Vitus Huonder (l.) mit dem "Vertrauensbleistift" der Kirchenzeitung, rechts Markus Büchel
Kommentar

Bischof Vitus Huonder: Von netten Worten und problematischen Zügen

Vitus Huonder trat als Bischof von Chur kaum öffentlich auf – und wenn, dann mit einer konservativen Haltung. «Huonders kirchlicher Konservativismus scheint sich mit dem Alter akzentuiert, gar radikalisiert zu haben», schreibt Regula Pfeifer in ihrem Kommentar. Eine kurze Begegnung zeigte aber ein anderes Gesicht des umstrittenen Bischofs.

Regula Pfeifer

Als die Schweizerische Katholische Kirchenzeitung im September 2017 an einer Pressekonferenz ihre Neulancierung präsentierte, war da überraschenderweise auch Bischof Vitus Huonder, neben Bischof Felix Gmür und Bischof Markus Büchel. Die bischöfliche Präsenz hatte einen Grund: Die Zeitschrift gehört dem «Verein Schweizerische Bischofskonferenz» und gilt als konservativ.

Bischöfliches Schloss in Chur
Bischöfliches Schloss in Chur

Vitus Huonder hatte an diesem Anlass aber keine grosse Rolle. Bis dato war der Churer Bischof bekannt dafür, sich hinter den dicken Mauern des Churer Bischofsschlosses einzuschliessen. Das war auch einer der Vorwürfe, die insbesondere die Zürcher Katholikinnen und Katholiken an ihren Bischof richteten.

Nette Worte des älteren Herrn

In der Pause jener Pressekonferenz stand der damalige Bischof von Chur inmitten der Leute, ein eher kleiner älterer Mann mit schütterem Haar. Da er mit niemandem sprach, ging ich zu ihm und stellte mich vor. Er sagte ein paar nette Worte und ging weiter. Seine Reaktion überraschte mich, zumal ich als Vertreterin von kath.ch sonst nie Auskunft aus dem Bischofsschloss erhielt.

In jenem Moment hatte ich kurz Mühe, den netten Herrn mit den Vorkommnissen zusammenzubringen, die reformorientierte Katholikinnen und Katholiken gegen ihn und seine Entourage aufbrachten. Und die zu Protesten und Demonstrationen gegen ihn geführt hatten und weiterhin führten.

Demonstration "Es reicht" gegen den Churer Bischof Vitus Huonder im März 2014 in St. Gallen
Demonstration "Es reicht" gegen den Churer Bischof Vitus Huonder im März 2014 in St. Gallen

Mit seiner konservativen Haltung – und entsprechenden Entscheiden – polarisierte Huonder das Bistum Chur. Und trug zu einer Spaltung bei. Eine Minderheit konservativer Anhängerinnen und Anhänger hielt zu ihm. Bei der Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken stiess er jedoch auf Unverständnis und Ablehnung. Dementsprechend forderten anlässlich seines Rücktritts viele, ein neuer Bischof müsse «ein Brückenbauer» sein.

Ungnade gegenüber Homosexuellen

Für Entrüstung sorgte etwa, wie sich Huonder 2015 zur gelebten Homosexualität äusserte. Auf einem Anlass in Fulda (D), hatte er diese als «Gräueltat» bezeichnet, die mit dem Tod bestraft werden müsse. Die reformorientierte Allianz «Es reicht» warf dem Bischof daraufhin ein «Denken abgekoppelt vom realen Leben» und ein «Theologisieren im sterilen Raum» vor.

Ein homosexuelles Paar wird im Gottesdienst gesegnet.
Ein homosexuelles Paar wird im Gottesdienst gesegnet.

Auch Huonders krasse Reaktion auf eine Segnung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung warf Wogen. Der Pfarrer von Bürglen, Wendelin Bucheli, hatte 2014 zwei lesbische Frauen seiner Pfarrei gesegnet. Darauf zitierte ihn Huonder zu sich und forderte ihn zur Demission auf. Bucheli konnte bleiben, musste aber ein Versprechen abgeben, auf Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren zu verzichten.

Pfarrer Wendelin Bucheli
Pfarrer Wendelin Bucheli

Missio-Entzug als Strafe

Die konservative Grundhaltung des Bischofs führte weiter dazu, dass Gemeindeleiterinnen im Kanton Zürich um ihre Missio fürchten mussten, wenn sie sich kritisch äusserten oder nicht konform verhielten.

Monika Schmid
Monika Schmid

So etwa erlebte die Theologin und Seelsorgerin Monika Schmid bischöfliche Repressionen, weil sie im «Wort zum Sonntag» den Missbrauch in der katholischen Kirche anprangerte. Ohne Vorwarnung entzog er ihr die Missio. Schlussendlich – mit anwaltlicher Unterstützung – erhielt sie ihre bischöfliche Beauftragung zurück.

Papstkritik vom Piusbrüder-Institut heraus

Huonders kirchlicher Konservativismus scheint sich mit dem Alter akzentuiert, gar radikalisiert zu haben. So zog Vitus Huonder nach seiner Emeritierung als Churer Bischof im Frühling 2019 ins Knaben-Institut der Piusbrüder in Wangs SG. Diese konservative Bruderschaft ist vom Vatikan nicht anerkannt. Allerdings hatte Huonder bereits kurz zuvor den Auftrag der vatikanischen Glaubenskongregation erhalten, den Kontakt zu den Piusbrüdern aufrecht zu erhalten.

Ein Video der Serie mit Vitus Huonders Papst-Kritik

Doch Vitus Huonder erwies sich nicht als neutraler Vermittler. Von Wangs aus übte er scharfe Kritik an Papst Franziskus. In einer dreiteiligen Videoserie von 2023 warf er dem Papst vor, mit seinem Schreiben «Traditionis custodes» die «Römische Liturgie ausmerzen» zu wollen. Er betreibe eine «Hetzjagd gegen jene Gläubigen, welche in dieser Liturgie mit Grund den wahren und ursprünglichen Gottesdienst der Römischen Kirche erkennen». Das sei «innerkatholische Verfolgung».

Ob der emeritierte Bischof diese Aussagen eigenständig machte oder von den Piusbrüdern dazu gedrängt wurde, lässt sich wohl kaum herausfinden. Die Worte, die er hier und anderswo benutzte, zeigten mir aber, dass jener nette Herr, den ich damals getroffen hatte, noch ganz andere, durchaus problematische persönliche Züge trug.

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Vitus Huonder (l.) mit dem «Vertrauensbleistift» der Kirchenzeitung, rechts Markus Büchel | © Regula Pfeifer
4. April 2024 | 15:43
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