Jasminka Sakac, Religionslehrerin
Schweiz

«Wir sind verwöhnt punkto Ordnung»

Jasminka Sakac, 46, Religionslehrerin, Einsiedeln

«Am Freitag um 15.30 Uhr erst haben wir vom Bundesratsentscheid erfahren, dass die Schulen geschlossen werden. Nun wissen wir nicht, wie es weitergeht. Es ist klar, dass der Religionsunterricht ersatzlos ausfällt, es gibt in diesem Fach keinen Online-Unterricht.

«Die Kinder sind durch die Infos übersättigt.»

In den vergangenen Tagen haben wir viel über das Virus und die Epidemie gesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass die Schulkinder durch die Infos aus den Medien und dem Elternhaus übersättigt sind. Innert kurzer Zeit gab es immer wieder neue Massnahmen. Die Kinder verstanden nicht, warum ein Konzert plötzlich nicht mehr stattfinden kann, wenn das doch vor kurzem noch möglich war. Und einige wollten weiterhin die Hand geben zur Begrüssung.

Dass nun die Schule ganz eingestellt ist, nimmt mir einen gewissen Druck weg. Ich hatte im Unterricht erzählt, dass Jesus einen Blinden heilte. Die Kinder haben mich gefragt: Warum kann Gott diese Epidemie nicht wegnehmen?

«In Bosnien gingen wir viel zu Fuss.»

Ich denke, dass die wenigsten Kinder es schon erlebt haben, dass es einmal heisst: ‹es hat nicht…›, ‹es gibt nicht…›. In der Schweiz sind wir verwöhnt punkto Ordnung. Wenn man etwas braucht, kauft man es einfach im Coop oder Migros. Und nun erleben wir plötzlich, dass die Regale leer sind und es kein WC-Papier mehr gibt.

Ich habe zehn Jahre meines Lebens in Bosnien verbracht, wir gingen viel zu Fuss. Man kaufte Zucker, Brot und Öl im Laden und hat sich überwiegend selbst versorgt. Gekocht hat man auf dem Feuer. Hier wüsste ich nicht, wie ich ohne Strom kochen würde.

«Wir werden zur Entschleunigung gezwungen.»

Nun müssen wir alle klar kommen mit der Ungewissheit. Wir werden zur Entschleunigung gezwungen. Darin sehe ich eine Chance. Die Schulschliessung bedeutet für mich geschenkte Zeit. Früher hat man sich immer mehr freie Zeit gewünscht! Und nun ist man fast überfordert. Ich werde machen, was ich zu Hause immer tun wollte. Lesen, malen, ausmisten.» (uab)

Jasminka Sakac, Religionslehrerin | © zVg
17. März 2020 | 07:00
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