Zur lancierten Verhüllungsinitiative: Freiheit fürs Gesicht oder Freiheit für religiöse Symbole?

Bern, 29.9.15 (kath.ch) In Bern ist die schweizerische Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» lanciert worden. Diese will ein Verbot der Gesichtsverhüllung in der Bundesverfassung verankern. Initiiert wurde die Initiative vom «Egerkinger Komitee», das bereits die Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» organisiert hatte, die 2009 vom Stimmvolk angenommen wurde. Die Kirchen nehmen zur Verhüllungsinitiative noch nicht Stellung. Die Schweizer Bischöfe stehen aber grundsätzlich für das Recht ein, religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit zu tragen, sagte Walter Müller, Kommunikationsverantwortlicher der Bischofskonferenz, auf Anfrage.

Regula Pfeifer

«Niemand darf sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen oder verbergen, die allgemein zugänglich sind (ausgenommen Sakralstätten) oder der Erbringung von Publikumsdienstleistungen dienen.» Dies soll laut den Initianten künftig in der Bundesverfassung festgehalten sein. Ebenso solle darin stehen, niemand dürfe eine Person zwingen, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen. Immerhin sind Ausnahmen vorgesehen, und zwar – laut dem vorgeschlagenen Verfassungstext – «aus gesundheitlichen, sicherheitsrelevanten, klimatischen sowie Gründen des einheimischen Brauchtums». Verwiesen wird dabei etwa auf den Gesichtsschutz von Ärzten oder auf Fastnachtsmasken.

An der Medienkonferenz zur Lancierung der Volksininitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» referierten die SVP-Politiker Walter Wobmann und Oskar Freysinger, der EDU-Politiker Roland Haldimann und Giorgio Ghiringhelli, allesamt Mitglieder des Komitees «Ja zum Verhüllungsverbot», einige auch Mitglieder des nach dem Gründungsort bezeichneten «Egerkinger Komitees». Ghiringelli war der massgebliche Promotor des Gesetzes zum Verhüllungsverbot gewesen, das die Tessiner 2013 an der Urne mit über 64 Prozent Ja angenommen hatten.

Gesichtsverhüllung hat hier «nichts zu suchen»

Die Initianten begründeten die Initiative mit der Schweizer Freiheitstradition. «Die Schweiz ist der Tradition der Freiheit verpflichtet. Freie Menschen – Frauen und Männer – blicken einander ins Gesicht, wenn sie miteinander sprechen», sagte Wobmann laut Redetext. Ausserdem argumentierte er mit dem Gebot der Gleichberechtigung, also dem Recht für Frauen und Männer, ihr Angesicht in der Öffentlichkeit jederzeit zeigen zu dürfen. Im Gegensatz zur Situation in islamischen Ländern habe die Gesichtsverhüllung «in abendländisch-rechtsstaatlichen Gesellschaftsordnungen nichts zu suchen», so Wobmann.

Die Initianten argumentierten zudem mit dem Aspekt der inneren Sicherheit und der Terrorabwehr. Verhüllung sei auch ein Mittel, terroristische Absicht zu tarnen und zu verbergen, schrieben sie und warnten vor grenzüberschreitendem Terrorismus und verurteilen gewalttätige Ausschreitungen an Demonstrationen. Aktuell befindet sich der Text der Volksinitiative bei der Schweizerischen Bundeskanzlei zur formellen Überprüfung.

Bischöfe: Religiöse Überzeugung darf sichtbar sein

Zur Volksinitiative nehme die Schweizer Bischofskonferenz in einer so frühen Phase nicht Stellung, erklärte deren Kommunikationsverantwortlicher Walter Müller. Hingegen erläuterte er die prinzipielle Position der Bischöfe. «Die Bischöfe treten für die Freiheit ein, religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit zu zeigen», sagte Müller. Dies hätten sie bereits bei anderer Gelegenheit – etwa anlässlich der Initiative «Gegen den Bau von Minaretten» – aktiv kommuniziert. Diese Freiheit solle laut den Bischöfen nicht nur für Christen gelten, sondern für Angehörige aller Religionen. «Alle sollen die Möglichkeit haben, ihre religiöse Überzeugung sichtbar zu machen», so Müller.

Vom Schweizerischen Rat der Religionen und vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund war keine Stellungnahme erhältlich. Man äussere sich nie anlässlich einer Lancierung einer Initiative, sagte Gottfried Locher, der beiden Gremien vorsteht, auf Anfrage von kath.ch. Erst schaue man, ob sie überhaupt zustande komme, so Locher.

Erfahrungswerte aus dem Tessin fehlen

Auch der Bischof von Lugano, Valerio Lazzeri, wünschte nicht Stellung zu nehmen, wie das Bistum verlauten liess. Im Tessin wurde zwar 2013 ein Verhüllungsverbot an der Urne gutgeheissen, auf das sich die aktuelle nationale Initiative beruft. Doch in Kraft ist das Tessiner Gesetz noch nicht. Laut der «Neuen Zürcher Zeitung» (21.8.15) ist das Kantonsparlament aktuell an der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs. Deshalb fehlen Erfahrungswerte aus dem Tessin mit der praktischen Umsetzung eines Verhüllungsverbots. (rp)

Kommentar zur Verhüllungsinitiative: Der Mehr-Wert des Islam

29. September 2015 | 14:41
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