Kathedrale von Sitten
Schweiz

Bistum Sitten empört über Betticher-Interview: Alles war ganz anders

Im Interview mit kath.ch äussert sich Kirchenrechtler Nicolas Betticher über das Bistum Sitten. Dieses habe einen Missbrauchstäter, der in den 1980er Jahren vor Gericht stand, vierzig Jahre im Amt gelassen. Das Bistum reagiert verschnupft und erklärt: Es habe von nichts gewusst und ein Gerichtsverfahren habe es nie gegeben. Dabei stammt die Information vom Bistum selbst.

Annalena Müller

Am 15. Oktober verschickt das Bistum Sitten eine Pressemitteilung. Darin steht, dass ein im Bistum inkardinierter Priester aus dem Klerikerstand entlassen worden sei. Weiter heisst es, dass der Priester «wegen pädophiler Verbrechen an einem Geschwisterpaar Anfang der 1980er Jahre vor Gericht stand».

Paul Martone
Paul Martone

Drei Tage später will das Bistum Sitten davon nichts mehr wissen. «Die Angaben im Pressecommuniqué des Bistums Sitten sind etwas verwirrend», schreibt Pressesprecher Paul Martone in einer E-Mail an kath.ch. Im Anschluss drückt Martone seine Irritation über eine Äusserungen von Nicolas Betticher aus. Dieser hatte im Interview mit kath.ch das Bistum der Vertuschung bezichtigt.

Betticher bezog sich auf Pressemitteilung

Das besagte Interview mit Nicolas Betticher erschien am Dienstagmorgen. Darin zeigt sich der Kirchenrechtler geschockt, dass die Bistumsverantwortlichen trotz eines Prozesses gegen den Priester in den 1980er Jahren nicht reagiert haben.

«Ich kann es nicht verstehen, dass die Verantwortlichen des Bistums nicht bereits in den 1980er Jahren konkrete Massnahmen angeordnet haben und F.-X. A. aus dem kirchlichen Dienst entfernt haben. Das ist eine Art von Vertuschung, die ich einfach nicht mehr akzeptieren kann. Heute sollten Bischöfe, die so etwas geduldet haben, zur Rechenschaft gezogen werden.»

Nicolas Betticher auf kath.ch

Gegenüber kath.ch präzisiert Betticher am Mittwoch: Er habe von der zivilgerichtlichen Verurteilung aus der Medienmitteilung am 15. Oktober erfahren. «Ich ging natürlich davon aus, wenn das Bistum in seinem Pressekommuniqué von einem Gerichtsverfahren schreibt, dass es dieses Verfahren auch gegeben hat. Und entsprechend war ich geschockt, dass die Bistumsoberen erst vier Jahrzehnte später aktiv wurden.»

Ursprüngliche Fehler liegt bei Sitten

Betticher selbst wurde nach eigener Aussage 2019 zu dem Fall hinzugezogen, nachdem Bischof Jean-Marie Lovey eine kanonische Voruntersuchung durchgeführt hatte. Daher habe er nur Einblick in die Akten seit 2019 gehabt. Der Sittener Bischof habe Betticher 2019 zunächst als Rechtsberater und im Herbst 2022 als Kirchenrichter im Fall F.-X. A. bestellt.

Nicolas Betticher bezog sich bei seiner Aussage auf das Pressekommuniqué des Bistums.
Nicolas Betticher bezog sich bei seiner Aussage auf das Pressekommuniqué des Bistums.

Dies bestätigt auch der Sittener Pressesprecher Paul Martone. 2019 sei das Jahr, in dem «dieser Priester von den Opfern angezeigt worden» war, woraufhin Bischof Jean-Marie Lovey die kanonische Voruntersuchung einleitete. «Gleich zu Beginn der Untersuchung entschied sich Bischof Lovey für eine vorsorgliche Massnahme, indem er dem Beschuldigten Priester alle priesterlichen und liturgischen Handlungen untersagte.»

Auf Nachfrage von kath.ch, warum das Bistum trotz eines zivilrechtlichen Prozesses vor 40 Jahren erst so spät aktiv wurde, antwortet Martone: es habe weder einen Prozess noch ein Urteil gegeben. Das eigene Pressekommuniqué bezeichnet er als «etwas verwirrend». In der gleichen E-Mail wirft der Bistumssprecher Betticher vor, im Interview «nicht ganz ehrlich» gewesen zu sein. «Seine Aussage, dass der Priester vor einem Gericht stand, ist falsch, da die vom Priester teilweise bestrittenen Taten verjährt waren.»

Offen lässt Martone: Was genau an der Formulierung «vor Gericht stand» verwirrend ist. Ebenfalls offen bleibt die Frage, wie eine solch konkrete Formulierung versehentlich in ein Pressekommuniqué kommen kann.

Korrektur: In einer früheren Version hiess es, dass die französische Version noch schärfer sei. Das stimmt so nicht. In der französischen Medienmitteilung heisst es lediglich, dass F.-A. X. für Verbrechen verurteilt wurde, die er in den 1980er Jahren begangen hat. Mit der Verurteilung ist das kirchenrechtliche Verfahren von 2022 gemeint. Der Artikel wurde entsprechend angepasst. 19.10.2023, 17:02.


Kathedrale von Sitten | © Jacqueline Straub
18. Oktober 2023 | 17:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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