Vitus Huonder, Bischof von Chur
Schweiz

«Wenn wir nicht bei der Botschaft des Herrn bleiben, sterben wir aus»

Chur/Würzburg, 12.4.19 (kath.ch) Zwei Seiten für eine Breitseite: In der deutschen «Tagespost» darf Bischof Vitus Huonder noch einmal alles klarstellen, was seiner Meinung nach falsch läuft in der Kirche.

Martin Spilker

An der Anrede kann es nicht liegen: Die erste Frage des «Tagespost»-Chefredaktors an den Churer Bischof beginnt mit «Exzellenz». Dieselbe Ehrerbietung hatte auch der Journalist der «Rundschau» von Schweizer Fernsehen SRF für ein Gespräch gewählt, wurde aber abgewimmelt.

Nichts steht vor dem Bischof

Nicht so die katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, «Die Tagespost». Chefredaktor Oliver Maksan wurde zum Interview in Chur empfangen und bereitet dem abtretenden Bischof den roten Teppich aus für dessen Kritik an dem, was ihm in der Kirche Schweiz nicht gefällt.

So wird Huonder mehrmals auf das hierzulande typische duale System angesprochen. Gefragt, ob dieses nicht grundsätzlich im Widerspruch zur katholischen Lehre stehe, antwortet Bischof Huonder: «Es ist dann ein Widerspruch, wenn man meint, man müsste die Stelle des Bischofs einnehmen.»

«Früher haben sehr fromme Leute gewirkt.»

Genau das aber passiere in seinem Bistum, jedenfalls gegenwärtig. Früher nämlich, so Huonder, hätten in den Körperschaften «sehr fromme Leute gewirkt, die nicht auf die Idee gekommen wären, gegen den Bischof und die Lehre der Kirche zu arbeiten.»

Eine innerkirchliche Spaltung

Der Journalist der «Tagespost» geht selber so weit, die aktuellen Differenzen zwischen staatskirchenrechtlichen Institutionen und Bistum Chur – die Situation in anderen Schweizer Bistümern wird nicht angesprochen – als Schisma, als Kirchenspaltung zu bezeichnen. – Worauf ihm der Bischof recht gibt: «Wir haben tatsächlich ein innerkirchliches Schisma der divergierenden Richtungen: Die Kirche tritt für den ganzen Glauben ein, die Körperschaften fühlen sich zwecks Erhalts ihrer Privilegien dem gesellschaftlichen Mainstream verpflichtet und bekämpfen Glaubensinhalte, die heute schlecht ankommen.»

Verwirrspiel um neuen Wohnsitz Huonders

Ein weiteres Thema des zweiseitigen Interviews ist die künftige Beschäftigung des Churer Bischofs als «Verbindungsmann» zwischen der katholischen Kirche und der von der römischen Kirche getrennten Priesterbruderschaft Pius X. Huonder behauptet im Beitrag, dass er für diese Aufgabe vom Papst keine Genehmigung gebraucht habe, da dies bereits früher entschieden worden sei.

Der Vatikansprecher dementierte am Mittwoch, dass der Schweizer Bischof eine entsprechende Beauftragung habe. Auf der Internetseite des Bistums Chur wurde am Donnerstag in einem Communiqué die Sachlage mit Verweis auf ein Schreiben des damaligen Präsidenten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dargestellt.

«Sonst kann dabei nichts Gutes herauskommen.»

Schweres Geschütz fährt Vitus Huonder auch gegen alles auf, was seiner Meinung nach nicht «dem katholischen Glauben und der Lehre der Kirche» entspricht. So übt er nicht nur Kritik am dualen System der Kirchenführung in der Schweiz. Angesprochen auf den von der deutschen Bischofskonferenz angestrebten synodalen Weg zur Auseinandersetzung mit Fragen wie Sexualmoral, Zölibat und Frauenpriestertum sagt Huonder: «Ein ‘synodaler Weg’ kann gut sein, wenn es um Beratung geht, aber wenn man dann im Rahmen eines solchen Prozesses meint, alles ändern zu müssen, was die Kirche bisher getan hat, dann kann dabei nichts Gutes herauskommen.»

Reformierte kommen schlecht weg

Noch schlechter weg kommt die reformierte Kirche: «Wenn wir nicht bei der überlieferten Botschaft des Herrn bleiben, sterben wir aus. Schauen Sie sich die reformierte Kirche in der Schweiz an. Dort hat man alles freigegeben: von der Verpflichtung zur Taufe bis zum Glaubensbekenntnis. Und kaum jemand geht mehr hin.»

«Auch ein Bischof ist Mensch und kann Fehler machen.»

Der abtretende Bischof von Chur gibt zu: «Auch ein Bischof ist Mensch und kann natürlich in der Kommunikation Fehler machen.» Aber er habe ein «gutes Gewissen». Und gefragt, was er seinem Nachfolger mit auf den Weg geben möge, sagt Vitus Huonder: «Der Bischof muss sich unbedingt an die Wahrheit halten.» Alles andere könne daraus wachsen.

Vitus Huonder, Bischof von Chur | © Bernhard Stadelmann
12. April 2019 | 06:32
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Viel Kritik an Kirchlichem in der Schweiz

Mit der aktuellen Nummer richtet sich die «Tagespost» ausdrücklich an eine Schweizer Leserschaft. Darin findet sich unter dem Titel «Kirchenkritik von innen» auch ein Beitrag über die Schweizer Kirchenzeitung SKZ und das Portal kath.ch, und wie sich diese vom «weltweiten Katholizismus» entfernen. – Allerdings nutzt die «Tagespost» genau die kritisierte SKZ, um in einem ganzseitigen Inserat für das Interview mit Vitus Huonder zu werben.

In einem weiteren Artikel wird über herausragende Theologen wie Karl Barth, Hans Urs von Balthasar oder Hans Küng geschrieben, welche die Schweiz im 20. Jahrhundert hervorgebracht habe. Dieses Erbe trage «heute jedoch kaum noch Früchte», heisst es weiter. Aber es werden auch Initiativen der Schweizer Hochschulen und Fakultäten gerühmt, so die in Chur herausgegebene deutschsprachige Übersetzung der «Vulgata» oder das «Zentrum für Glaube und Gesellschaft» an der Universität Freiburg. (ms)

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