuntiaturen in Ägypten und auf Kuba brauchten etwa neue Fenster. Der Auftrag ging an die Schreinerei von Beccius Bruder Francesco. Auch sein anderer Bruder Tonino profitierte von Geldern des Staatssekretariats: Der Vatikan unterstützte dessen Lebensmittel-Kooperative auf Sardinien.

Giovanni Angelo Becciu.
Giovanni Angelo Becciu.

Die Amtshilfe für die eigene Familie dürfte das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Denn schon länger steht Giovanni Angelo Becciu in der Kritik.

Er war die Nummer Drei im Vatikan

Bereits 2018 wurde der Kardinal degradiert. Damals musste er das Amt des Substituten aufgeben – ein machtvolles Amt, die inoffizielle Nummer Drei im Vatikan. Beim Substituten laufen die Fäden des Staatssekretariats zusammen.

Nach der Degradierung wurde Becciu Präfekt für Selig- und Heiligsprechungsprozesse. In seine Amtszeit fiel die Heiligsprechung der Schweizerin Marguerite Bays.

Gelder fliessen von der CS nach London

Das Dossier Becciu führt auch in die Schweiz – direkt auf den Zürcher Paradeplatz, zur Credit Suisse. Der Vatikan hatte sich mit einer Immobilie in London verzockt. Die Gelder für das Investment sollen über ein Konto der «Credit Suisse» geflossen sein. Wer sich auf Googlemaps im Londoner In-Stadtteil Chelsea umsieht, stösst auf die Adresse «60 Sloane Avenue«.

Wohl mit dieser Immobilie in London hat sich der Vatikan verspekuliert.
Wohl mit dieser Immobilie in London hat sich der Vatikan verspekuliert.

Auf den ersten Blick sieht die Immobilie nicht spektakulär aus. Doch laut Medienberichten hat der Vatikan bei diesem Investment einen dreistelligen Millionenbetrag verloren.

Die genaue Rolle der Credit Suisse bei diesem Deal ist unklar. «Es wurde bei jenem Geschäft so viel so falsch gemacht, dass sich die Frage stellte, ob die Pleite nicht mit Korruption (Kickbacks) absichtlich herbeigeführt worden sei», schreibt die NZZ.

CS-Sprecherin: «Arbeiten mit den Behörden zusammen»

Bereits letztes Jahr machte das italienische Wochenmagazin «L’Espresso» publik: Das Staatssekretariat des Vatikans führte mutmasslich eine schwarze Kasse in Höhe von 650 Millionen Euro. Das Geld wurde aus dem Peterspfennig veruntreut: Mit Spenden für die Armen soll der Vatikan spekuliert haben.

Die "Credit Suisse" am Zürcher Paradeplatz.
Die "Credit Suisse" am Zürcher Paradeplatz.

Um den Finanzskandal aufzuklären, leitete der Vatikan eine Untersuchung ein. «Credit Suisse ist nicht Gegenstand der vom Vatikan durchgeführten Untersuchung, arbeitet aber unter Einhaltung der geltenden Vorschriften mit den Behörden zusammen», teilte eine Sprecherin kath.ch mit. Nähere Angaben wollte sie nicht machen.

Franziskus gegen Steueroasen

Finanzexperten kritisieren schon länger die intransparenten Machenschaften des Vatikans. Sie werfen Papst Franziskus gar Doppelzüngigkeit vor: Erst gestern hat der Papst in einer Video-Botschaft für die Vereinten Nationen eine andere Wirtschaftsethik gefordert. Franziskus plädierte dafür, Steueroasen zu schliessen sowie Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu vermeiden. Nun sei der Zeitpunkt gekommen, um die internationale Finanz-Architektur zu erneuern.

Angelo Becciu (Mitte) - hier beim Besuch einer Moschee, damals war er noch Kardinal.
Angelo Becciu (Mitte) - hier beim Besuch einer Moschee, damals war er noch Kardinal.

Ob die Schweiz und der Vatikan Gespräche über Finanzgeschäfte führen, ist unklar. Im November besucht der Leiter des mächtigen Staatssekretariats die Schweiz: Kardinal Pietro Parolin. Dazu gehört auch ein Treffen mit Bundesrat Ignazio Cassis. Offizielles Thema: 100 Jahre diplomatische Beziehungen.

Becciu: «Habe keinen Euro gestohlen»

Becciu indes ist sich keiner Schuld bewusst. «Ich fühlte mich als Freund des Papstes, als treuer Diener», sagte Becciu. «Der Papst sagte mir, dass er mir nicht mehr vertraut, weil ihm von den Staatsanwälten mitgeteilt wurde, dass ich angeblich Unterschlagungen begangen habe.» Dabei habe er nicht «einen Euro gestohlen».

Immer wieder stehen die Vatikan-Finanzen im Zwielicht. Sie werden internationale Finanzexperten auch von nächster Woche an wieder beschäftigten.

Europarat im Vatikan

Der Europaratsausschuss Moneyval wird am Montag seine Kontrollarbeit am Heiligen Stuhl und im Vatikanstaat starten. Die Inspektion wird rund zwei Wochen dauern. Es handelt sich um eine turnusmässige Untersuchung – unabhängig vom jüngsten Showdown um Ex-Kardinal Becciu.


Die «Credit Suisse» am Zürcher Paradeplatz. | © Raphael Rauch
26. September 2020 | 12:59
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!