Das jüdische Filmfestival Yesh! findet seit Jahren in Zürich statt.
Religion anders

Yesh: Jüdischer Exorzismus und eine bittere Holocaust-Abrechnung

Vom 1. bis 8. Juni zeigt das «Yesh!» in Zürich wieder Filme aus der jüdischen Welt. Hier einige Highlights aus den über 30 Filmen, die vor allem im Kino Houdini über die Leinwand flimmern werden und die Sie nicht verpassen sollten.

Sarah Stutte

Shattered

1994 war ein jüdisches Gemeindezentrum in Buenos Aires das Ziel eines Terroranschlags, bei dem 85 Menschen getötet und 300 weitere verletzt wurden. Die meisten von ihnen waren Juden. Die Täter wurden nie identifiziert, vermutlich aus politischen Gründen.

«Shattered», der Film der israelischen Regisseurin Dina Perlstein, folgt der argentinisch-jüdischen Staatsanwältin Anna, die ihren Vater bei dem Anschlag verloren hat, auf ihrer Suche nach der Wahrheit. Ihr zur Seite steht die junge israelische orthodoxe Jüdin Yael, deren ältere Schwester ebenfalls bei dem Anschlag getötet wurde.

Szene aus dem Film «Shattered»
Szene aus dem Film «Shattered»

Ihre gemeinsame Reise, die von zahlreichen Widerständen gezeichnet ist, bringt ein lang gehütetes Geheimnis ans Licht. Wie in den anderen Filmen Perlsteins kommen in der dreistündigen Produktion – die keine Minute der Handlung an Spannung verliert – nur Frauen vor, die meisten von ihnen sind Jüdinnen.

Perlstein ist die erste und bekannteste orthodoxe jüdische Filmemacherin in Israel und dreht auch englischsprachige Filme, meist ohne öffentliche Fördermittel, die in den USA in speziellen Vorführungen für orthodoxe jüdische Frauen gezeigt werden.

Attachment

Die dänische Künstlerin Maja verliebt sich Hals über Kopf in die jüdische Akademikerin Leah, die für einige Tage in Dänemark weilt. Als sich Leah bei einem unglücklichen Vorfall das Bein bricht, begleitet Maja sie heim nach London – zu Leahs ultra-orthodoxer Mutter Chana.

Diese scheint nicht sehr erfreut über die Beziehung der beiden zu sein, was sie Maja bei jeder Gelegenheit spüren lässt. Chana kümmert sich mit einer Beharrlichkeit um Leahs Bedürfnisse, die an Besitzergreifung grenzt. Dabei benimmt sie sich höchst merkwürdig. Zeit für Maja, Leah aus den Fängen ihrer Mutter zu befreien – aber ob das nicht ein Fehler war?

Szene aus dem Film «Attachement»
Szene aus dem Film «Attachement»

Regisseur Gabriel Bier Gislason verbindet geschickt trockenen jüdischen Humor mit Horrorelementen, die auf dem jüdischen Volksglauben beruhen. Das ist ein spannender Mix, der mit einer charmanten Hauptdarstellerin punktet und nebenbei noch Einblick gibt in jüdischen Exorzismus.

Die Geschicklichkeit, mit der Gislason die Konventionen der Sittenkomödie mit der Paranoia einer geschlossenen Gemeinschaft in Einklang bringt, macht «Attachment» besonders fesselnd. Das alles ergibt einen unterhaltsamen Film für alle, die eine schräge Romanze mit einer Prise Grusel mögen.

Schächten

Der junge jüdische Geschäftsmann Victor Dessauer überlebte den 2. Weltkrieg als kleiner Junge, indem er allein in den verschneiten Wäldern lebte, nachdem fast seine gesamte Familie im Holocaust umkam.

Als Victor 1962 den Nazi-Jäger Simon Wiesenthal kennenlernt, erfährt er, wie Österreich ein nationales kollektives Gedächtnis der Opferschaft geschmiedet und Täter rehabilitiert hat. Durch Wiesenthal wird Victor auf Kurt Gogl aufmerksam, einen ehemaligen SS-Offizier und Kommandanten des Konzentrationslagers Mauthausen.

Szene aus dem Film «Schächten»
Szene aus dem Film «Schächten»

Dieser konnte nach dem Krieg mit staatlicher Hilfe im Salzkammergut untertauchen und wurde Schulleiter. In ihm erkennt Victor den Mann, der seine Familie umbrachte. Gestützt auf mehrere Zeugen, die Gogl als Nazi-Täter erkannt haben, beginnt ein Prozess gegen den Kriegsverbrecher, der trotz aller erdrückender Beweise mit dessen Freispruch endet.

Victor kann sich jedoch damit nicht abfinden und versucht auf eigene Faust, Gogl zur Wahrheit zu zwingen. Noch lange nach dem Ende von «Schärgen» beschäftigen einen die moralischen Fragen, die hier gestellt werden. Die Themen, die Roth anreisst, werfen zudem einen langen Schatten auf die heutige Zeit.

Gastgespräche mit Thomas Roth: Am 3. Juni und 4. Juni im Kino Houdini, Zürich. Nächste Woche folgt ein Interview mit dem Filmemacher auf kath.ch

Wesele

Es ist Kasias Hochzeitstag (polnisch: Wesele), doch alles läuft irgendwie aus dem Ruder. Der etwas senile Grossvater Antoni erinnert sich plötzlich an seine grosse jüdische Liebe aus dem 2. Weltkrieg und an andere bestialische Geschehnisse aus dieser Zeit. Kasias hochkorrupter Vater Rysek will seine industrielle Schweinezucht vor dem Bankrott retten und nebenbei noch seine eigene Ehe.

Die Party artet derweil in wüstes Chaos aus – es gibt katholische Priester, die eine «Regenbogenplage» anprangern, Fussball-Hooligans, die Nazis verherrlichen, und rassistische oder fremdenfeindliche Hochzeitsgäste. Der Hochzeitstag wird zum Siedepunkt eines aggressiven Nationalismus, der unter Gedächtnislücken in der nationalen Geschichte leidet.

Szene aus dem Film «Wesele»
Szene aus dem Film «Wesele»

Während vordergründig die schwarzhumorige Komödie bedient wird, liefern die Rückblenden das blanke Grauen. Das alles kumuliert in einem pulsierenden Rhythmus aus Verführung, Verrat, Ausbeutung, Herzschmerz, Korruption und Völkermord.

Mit seinem unorthodoxen Holocaust-Film liefert der polnische Provokateur Wojciech Smarzowski («Klerus», 2018) wiederum eine bissige Gesellschaftskritik auf Polens Antisemitismus und Katholizismus ab.

Das jüdische Filmfestival «Yesh!» läuft noch bis zum 8. Juni in Zürich. Die meisten Filme werden im Kino Houdini gezeigt. Weitere Kinos: Uto, Le Paris und Riffraff. Alle Infos zu den Filmen und Spielzeiten unter: www.yesh.ch


Das jüdische Filmfestival Yesh! findet seit Jahren in Zürich statt. | © Screenshot/Yesh Filmfestival
3. Juni 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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