Weihbischof Alain de Raemy
Schweiz

Alain de Raemy: «Ich habe nie ein ‹halber Bischof› sein wollen»

Nach einem Jahr gibt es immer noch keinen neuen Bischof in Lugano. Alain de Raemy geriet in den Medien unter Druck. Er hat sich jetzt Schützenhilfe von höchster Stelle geholt. Der Nuntius Martin Krebs bestätigt, dass de Raemy «ohne ein bestimmtes Ablaufdatum» weiterhin Administrator bleibt. De Raemy sagt dazu: «Ich habe nie ein ‹halber Bischof› sein wollen.»

Charles Martig

Die Nachricht kam am Freitag in die Öffentlichkeit: Martin Krebs bestätigte dem apostolischen Administrator des Bistums Lugano, dass er im Tessin weitermachen darf. Der Brief hält fest: «Das Dekret des Dikasteriums vom 10. Oktober 2022 über Ihre Ernennung zum Apostolischen Administrator des vakanten Bischofssitzes von Lugano im Auftrag des Heiligen Stuhls … bleibt ohne Änderung in Kraft.»

Der Nuntius richtete sich direkt an Alain de Raemy und präzisierte: «Das bedeutet, dass Sie ohne ein bestimmtes Ablaufdatum weiterhin ‹die Rechte, Befugnisse und Ämter haben, die nach den Rechtsnormen den Diözesanbischöfen zukommen›.»

Unsichere Zukunft von Alain de Raemy im Tessin

Offensichtlich gab es einige Unsicherheiten, ob Alain de Raemy in Lugano bleiben darf. Von verschiedener Seite wurde vergangene Woche die Frage aufgeworfen, wieso noch keine Neubesetzung des Bischofssitzes in Aussicht steht? Zudem läuft das Bistum LGF im Krisenmodus. In Freiburg wäre der Weihbischof als Führungskraft gefragt. Aber de Raemy erteilte diesen Fragen von Journalistinnen eine dezidierte Absage.

Der päpstliche Nuntius Martin Krebs
Der päpstliche Nuntius Martin Krebs

Jetzt hat er sich beim Nuntius in Bern Hilfe geholt. Martin Krebs unterstützt tatkräftig und stabilisiert damit die Präsenz von de Raemy in Lugano. Der Brief wurde umgehend in die Öffentlichkeit gebracht und in italienischer Sprache an Redaktionen versandt. Auch kath.ch hat dieses Schreiben erhalten. Doch der Brief des Nuntius lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet.

Mission im Tessin fortsetzen

Dass Alain de Raemy über diese Bestätigung sehr erfreut ist, erstaunt nicht. Er will seine «Mission im Tessin fortsetzen». Er richtet sich an alle Gläubigen im Bistum und versichert: «Ich habe nie ein ‹halber Bischof› sein wollen.» Er betont heute, dass er eine «ganze Kirche» will: «Sie sind ganz Kirche, hier und heute. Hier im Tessin leben, entdecken und empfangen wir Gott!»

Kathedrale von Lugano
Kathedrale von Lugano

Ist das nun eine gute Nachricht für das Tessin? Zunächst einmal gibt es eine personelle Kontinuität. De Raemy wirkt weiterhin an dem Ort, dessen «Grosszügigkeit» er so sehr schätzt. Aber es liegt auch ein Schatten auf dieser Entscheidung. Mit de Raemy dürfte der bisherige Umgang mit Missbrauchsfällen im Bistum Lugano weitergehen.

Wie geht es weiter mit Missbrauchstätern im Tessin?

Aus der Pilotstudie der Universität Zürich ist bekannt, dass das Archiv der Diözese in einem desaströsen Zustand ist. Im Bistum wurden Akten von Missbrauchstätern vernichtet. Das alte Paradigma von Schweigen und Vertuschen herrscht weiterhin im Südkanton. Mit Alain de Raemy wird sich das kaum ändern. Er hatte auch im Bistum LGF wenig Sensibilität für das Thema. Zudem gibt es derzeit eine apostolische Voruntersuchung gegen ihn wegen Vertuschung. Die Untersuchung führt sein Amtsbruder Joseph Bonnemain.

Der Churer Bischof Joseph Bonnemain
Der Churer Bischof Joseph Bonnemain

Wenn man den Brief von Nuntius Martin Krebs zwischen den Zeilen liest, wird deutlich, dass es in Sachen Amtsführung und Missbrauchsprävention keine Auflagen gibt. Der Nuntius geht nur generell auf die Aufgaben des Administrators ein und hütet sich, konkrete Anforderungen zu nennen. Damit erweist er zwar Alain de Raemy einen Dienst, aber nicht der Diözese Lugano. Und schon gar nicht der röm.-kath. Kirche in der Schweiz.

Ein «halber Bischof» als Menetekel

Was Alain de Raemy so vehement ablehnt, nämlich nur ein «halber Bischof» zu sein, könnte ihn bald einmal als Menetekel einholen. Trotz Unterstützung durch den Heiligen Stuhl und den Nuntius steht de Raemy auf unsicherem Grund. Vor allem weil er nicht der Richtige ist, um die Misere rund um Missbrauch und Glaubwürdigkeitsverlust zu bewältigen. Dafür braucht es Entschlusskraft und eine starke Hand.


Weihbischof Alain de Raemy | © catt.ch
23. Oktober 2023 | 15:00
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