Schweizer Bischöfe: der Einsiedler Abt Urban Federer (l.), der Basler Bischof Felix Gmür und der St. Galler Bischof Markus Büchel
Schweiz

Missbrauch: So will die katholische Kirche handeln

Betroffene von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirchen sollen künftig überall in der Schweiz gleich behandelt werden. Heute stellen die drei nationalen kirchlichen Organisationen SBK, RKZ und KOVOS die Massnahmen dafür vor.

Christian Maurer

Missbrauchsopfer sollen gleichermassen professionelle und unabhängige Beratung erhalten, heisst es in einem vorab abgegebenen Papier der drei Organisationen. Täter sollen überall nach den gleichen Vorgaben zur Rechenschaft gezogen werden. Und die Risiken für weitere Missbräuche auf allen Ebenen der Institutionen sollen minimiert und deren Vertuschung verhindert werden.

Gierige Hände: Plakat einer Basler Schnitzelbank, 2024
Gierige Hände: Plakat einer Basler Schnitzelbank, 2024

So der Anspruch der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK), der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ) und der Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS). Heute Montag präsentieren sie die ersten geplanten Massnahmen dazu. Ein wichtiger Grundsatz ist nach Angaben der drei Organisationen der Einbezug kirchenexterner Fachleute – was dringlich nötig ist, wenn sie denn die nötigen Kompetenzen erhalten und auch von Rom akzeptiert werden.

Fragwürdige sprachregionale Unterscheidung

Ein Fragezeichen ist bei einer anderen Aussage der drei Organisationen zu setzen: Es gelte, «schweizweit tragfähige Ansätze für die ganze katholische Kirche zu entwickeln, welche die sprachregionalen Unterschiede berücksichtigen». Was damit gemeint ist, ist nebulös. Angesichts der bisher unterschiedlichen Behandlung von Verdachtsfällen in der West- und der Deutschschweiz ist das ein sehr erklärungsbedürftiger Ansatz. Ist Missbrauch und seine Aufarbeitung eine Frage der Sprache oder Region? Wohl kaum! Hier gibt es bei der heutigen Präsentation der Massnahmen sicher noch Erklärungsbedarf.

Medienkonferenz des Bistums LGF (v.li.) wegen Missbrauchsverdacht gegen Generalvikar Sonney, September 2023: M.C. Avila, J.-B. Henri de Diesbach, L.-C. Grandjean
Medienkonferenz des Bistums LGF (v.li.) wegen Missbrauchsverdacht gegen Generalvikar Sonney, September 2023: M.C. Avila, J.-B. Henri de Diesbach, L.-C. Grandjean

So präsentiert die römisch-katholische Kirche ihre Massnahmen gegen Missbräuche und deren Aufarbeitung in den nächsten Jahren:

Opferberatung, Meldestellen und Fallbearbeitung sollen entflochten und professionalisiert werden. Die kircheninternen Melde- und Interventionsstrukturen seien in verschiedener Hinsicht unzureichend, räumt das Papier von SBK, RKZ und KOVOS ein. Um eine unabhängige Opferberatung zu garantieren, wollen die kirchlichen Organisationen mit den staatlich anerkannten Opferberatungsstellen und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) zusammenarbeiten. Erste Entscheidungen dazu sollen im Juni 2024 fallen.

Einheitliche Standards sollen gewährleisten, dass nur Personen in den kirchlichen Dienst gelangen, die für die pastorale Arbeit mit Menschen geeignet sind. Psychologische Abklärungen bei Seelsorgenden sollen dafür sorgen, dass nur geeignete Personen berücksichtigt werden (kath.ch berichtete). Für standardisierte Assessments ist der Zürcher Professor Jérôme Endrass, Leiter Forschung & Entwicklung beim Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürichs verpflichtet worden. Weiter holt sich die Kirche für die West- und die Deutschschweiz Unterstützung beim spezialisierten HR-Unternehmen von Rundstedt. 2025 sollen erste Assessments durchgeführt werden und die Einführung neuer HR-Standards starten. Weiter sollen Versetzungen bei Fehlverhalten von Seelsorgenden verhindert werden. Warum hier das Tessin ausgeklammert wird, ist ebenfalls erklärungsbedürftig an der heutigen Präsentation.

Zur Aufarbeitung von Missbrauch gehört die Untersuchung von Akten.
Zur Aufarbeitung von Missbrauch gehört die Untersuchung von Akten.

– Die Verantwortlichen der Bistümer und Landeskirchen verpflichten sich, entgegen den kirchenrechtlichen Vorgaben, künftig keine Akten mehr im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen zu vernichten. Ob und wie das durchsetzbar ist, muss wohl noch geklärt werden.

Ein nationales kirchliches Straf- und Disziplinargericht soll die korrekte und schweizweit einheitliche Anwendung der kircheneigenen Richtlinien und Strafnormen im Umgang mit Missbrauchstätern gewährleisten. Betroffene sollen Schutz-, Informations- und Verfahrensrechte erhalten. Zudem soll das Gericht auch kirchenexterne Juristen und Juristinnen umfassen. Vertreter der SBK haben erste Gespräche mit dem Vatikan geführt. Es wird angestrebt, den Zuständigen in Rom bis Ende 2024 ein Konzept vorzulegen. Problematisch bleibt hier, dass die Mühlen in Rom extrem langsam mahlen.

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Schweizer Bischöfe: der Einsiedler Abt Urban Federer (l.), der Basler Bischof Felix Gmür und der St. Galler Bischof Markus Büchel | © KEYSTONE/Gian Ehrenzeller
27. Mai 2024 | 09:30
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