Arnold B. Stampfli im Newsroom des Katholischen Medienzentrums in Zürich
Porträt

Arnold Stampfli: «Man hat uns die Räuberbande der Bischofskonferenz gescholten»

Die katholische Publizistik kommt an Arnold B. Stampfli nicht vorbei. Auch mit 92 Jahren schreibt er noch Artikel. Sein Bruder ist der Churer Domherr Franz Stampfli. Beide haben aus nächster Nähe die Hochs und Tiefs der Schweizer Kirchenpolitik verfolgt.

Eva Meienberg

Als die Welt in die Krise geriet, kam am 22. März 1930 Arnold Stampfli im Notkerianum in St. Gallen auf die Welt. Die Menzinger Schwestern beteten für den kleinen Buben, dessen Geburt sich dramatisch gestaltete. Kaum auf der Welt, taufte die Hebamme den Buben in der Not. Die Geschichte seiner Geburt habe ihm besagte Hebamme erzählt, als er ihr 22 Jahre später begegnete, sagt Arnold Stampfli. Die Geburt des kleinen Arnold habe sie nicht vergessen.

Arnold Stampfli versinkt im schwarzen Ledersessel im Katholischen Medienzentrum. Neben sich legt er eine in die Jahre gekommene Ledermappe und den Gehstock seines Vaters. Arnold Stampfli trägt Anzug und Krawatte. Der kleine Mann setzt an und erzählt seine Lebensgeschichte in drei Stunden. Seinen Kaffee trinkt er erst, als er längst kalt geworden ist.

Mit dem Bruder innig verbunden

Dieses Jahr hat Arnold Stampfli seinen 92. Geburtstag gefeiert. Drei Mal. Mit seinen Nachbarn im sanktgallischen Rieden, mit seiner Familie in St. Gallen und mit seinem Bruder Franz in Zürich. Bruder Franz Stampfli war Pfarrer in Zürich und Affoltern am Albis, noch heute ist er Domherr des Bistums Chur.

Mit seinem Bruder ist Arnold Stampfli innig verbunden. Am Telefon nennt er ihn «Brüderchen». Zweimal in der Woche besucht er den fünf Jahre jüngeren Bruder im Altersheim in Zürich. Eineinhalb Stunden Weg von Tür zu Tür. Unterwegs ist Arnold Stampfli mit dem öffentlichen Verkehr. Ein Auto hat er nie besessen. Die Leidenschaft für den ÖV teilt er mit seinem Bruder.

Franz Stampfli (links), Josef Annen und Paul Vollmar, 2018
Franz Stampfli (links), Josef Annen und Paul Vollmar, 2018

Das bezeugen die Namen, die sie in den Studentenverbindungen bekommen haben. An der HSG wurde Arnold Stampfli auf den Namen Loki getauft. Franz Stampfli bekam in Innsbruck den Namen Tram. Loki und Tram wuchsen in Zürich Oberstrass auf. Vom Erkerfenster aus zählten die Kinder die Tramwagen, die den Milchbuck passierten. Die Bauklötze wurden zu Zugwagen und die Faszination des ÖV liess die Buben nie mehr los.

In den Fussstapfen des Vaters

Arnold Stampfli hat einen zweiten Vornamen: Benedikt. Das B. erhielt er, damit er nicht mit seinem Vater verwechselt würde. Als ob der Vater geahnt hätte, dass sein Erstgeborener beruflich in seine Fussstapfen als Journalist treten wird.

Arnold Stampfli, Vater von Arnold B. und Franz, 1982. Der Journalist schreibt für die Zürcher Neuen Nachrichten.
Arnold Stampfli, Vater von Arnold B. und Franz, 1982. Der Journalist schreibt für die Zürcher Neuen Nachrichten.

Die Mission des Vaters war die Berichterstattung über das katholische kirchliche Leben in der Schweiz. Er füllte als freier Mitarbeiter damals eine Marktlücke. Die Katholische internationale Presseagentur (Kipa) war in den 1930er-Jahren ein Ein-Mann-Betrieb, erzählt Arnold Stampfli. Sie habe sich für den Vatikan und das Ausland interessiert. Berichte aus der katholischen Schweiz hingegen hätten in den vielen katholischen Blättern oft gefehlt.

Vor allem während der Kriegsjahre war die berufliche Selbstständigkeit des Vaters aber nicht immer erfolgreich. «Wir mussten schmal durch», erinnert sich Arnold Stampfli an die Kriegsjahre.

Glauben gefunden im Appenzell

Die wirtschaftliche Situation der Familie sei vermutlich der Grund gewesen, wieso seine Mutter ihm das Versprechen habe abringen wollen, nicht Journalist zu werden. «Ich hatte einen nicht sehr guten Draht zu meiner Mutter», sagt Arnold Stampfli. Vom schwierigen Klima hatte der Hausarzt Wind bekommen. In einer Sprechstunde fragte er den Schüler, ob er seinen Vater überzeugen solle, ihn auf das Kollegium Appenzell zu schicken. «Das war eine gute Idee», sagt Arnold Stampfli.

Fronleichnam Appenzell 2021
Fronleichnam Appenzell 2021

1946 trat Arnold Stampfli ins Kollegium ein. Die Jahre in Appenzell hätten ihm einen neuen Glauben eröffnet. Die Strenge der Menzinger Schwestern im Religionsunterricht und ihre kuriosen Ansichten seien an ihm abgeperlt wie Regenwasser, sagt Arnold Stampfli. Er erinnert sich an eine Schwester, die behauptete: Es gebe vier Adventssonntage entsprechend der Jahrtausende, vor denen die Welt erschaffen worden sei. Von der franziskanischen Spiritualität aber liess der Jugendliche sich bewegen und trat in den Dritten Orden der Franziskaner ein.

«Der Berufsberater hat mir jegliche Fähigkeit für eine journalistische Tätigkeit abgesprochen.»

Als die Matura näher rückte, schickte die Mutter Arnold Stampfli zur akademischen Berufsberatung. «Der Berufsberater hat mir jegliche Fähigkeit für eine journalistische Tätigkeit abgesprochen», sagt Arnold Stampfli. Heraldiker sollte er werden oder Treuhänder und Revisor. Arnold Stampfli fügte sich vorerst und immatrikulierte sich an der HSG in St. Gallen. Als Werkstudent finanzierte er sein Studium selbst. Er führte die Betriebsbuchhaltung in der Spielkartenfabrik Müller und Kompanie in Neuhausen und belegte seine Vorlesungen und Seminare an der Hochschule und – schrieb Artikel für die katholische Ostschweiz.

Endlich Redaktor

Als dort ein Redaktor krankheitsbedingt ausfiel, konnte Arnold Stampfli einspringen. An einem Montagmorgen im Juli 1956 um 5 Uhr morgens begann Arnold Stampfli seinen Dienst für die Morgenausgabe. Suezkrise, Ungarnaufstand. Arnold Stampfli war gefordert und genau dort, wo er sein wollte.

Arnold Stampfli 2017
Arnold Stampfli 2017

Weniger gut lief es ihm im Studium. Arnold Stampfli hat ein phänomenales Zahlengedächtnis. Wenn ein Auto vorbeifahre, schaue er nicht auf den Fahrer, sondern auf die Nummer und winke dann, wenn sie ihm bekannt sei. Mathematik aber sei nie seine Stärke gewesen. Dies sei ihm im Studium zum Verhängnis geworden.

Der Rektor der HSG zitierte den schreibenden Studenten, dessen Artikel über den ÖV er gelesen hatte. «Herr Stampfli, Sie gehören in die Verkehrsverwaltung», sagte Willi Geiger. Arnold Stampfli buchte seine Seminare dankbar um.

Angekommen in Bern, bereit für die Heirat

Von der Redaktion der Ostschweiz wurde der Jungredaktor der Schweizerischen Politischen Korrespondenz (SPK) empfohlen. Diese zweite Nachrichtenagentur neben der Schweizerischen Depeschenagentur suchte einen Hilfsredaktor aus den Reihen der CVP. Die katholischen Zeitungen forderten einen Redaktor aus den eigenen Reihen.

Bundeshaus in Bern.
Bundeshaus in Bern.

1958 trat Arnold Stampfli seinen Dienst dort an unter der Voraussetzung, dass er sein Studium abschliessen könne. Nun hatte der Werkstudent den finanziellen Boden, um seine langjährige Freundin zu heiraten. Arnold Stampfli hatte Annemarie Meyer bereits mit 18 Jahren kennen gelernt. Wie er war auch sie dem Laienorden der Franziskaner beigetreten. Zuerst schrieben sie sich vier Jahre lang Briefe. Dann endlich lernten sie sich 1954 in einem Ferienlager kennen. 1960 heirateten sie in Bern und bekamen zwei Töchter und einen Sohn.

«Ich habe mich auf keine der sechs Stellen beworben, die ich in meinem Leben innegehabt habe.»

Nach zwei Jahren bei der SPK wurde Arnold Stampfli angefragt, ob er die Medienarbeit der nationalen CVP übernehmen wolle. «Ich habe mich auf keine der sechs Stellen beworben, die ich in meinem Leben innegehabt habe», sagt Arnold Stampfli stolz. Weder auf die Stelle bei der Ostschweiz noch auf die Stelle bei der CVP, nicht bei der Winterthurer Hochwacht, als Leiter der Informationsstelle des Konkordats der Krankenkassen, als Redaktor beim Basler Volksblatt und auch nicht als Informationsbeauftragter des Bistums St. Gallen.

Informationsbeauftragter für das Bistum St. Gallen

Bischof Johannes Vonderach von Chur (Mitte) eröffnet am 23. September 1972 in Zürich-Witikon die Synode 72.
Bischof Johannes Vonderach von Chur (Mitte) eröffnet am 23. September 1972 in Zürich-Witikon die Synode 72.

Otmar Mäder war seit drei Jahren Bischof von St. Gallen, als der damalige Generalvikar Paul Schneider Arnold Stampfli 1979 als Informationsbeauftragten für das Bistum vorschlug. Der Bischof habe dezidiert keinen Theologen einstellen wollen, sondern einen Journalisten. «Mach etwas aus dieser Stelle», habe ihm Bischofsvikar Ivo Fürer ihm geraten, den er aus dem Kollegium in Appenzell kannte.

«Ich wollte davon berichten, was sich an der Basis tut.»

Arnold Stampfli besuchte alle 18 Zeitungsredaktionen im Bistum, stellte sich bei Radio und Fernsehen vor und bei den vielen Gremien, die sich nach der Synode 72 gebildet hatten. «Ich wollte davon berichten, was sich an der Basis tut», sagt Arnold Stampfli. Die Skepsis, die ihm vor allem Priester anfänglich entgegengebracht hätten, sei bald gewichen. Den Durchbruch habe er mit seinen Nachrufen geschafft, sagt Arnold Stampfli. Eines Tages habe ihm ein Priester ein Dossier über sich gegeben. «Wenn ich sterbe, möchte ich auch einen schönen Nachruf von Ihnen.»

Anzeige

In diese Zeit fällt die Krebserkrankung seiner Tochter Agnes. Mit 18 Jahren starb die Tochter nach mehreren Jahren Krankheit. Der Entschluss der ältesten Tochter Anna-Maria in Chur Theologie zu studieren, komme wohl aus dieser Zeit, sagt Arnold Stampfli. Als erste weltliche Frau habe seine Tochter Anna-Maria ein Jahr in Sant’ Anselmo in Rom studiert, sagt Arnold Stampfli stolz.

Papstbesuche in der Schweiz und im Ländle

Papst Johannes Paul II. 1984 in Einsiedeln
Papst Johannes Paul II. 1984 in Einsiedeln

Zu den Höhepunkten als Informationsbeauftragter gehörte der Papstbesuch 1984 in Einsiedeln. Arnold Stampfli leitete dort das Pressezentrum. Als der Papst ein Jahr später dem Ländle seine Aufwartung machte, wurde Arnold Stampfli wiederum mit der Organisation des Pressezentrums betraut. Als man ihm in Vaduz die Turnhalle mit 20 Stühlen für die Journalisten zeigte, setzte er zur Offensive an. Denn zum Papstbesuch akkreditierten sich rund 300 Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt.

Negativ in Erinnerung bleibt Arnold Stampfli die Affäre Wolfgang Haas. Der eigentlich die Affäre Johannes Vonderach vorausgegangen sei, sagt Arnold Stampfli. Im Kanzler und späteren Bischof Haas war Stampfli einem Mann begegnet, der ihm nicht einmal zugetraut habe, die Farbe des Einbandes für das Personalverzeichnis des Bistums zu wählen, weil er kein Theologe sei.

Protest vor der Kathedrale in Chur gegen Bischof Wolfgang Haas am 17. Juni 1990.
Protest vor der Kathedrale in Chur gegen Bischof Wolfgang Haas am 17. Juni 1990.

Sein Bruder Franz Stampfli war zur gleichen Zeit Informationsbeauftragter des Bistums Chur. «Man hat uns die Räuberbande der Bischofskonferenz gescholten», sagt Arnold Stampfli. Nicht selten konnte er seinem Bischof Otmar Mäder eine Neuigkeit aus Chur erzählen.

Alleine in der Felsenegg

1995 ging Arnold Stampfli in Pension und übersiedelte mit seiner Frau nach Rieden. In das Haus, das sein Vater einst für seinen Bruder als Altersresidenz gekauft hatte. Doch der Wahlzürcher Franz Stampfli wollte in der Stadt bleiben. Noch bevor Arnold Stampfli seine Schriften in Rieden hinterlegte, war er dort bereits Präsident des Verkehrsvereins und Vermittler und schrieb für die ansässigen Zeitungen.

Inzwischen lebt Arnold Stampfli alleine in der Felsenegg, wie das 200 Jahre alte Kleinbauernhaus heisst, im Dorfkern von Rieden. Seine Frau starb vor 19 Jahren. Seine zweite Liebe, Beatrice Mäder, die Nichte von Bischof Otmar Mäder, musste er vor drei Wochen beerdigen.

Unermüdlicher katholischer Publizist

Bis heute erscheint der Name Arnold B. Stampfli in der Autorenzeile in Artikeln der Linth-Zeitung. Seien es Kirchgemeindeversammlungen, Neuigkeiten aus dem katholischen Kollegium in St. Gallen oder ein Nachruf auf Pater Hildebrand Meienberg. Arnold Stampfli tut das, was er immer tun wollte. Er schreibt.

Übermorgen, am Donnerstag, wird an der Generalversammlung des Katholischen Medienzentrums wie immer einer anwesend sein, der sein ganzes Leben der katholischen Publizistik verschrieben hat: Arnold B. Stampfli.


Arnold B. Stampfli im Newsroom des Katholischen Medienzentrums in Zürich | © Eva Meienberg
3. Mai 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 7 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!