Grabstein auf Friedhof Friedental Luzern
Schweiz

Spazieren bei den Toten

Zürich, 9.11.17 (kath.ch) Eine Entwicklung zeichnet sich ab: Immer mehr Friedhöfe öffnen sich für Menschen, die ihre Freizeit dort verbringen möchten. Eigentlich gut, aber da kommen vielleicht die eigenen Gefühle in die Quere, findet kath.ch-Redaktorin Regula Pfeifer in ihrem Kommentar.

Eigentlich ist es eine gute Sache: Die Friedhöfe öffnen sich für die Lebenden. Es darf spaziert, gejoggt, gegessen werden. Zumindest, wenn dabei Mass gehalten wird. Wenn es etwa jene Besucherinnen und Besucher nicht stört, die das Grab eines ihnen nahestehenden Verstorbenen aufsuchen. Und das ist offenbar bisher der Fall.

Doch die eigenen Gefühle können mit dieser Leichtigkeit kontrastieren. Das merke ich, wenn ich ab und zu durch den Friedhof spaziere. Ich setze mich auf eine Bank und lasse mich von der Sonne wärmen. Die Ruhe ist angenehm, kein Kinderlärm, kein Verkehr zu hören. Nur selten spaziert jemand vorbei, die nächsten Bänke mit Ausruhenden sind weit weg. Einfach mal da sein, in sich hineinhören, vor sich hin sinnieren, wunderbar.

Schritte von hinten erschrecken

Meist aber wird mir nach wenigen Minuten unwohl. Ich schaue mich um: Ist da jemand? Bin ich wirklich allein? Es mag die Abwesenheit anderer Menschen in unmittelbarer Nähe sein. So erschrecken mich Schritte, die von hinten kommen. Es ist nur eine Joggerin, die eine Abkürzung genommen hat.

Vielleicht macht den Ort unheimlich, weil hier die Toten liegen, und zwar mit wenigen Ausnahmen mir unbekannte. Denn ich bin eine Zugezogene in dieser Stadt, die Grosseltern sind anderswo begraben. In mir steigen literarische Bilder auf – etwa die gruseligen Friedhof-Szenen im italienischen Klassiker «Il Decameron» von Giovanni Boccaccio. Also nichts wie weg!

Ein guter Umgang mit dem Tod – wie von einem Friedhofsverantwortlichen gewünscht (siehe links) – scheint bei mir offenbar nicht vorhanden. Ob das anderen ähnlich ergeht, weiss ich nicht. Da müsste ich schon nachfragen.

Grabstein auf Friedhof Friedental Luzern | © Sylvia Stam | © Sylvia Stam
9. November 2017 | 10:28
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