Ausschnitt aus dem Plakat des Weltgebetstages 2024: Drei palästinensische Frauen unter einem Olivenbaum.
Schweiz

Weltgebetstag 2024 unter Beschuss: Schweizer Komitee will palästinensischen Frauen eine Chance geben

Palästinenserinnen haben den Weltgebetstag der Frauen am 1. März 2024 vorbereitet. Doch seit dem Angriff der Hamas auf Israel sind sie Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt. In Deutschland wurde deshalb die Weitergabe der Liturgie an die Basis gestoppt. Die Schweizer Frauen verzichten vorerst auf diesen Schritt.

Barbara Ludwig

Vroni Peterhans ist Präsidentin des Weltgebetstags (WGT) Schweiz – und in diesen Wochen und Tagen sehr beschäftigt. Seit dem 7. Oktober und dem Wiederaufflammen des Nahostkonflikts ist dieses Amt mit sehr viel mehr Arbeit verbunden als üblicherweise, sagt die 60-jährige Katholikin auf Anfrage von kath.ch. «Wir bekommen viele Medienanfragen und stehen in einem regen Kontakt mit den WGT-Komitees anderer Ländern. Hinzu kommen Anfragen aus der verunsicherten Basis.»

Plakat des Weltgebetstages 2024: Drei palästinensische Frauen unter einem Olivenbaum.
Plakat des Weltgebetstages 2024: Drei palästinensische Frauen unter einem Olivenbaum.

Grund für die aussergewöhnliche Situation ist die Kritik am kommenden Weltgebetstag der Frauen. Dieser ist eine globale christliche Basisbewegung mit langer Tradition. In mehr als 150 Ländern findet an jedem ersten Freitag im März ein ökumenischer Gottesdienst statt. Die Liturgie und das Material werden jedes Jahr von einem anderen regionalen Komitee erarbeitet. Nächstes Jahr sind die Palästinenserinnen an der Reihe. Und das weiss man nicht erst seit dem 7. Oktober.

Christlicher Antisemitismus?

Doch der Krieg im Nahen Osten lastet nun wie ein schwerer Schatten auf dem Weltgebetstag, der doch dem Frieden gewidmet ist. Besonders heftig ist die Kontroverse in Deutschland, wie ein Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur KNA vom 16. November zeigt.

Dabei komme die schärfste Kritik aus den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. In Teilen des aktuellen WGT-Materials stecke «christlicher Antisemitismus schlimmster Art», heisst es demnach in einer Stellungnahme des Deutschen Koordinierungsrates, der als Zentrale dieser Gesellschaften fungiert. So stört man sich etwas daran, dass Palästina als «Wiege des Christentums» beschrieben werde, ohne zu erwähnen, dass Jesus Jude gewesen sei. Auch Halima Aziz, die das zentrale WGT-Plakat gemalt hat, geriet unter Beschuss. Die Künstlerin habe sich mit dem Terror der Hamas solidarisiert, hiess es.

Plakat-Verkauf in Deutschland gestoppt

Die palästinensische Künstlerin Halima Aziz hat das Plakat für den Weltgebetstag 2024 gestaltet.
Die palästinensische Künstlerin Halima Aziz hat das Plakat für den Weltgebetstag 2024 gestaltet.

Die WGT-Bewegung in Deutschland nimmt die Vorwürfe sehr ernst. Dem KNA-Bericht zufolge wurde der Plakatverkauf gestoppt. Zudem fasste das nationale Komitee den Beschluss, die von palästinensischen Frauen vorbereitete Gottesdienst-Ordnung in Deutschland nicht mehr weiter an die Gemeinden zu verteilen.

Lieder und Fürbitten sollen überprüft, bearbeitet und ergänzt werden. Und die Erfahrungsberichte von drei Palästinenserinnen sollen kontextualisiert werden. Die Frauen berichten darin von leidvollen Erfahrungen, etwa von der Vertreibung ihrer Vorfahren durch das israelische Militär. Bis zur Jahreswende soll eine überarbeitete Gottesdienstordnung vorliegen.

Gemeinsamer Entscheid nicht möglich

Vroni Peterhans sagt, die WGT-Komitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiteten immer sehr eng zusammen bei der Anpassung der Liturgie an den deutschsprachigen Raum. Man habe auch gemeinsam entscheiden wollen, wie auf die Kritik an der palästinensischen Liturgie zu reagieren sei. «Dies war jedoch nicht möglich. Denn die deutsche Seite musste sehr rasch entscheiden, weil der Druck in Deutschland zu gross geworden war», sagt die Aargauerin.

Vroni Peterhans, Präsidentin des Weltgebetstags Schweiz.
Vroni Peterhans, Präsidentin des Weltgebetstags Schweiz.

Auch in der Schweiz gab es laut Peterhans Kritik am Weltgebetstag. «Seit bekannt ist, dass palästinensische Frauen die Liturgie gestaltet haben, werden wir von israelfreundlichen christlichen Kreisen angeschossen.» Dies war bereits vor dem 7. Oktober der Fall, weil das Schweizer Komitee die Palästinenserin Sumaya Farhat-Naser für einen Vortrag Ende Mai in die Schweiz eingeladen hatte.

Falsches Bild von Israel?

Vor allem zwei Personen hätten versucht, diesen Vortrag zu verhindern, berichtet Vroni Peterhans. Liliane Bernet-Bachmann aus Zürich sowie Hanspeter Büchi aus Stäfa.

Liliane Bernet-Bachmann kritisiert die Unterlagen zum Weltgebetstag. So stört sie sich etwa am Begriff «Palästina». Völkerrechtlich gebe es kein Palästina, schreibt sie auf Anfrage von kath.ch. «Dieser Begriff ist seit Jahren mit dem Ziel von Fatah und Hamas verbunden, Israel durch Palästina zu ersetzen, das heisst, wie es deren Charta sagt, Israel auszulöschen.» Der «so fromm inszenierte» Weltgebetstag Palästina sei «letztlich nicht mehr als eine Speerspitze gegen Israel», findet Liliane Bernet-Bachmann und spricht von «Geschichtsklitterung».

Anderer Umgang in der Schweiz

Das Schweizer Komitee geht trotz Kritik anders mit der schwierigen Situation um als die Kolleginnen in Deutschland. Auch hier nehme man diese ernst, doch in Deutschland sei der Druck viel stärker, sagt Vroni Peterhans. Sie selber hält die von den palästinensischen Frauen vorbereiteten Unterlagen allerdings nicht für antisemitisch. Man müsse ganz klar trennen zwischen «Israel und Judentum, zwischen Staat und Religion», sagt sie. Was es in den Materialien gebe, seien «antiisraelische Passagen». Etwa dort, wo die drei Palästinenserinnen von persönlichen Erfahrungen berichten.

Tempelberg in Jerusalem
Tempelberg in Jerusalem

«Wir haben das Gefühl, in der Schweiz können wir unseren Frauen an der Basis zutrauen, diese Berichte richtig einzuschätzen – als ein Erzählen über erlebtes Leid.» Man wolle im Moment nicht so weit gehen wie in Deutschland und den Versand der Liturgie und den Verkauf des Plakates stoppen, so die WGT-Präsidentin. Man empfehle der Basis jedoch, vorsichtig damit umzugehen, so damit zu feiern, dass man selber dahinter stehen könne.

«Man urteilt nicht und macht auch keine Politik daraus.»

Vroni Peterhans, Präsidentin Weltgebetstag Schweiz

Die Schweizerinnen setzen vorerst auf Ergänzungen und Änderungen von Seiten des palästinensischen Komitees. «Am 2. Dezember haben sie uns Anpassungen bis Anfang Februar versprochen. Wir wollen ihnen die Chance geben, die Materialien selbst zu korrigieren oder zu ergänzen», erklärt Vroni Peterhans.

Sie bedauert die Politisierung des kommenden Weltgebetstages. Noch nie habe es das gegeben, dass man im Vorfeld eine bereits erarbeitete Liturgie abgeändert habe. «Man nimmt die Liturgie aus dem jeweiligen Land entgegen. Man hört sie sich an, auch wenn einen nicht alles anspricht. Aber man urteilt nicht und macht auch keine Politik daraus. Denn wir wollen informiert beten und betend handeln.»

25.03.2024, 17.40 Uhr: Eine Passage im Text wurde gestrichen.


Ausschnitt aus dem Plakat des Weltgebetstages 2024: Drei palästinensische Frauen unter einem Olivenbaum. | © zVg
10. Dezember 2023 | 12:01
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