Pfarrer Ruedi Beck ist Co-Leiter des Reuss-Instituts.
Konstruktiv

Institut im Reusshaus: Ruedi Beck geht neue Wege in der Gemeindebildung

«Kirche und Gesellschaft wandeln sich schnell», sagt der Luzerner Pfarrer Ruedi Beck. Mit der reformierten Pfarrerin Sabine Brändlin hat er das Institut im Reusshaus gegründet. Studierende sollen hier neue Wege in Theologie und Gemeindebildung gehen. Ein Besuch beim Schnupper-Tag.

Jacqueline Straub

Es gibt Kaffee und Tee. Patricia Jenni (30) ist die einzige, die am Dienstag zum Schnupper-Tag ins Institut im Reusshaus kommt. Sie hat im Pfarrblatt davon erfahren: «Der Bericht hat mich direkt angesprochen.»

Drei Tage in der Woche in Steinen SZ

Patricia Jenni arbeitet derzeit noch als Pflegefachfrau – kann sich aber gut vorstellen, ihren Beruf aufzugeben, um später einmal in der Pfarrei zu arbeiten. Denn schon jetzt ist sie ehrenamtlich engagiert und leitet die Kinderkirche.

Patricia Jenni beim Schnuppertag im Reuss-Institut.
Patricia Jenni beim Schnuppertag im Reuss-Institut.

Patricia Jenni kann sich am Schnupper-Tag mit Studierenden wie Janine Konrad (22) austauschen. Sie studiert im ersten Studienjahr: Zwei Tage in der Woche ist sie in Luzern am Institut, drei Tage in der katholischen Pfarrei in Steinen SZ. Theorie und Praxis sind eng verzahnt.

«In meiner Berufung wachsen»

Ein Blick in die leeren Kirchenbänke zeigt: Gemeindebildung muss neue Wege gehen, findet Institutsgründer Ruedi Beck. Die Frage, wie man heute Gemeinschaft bilden kann, treibt auch Janine Konrad umher. «Mir gefällt hier besonders gut, dass der Glaube gelebt wird und das Leben als Gemeinschaft möglich ist.» Es werde auch erwartet, dass der Glaube gelebt wird, was an einer Universität nicht der Fall ist.

Janine Konrad ist im ersten Studienjahr am Reuss-Institut.
Janine Konrad ist im ersten Studienjahr am Reuss-Institut.

«Ich habe mich für das Institut entschieden, weil ich auch in meiner Berufung wachsen möchte», sagt Janine Konrad. Jeden Morgen gibt es eine gemeinsame Gebetszeit der Gruppe, in der das Bibelwort verlesen und gesungen wird. «Das Gebet am Anfang des Tages gibt eine ganz andere Einstellung. Das gefällt mir sehr.»

«Damit Christus uns ausbilden kann»

So auch am Schnuppertag am Dienstag: Eine Studentin liest beim Morgengebet das Evangelium vor. Danach hält der katholische Priester Ruedi Beck eine kurze Predigt. «Es gibt nur einen Vater», zitiert er die Bibel. «Wir alle sind Geschwister. Auch wenn wir unterschiedliche Meinungen haben.» Es gehe darum, «wertschätzend hinzuhören». Ruedi Beck betont auch, dass es wichtig ist, einen Raum zu schaffen, indem Christus als Lehrer wirken kann. «Damit Christus uns ausbilden kann.»

Sabine Schubert ist Religionspädagogin und Dozentin für «Bibel im Kontext lesen» am Institut.
Sabine Schubert ist Religionspädagogin und Dozentin für «Bibel im Kontext lesen» am Institut.

Sabine Schubert (63) ist reformierte Religionspädagogin und Dozentin für «Bibel im Kontext lesen» am Institut. Sie leitet am Schnuppertag einen Workshop. Was ist besonders am Reusshaus? «Hier sind wir sehr nah an der Basis und an der gelebten Praxis. Das fasziniert mich sehr.»

Es gibt keine «Moral von der Geschichte»

In ihrem Workshop beim Schnuppertag kommt sie mit den acht Studierenden und Patricia Jenni darüber ins Gespräch, wie biblische Geschichten lebensnah erzählt werden können. Und dass Moralisieren ein No-Go sei. Also keine «Moral von der Geschichte».

Im Reuss-Institut gibt es jeden Morgen ein gemeinsames Gebet.
Im Reuss-Institut gibt es jeden Morgen ein gemeinsames Gebet.

Im Workshop wird die Frage besprochen, wie Kinder eine biblische Geschichte gut verstehen. Denn oft werde an der Lebensrealität der Kinder vorbei erzählt. «Wie leben die Kinder aus meinem Religionsunterricht? Was sind ihre Idole? Man kann Kinder besser abholen, wenn man weiss, was sie bewegt», sagt Sabine Schubert. Später bekommen die Studierenden eine Bibelstelle, die frei und ausgeschmückt vorgetragen wird. Anschliessend gibt’s eine Feedback-Runde.

Inspiriert von London

Zurzeit studieren zehn Menschen am Institut im Reusshaus. Die reformierte Pfarrerin Sabine Brändlin war vor sieben Jahren in London und hat dort erlebt, wie Gemeindeaufbau funktionieren kann. «Ich wusste, dass es das auch in der Schweiz braucht.»

«Für mich war von Anfang an auch klar, dass das Institut ökumenisch sein soll», sagt Sabine Brändlin.
«Für mich war von Anfang an auch klar, dass das Institut ökumenisch sein soll», sagt Sabine Brändlin.

Allerdings könne das Modell von Theologie und Gemeindebildung nicht einfach von der anglikanischen Kirche kopiert werden. «Für mich war von Anfang an klar, dass das Institut ökumenisch sein soll.» Vor drei Jahren wurde dann die Idee konkret: Zusammen mit dem katholischen Priester Ruedi Beck machte sie sich an den Aufbau des Instituts.

Das zweite Semester hat begonnen

Das Anliegen des Instituts ist es, kirchliche Gemeinschaften zu stärken: «Nur ein Angebot in der Pfarrei zu machen, bildet noch keine Gemeinschaft», sagt Sabine Brändlin.

Ikone im Reuss-Institut in Luzern
Ikone im Reuss-Institut in Luzern

Mitte Februar hat das zweite Semester begonnen. Ruedi Beck ist zufrieden: «Bei uns gibt es zwei Ausbildungsgänge: Theologie und Gemeindebildung.» Alle Studierenden erhalten einen Platz in der Pfarrei, um dort das theoretisch Erlernte direkt in der Praxis anzuwenden. «Im Bistum Basel geschieht das in Absprache mit dem Personalamt», sagt Ruedi Beck.

Was ist das Reusshaus-Diplom am Ende wert?

Allerdings: Das Studium im Reusshaus ist nicht offiziell akkreditiert. Was die Studierenden am Ende mit ihrem Reusshaus-Diplom machen können, ist noch nicht definitiv geklärt – und Thema bei der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz (DOK). Im kirchlichen Beirat des Instituts sitzen zwei DOK-Mitglieder: Der Basler Generalvikar Markus Thürig und der Einsiedler Abt Urban Federer.

Der Basler Generalvikar Markus Thürig.
Der Basler Generalvikar Markus Thürig.

Was das Institut ebenfalls auszeichne, sei der gelebte Glaube, sagt Ruedi Beck. «Wir beten zusammen. Jeder hat aber auch eine geistliche Begleitung. Wir sind hier alle gemeinsam im Glauben unterwegs.» Dennoch werde klar unterschieden zwischen Theologie als Wissenschaft und dem persönlichen Glauben.

«Hier werden Praxis und Theorie gut verbunden»

Ruedi Beck ist es ein grosses Anliegen, dass Bestehendes in den Pfarreien nicht einfach nur weitergeführt werde, sondern dass auch Neuanfänge gedacht werden dürfen. «Kirche und Gesellschaft wandeln sich so schnell.» Es brauche auch Wandel, damit kirchliche Gemeinschaften weiterhin bestehen.

Lea Schlienger möchte nach der dreijährigen Ausbildung am Institut in der Pfarrei arbeiten.
Lea Schlienger möchte nach der dreijährigen Ausbildung am Institut in der Pfarrei arbeiten.

Lea Schlienger (26) studiert ebenfalls am Institut. «Ich habe mich hierfür entschieden, weil ich nur die Berufsmatura habe.» Sie arbeitet in der katholischen Pfarrei Cham und kann dort das theoretisch Erlernte direkt in der Praxis anwenden. «Hier werden Praxis und Theorie gut verbunden. Das gefällt mir», sagt Lea Schlienger. Nach der dreijährigen Ausbildung am Institut möchte die gelernte Kauffrau in der Pfarrei arbeiten.

«Die Atmosphäre hier ist super»

Ob sich Patricia Jenni nach dem Schnuppertag für die Ausbildung in Theologie und Gemeindebildung am Institut im Reusshaus entscheiden wird, ist noch offen. Doch für sie ist klar: «Es braucht Erneuerung in der Pfarrei – und die Atmosphäre hier ist super.»


Pfarrer Ruedi Beck ist Co-Leiter des Reuss-Instituts. | © Jacqueline Straub
16. März 2022 | 05:00
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