Manuela Trunz, Denkfabrik Kinder
Konstruktiv

Zukunftsvisionen: In Uzwil arbeiten Engagierte auf die Kirche 2.0 hin

Die katholische Kirche Uzwil und Umgebung will wissen: Wie sollte Kirche sein, um die Menschen zu begeistern? Sie hat das Projekt «Kirche 2.0» lanciert. Die Resultate aus den Diskussionsrunden – sogenannte Denkfabriken – haben die Beteiligten im Pfarreizentrum von Niederuzwil SG präsentiert.

Vera Rüttimann

Die katholische Kirche in ihrer aktuellen Art ist ein Auslaufmodell. Ihre Angebote erreichen immer weniger Leute. Das haben Engagierte in der katholische Kirche Uzwil und Umgebung erkannt. Sie wollen die Kirche von der Basis her neugestalten.

Im Herbst 2019 startete der Pastoralraum deshalb das Projekt «Kirche 2.0». Eine Kerngruppe war seither mit dem KMU-Berater Guido Kriech unterwegs. In fünf «Denkfabriken» wurden Ideen zu Bereichen wie Kinder, Jugendliche oder Senioren erarbeitet. Die Ergebnisse sollen Inputs sein für Seelsorgeteams, Pastoralteams, Vereinsmitglieder und Kirchgänger in den verschiedenen Pfarreien.

Ideen der Denkfabrik Kinder
Ideen der Denkfabrik Kinder

Kinder wollen kürzere Predigten

Die «Denkfabriken» fanden an Fondueabenden, bei Spaziergängen in der Natur oder bei Treffen im Pfarreizentrum statt. Manuela Trunz, Religionspädagogin in Niederuzwil SG, hat bei der «Denkfabrik Kinder» Gespräche mit Eltern und Kindern geführt.

Bei der Präsentation der gesammelten Ideen sagt sie: «Für die Kinder besteht die Kirche aus einem Garten. Wenn man ihn bepflanzt und pflegt, dann beginnt er zu blühen.» Die Kinder wünschten, die Kirche sollte kein lebloses Gebäude aus Stein sein. Zudem wünschten sie sich kürzere Predigten, fröhlichere Musik und eine weniger altbackene Sprache.

Jüngere Senioren würden sich gern einbringen

An den Denkfabriken beteiligten sich auch Senioren. Am Informationsabend in Niederuzwil berichtet Luzia Hug. Sie ist freiwillige Mitarbeiterin des Projektes «Kirche 2.0» aus Bichwil SG. Für sehr betagte Senioren gebe es viele kirchliche Angebote wie Besuchsdienste, Abholdienste oder Gottesdienste für Senioren, so Hug.

Luzia Hug, Denkfabrik Senioren
Luzia Hug, Denkfabrik Senioren

Bei den jüngeren Senioren sehe es anders aus. «Hier gibt es viele Angebote im säkularen Bereich, bei der Kirche ist noch Luft nach oben», sagt sie. Dabei stellen die aktiven Senioren für die Kirche ein grosses Kapital dar. «Sie sind offen für spirituelle Impulse und Lebensfragen», weiss Luzia Hug aus vielen Gesprächen.

Viele dieser fitten Senioren hätten zudem das Bedürfnis, «noch etwas Sinnstiftendes in der Gemeinschaft beitragen zu wollen. Sie entdecken im Alter ihre Begabungen und Ressourcen neu.» Stark sei zudem das Bedürfnis vieler Senioren, aus ihrem Leben erzählen zu wollen. Ein bewährtes Tool sei hier das «Erzählcafé».

Leute in Pfarreisaal der kath. Kirche Uzwil während der Präsentation der Ideen
Leute in Pfarreisaal der kath. Kirche Uzwil während der Präsentation der Ideen

«Nehmt die Bänke raus!»

Aufforderung einer Denkfabrik-Mitwirkenden

Susanne Wick-Gähwiler und Hanna Seiler, beides pensionierte Seelsorgerinnen in Niederuzwil und Henau, stellen die Resultate einer weiteren «Denkfabrik» vor. Diese nennt sich «Interessiert am Glauben, Leiden an den Strukturen». Lieder singen, deren Texte man versteht, weg von Priester-zentrierten Gottesdiensten und eine stärkere Rolle der Frauen in der Kirche. So lauten einige der Wünsche aus dieser Denkfabrik.

Hanna Seiler hat zudem festgestellt: «Die Leute wollen Themen in Predigen, die zeitgemäss sind. Und sie wollen eine Übersetzung eines Evangeliumstextes in die heutige Zeit.»  Viele seien auch offen für neue Gottesdienstformen. Eine Person habe ihr gesagt: «Nehmt doch die Bänke aus der Kirche raus!» Hanna Seiler ist überzeugt: Man kann in den leer gewordenen Kirchen durchaus vieles umbauen, damit sie wieder richtig leben.

Hanna Seiler
Hanna Seiler

Jugendliche über Gebete und Lebensfragen

An den Fenstern hängen grosse Plakate. Darauf stehen die Gedanken der Denkfabrik «Jugendliche und junge Erwachsene» zur Frage: Was bedeutet mir die Spiritualität in meinem Leben und im Alltag? Auf den Plakaten stehen Sätze wie: «Ich gehe einmal im Jahr in der Kirche»; «Ich bete vor der Prüfung»; «Ich denke oft über das Leben nach dem Tod nach. Was passiert dann? Sehen wir die anderen Toten?» Und: «Mein Lebensmotto: Es hat alles einen Sinn.»

Die zweite Frage dieser Denkfabrik der Jungen lautet: Was kann die Kirche beitragen, damit es mir gut geht? Hier stehen Sätze wie: «Meinen Glauben und meine Gedanken akzeptieren»; «Katholisch und evangelisch nicht so sehr trennen»; und «Entgegenwirken: Image der Kirche modrig und altmodisch.»

Anita Rothaug, Denkfabrik "Jugendliche und junge Erwachsene"
Anita Rothaug, Denkfabrik "Jugendliche und junge Erwachsene"

Reden schwierig, schreiben einfacher

Anita Rothauge hat viele Stunden mit ihren Schülerinnen und Schülern in dieser Denkfabrik gearbeitet. Die agile Frau, die als Religionslehrerin an der Mittel- und Oberstufe in Uzwil arbeitet, staunt über deren Engagement: «Im Unterricht selber konnten sie über Themen wie Spiritualität nicht gut sprechen. Es war ziemlich still im Klassenzimmer. Als ich mir jedoch zu Hause ihre Antworten angesehen habe, war ich sehr beeindruckt, wie intensiv sich die Schülerinnen und Schüler mit den Fragen auseinandergesetzt haben.»

Kirche sei ihnen durchaus wichtig, sagt Anita Rothauge und ergänzt: «Nicht so wichtig ist ihnen das Kirchgebäude selber. Gottesdienst wollen sie auch in der Natur erleben.» Anita Rothauge fühlt sich bereichert durch das Engagement der jungen Leute. Sie sagt: «Mir ist wichtig, dass diese Stimmen in der Kirche gehört werden.»

Barbara Klocker, Denkfabrik Kirchenferne
Barbara Klocker, Denkfabrik Kirchenferne

Kirchenferne abholen

Barbara Klocker aus Henau SG stellt die Wünsche und Bedürfnisse von kirchenfernen Personen vor. »Sie sind spirituell und gläubig, können sich aber nicht mehr identifizieren mit der Institution Kirche», berichtet sie. In ihrer «Denkfabrik» hat sie in den vergangenen Monaten mit vielen Kirchenfernen Gespräche geführt. Sie weiss, dass viele von ihnen Schwierigkeiten bekunden, passende Angebote für sich in der Kirche zu finden.

Niemand wünsche sich den Bruch mit der Kirche. Für viele sei sie noch immer eine grosse Stütze in ihrem Leben: «Ausgeprägt ist bei den meisten das Bedürfnis, sich bei einschneidenden Ereignissen im Leben der Kirche wieder zuzuwenden.»

Die nächsten Schritte

Mit dieser Veranstaltung ist die Arbeit der «Denkfabriken» abgeschlossen. Nun folgen die nächsten Schritte. Das Kernteam wird sich am 13. April treffen, um die Ergebnisse zu sichten und zu verarbeiten. Es geht um Fragen wie: Wo sind Schwerpunkte? Was kann man daraus konkret umsetzen? Darüber soll am 26. April ab 19 Uhr wiederum im Pfarreizentrum der katholischen Kirche in Niederuzwil diskutiert werden.

«Das ist Stoff für ein Mehrjahresprogramm.»

Guido Krieg, Moderator «Kirche 2.0»

Moderator Guido Kriech staunt über die Vielfalt der Ideen, die die «Denkfabriken» zusammengetragen haben. «Es ist unmöglich, alle diese wunderbaren Ideen alle auf einmal umzusetzen. Das ist Stoff für ein Mehrjahresprogramm.»

Manuela Trunz, Denkfabrik Kinder | © Vera Rüttimann
6. April 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!