Mathias Werfeli vor der Ukraine-Fahne, die er mit Studierenden gehisst hat.
Porträt

Warum der Basler Jesuit Mathias Werfeli auch ukrainisch griechisch-katholisch ist

Früher war Mathias Werfeli Eventmanager beim Basler Tattoo-Musikfestival. Heute ist er Studentenseelsorger. Über einen Zufall kam er zur ukrainisch griechisch-katholischen Kirche. Hier gibt es keinen Pflichtzölibat. Doch Werfelis Berufung war grösser, Jesuit zu werden.

Regula Pfeifer

Die Ukraine-Flagge flattert an einer Leine auf der baumbestückten Terrasse der Jesuitengemeinschaft in Zürich. Mathias Werfeli (45) lässt sich später davor ablichten. Er hat die Fahne zu Beginn des Ukraine-Kriegs gehisst – zusammen mit Studierenden, die das Aki, die Katholische Hochschulgemeinde Zürich besuchen.

Mathias Werfeli ist Aki-Seelsorger und lebt in der Jesuitengemeinschaft. Hierhin lädt er kurz ein, um zwei Tees zu kochen. Er hat einen starken Bezug zur Ukraine. Denn er gehört der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche der Schweiz an. Wie all das zusammengekommen ist, erzählt er im Gespräch an einem Gartentisch mit Aussicht auf die Zürcher Altstadt.

Mathias Werfeli im Garten beim Jesuiten-Sitz und Aki in Zürich
Mathias Werfeli im Garten beim Jesuiten-Sitz und Aki in Zürich

Den Krieg in der Ukraine bekommt er von Nahem mit. Denn Mathias Werfeli ist in seiner Kirche ständig in Kontakt mit Menschen aus diesem Land. Er sieht, wie sie Flüchtlinge und Familienangehörige empfangen und Hilfsgüter in die Ukraine verschicken. In die materielle Hilfe ist Mathias Werfeli nicht involviert. «Das können die anderen mit ihren Kontakten besser.»

Der Jesuit sieht sich vor allem als Vernetzer. Kürzlich hat er Pariser Jesuiten einen Kontakt in der Ukraine vermittelt, wo humanitäre Hilfe nötig ist. Er hilft dem Priester Ivan Machuzhak, die Friedensgebete in der Krypta der Liebfrauenkirche zu organisieren.

Von Russland bombardiert: Brovary nahe Kiew am 1. März 2022.
Von Russland bombardiert: Brovary nahe Kiew am 1. März 2022.

Skandal am Evangelium

Und auch im Aki ist der Krieg Thema. In den studentischen Gottesdiensten wird für Frieden gebetet und am kommenden Mittwoch findet ein «Meeting Point Ukraine» statt. Da soll über die christliche Reaktion auf Gewalt debattiert werden. «Das ist die Vergebung, so schwierig das scheint», sagt Mathias Werfeli. Er zitiert einen Spitzenvertreter seiner Kirche, den Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk von Kiew-Halytsch: «Nur wenn ihre einander vergebt, wird auch Gott euch vergeben.» Das gelte auch im Krieg. «Das ist der Skandal am Evangelium: Dass es der Gewalt das Primat der Liebe entgegenstellt.»

Innerhalb seiner Gemeinschaft versucht Mathias Werfeli, ein möglichst normales Pfarreileben zu gewährleisten. «Natürlich nicht alleine», präzisiert er sogleich. Der Pfarrer Nazar Zatorskyy und andere Gemeindemitglieder seien ebenso engagiert.

Ikonenwand auf- und abbauen

Alle zwei Wochen bietet die ukrainische griechisch-katholische Kirche einen Gottesdienst an, abwechselnd in Basel und in Zürich. In Zürich ist die Feier jeweils in der Krypta der Liebfrauenkirche. «Wir sind dankbar, dass wir da Gastrecht haben», sagt Mathias Werfeli. Allerdings müssen sie vor jedem Gottesdienst die Ikonostase – eine Ikonenwand – aufbauen und danach wieder abbauen.

Der Jesuit Mathias Werfeli ist Subdiakon der ukrainisch-griechischen Kirche.
Der Jesuit Mathias Werfeli ist Subdiakon der ukrainisch-griechischen Kirche.

In der Liebfrauen-Krypta zieht Mathias Werfeli seine Soutane an, ein schwarzes knöchellanges Kleid, das er – über Hemd und Hose – um sich wickelt und bindet. Dann macht er einen Ausfallschritt und eine Kniebeuge vor dem Altar und das Kreuzzeichen. Die Soutane trage er nur im Gottesdienst, hat er vorher gesagt. Sie sei ein Berufskleid wie der Arztmantel für den Arzt.

Als Subdiakon leistet er Hilfsdienste

Mathias Werfeli ist Subdiakon in der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche der Schweiz. Das ist kein Weiheamt: Als Subdiakon leistet er Hilfsdienste in der Liturgie, bringt etwa den Weihrauch. Eine Prise Selbstironie schimmert durch, als er seine Aufgabe beschreibt: «Das kann eigentlich auch ein Ministrant machen», fügt er dann ernst hinzu.

Krypta in der Kirche Liebfrauen in Zürich
Krypta in der Kirche Liebfrauen in Zürich

«Subdiakon ist ein Schritt auf dem Weg zum Diakon und zum Priester», erklärt der geborene Basler, dem der Dialekt anzuhören ist. Ob er das denn werden will, geht die Frage an ihn. «Ja, ich spüre die Berufung dafür», antwortet er. Und fügt an: «Ich sehe mich in der Tradition der ostkirchlichen Mönche.»

Ostkirchliche Mönche zum Vorbild

Das will er genauer erklären und zückt sein Handy. «Genau», sagt er nach einer Pause. Theodosius von Kiew ist sein Vorbild, der Gründer des dortigen Höhlenklosters. Als der vorherige Priester verstorben war, liess sich Theodosius offenbar erst nach langem Ringen von den Mitbrüdern überzeugen, das Priesteramt zu übernehmen. Ganz so sei es bei ihm nicht, er habe schon selber diesen Wunsch, sagt der Subdiakon.

«Es darf dem angehenden Priester nicht um Selbstsakralisierung gehen.»

«Das Priesteramt ist ein Dienst an der Gemeinschaft», sagt Mathias Werfeli. Der Priester sei nicht besser als andere Gläubige, habe keinerlei Vorrang. «Es darf dem angehenden Priester nicht um Selbstsakralisierung gehen.»

Mathias Werfeli erzählt von seinem Bruder und seinen Eltern, die im Kanton Basel-Landschaft leben. Der Bruder ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Mathias Werfeli hat seinen Weg ohne katholische Familientradition beschritten. Aufgewachsen ist er in einer reformierten Familie, die den Glauben aber nicht praktizierte. Dennoch liessen die Eltern die beiden Söhne taufen. Sie sollten erfahren, was Religion ist. Mathias Werfeli besuchte den Religionsunterricht. «Ich ging gern zur Kirche», sagt er.

Tante nimmt ihn in die griechisch-katholische Kirche mit

Mit 16 Jahren entdeckte er die ukrainische griechisch-katholische Kirche in Zürich – per Zufall. Seine Tante sang da im Kirchenchor mit – und nahm den Teenager mit. «Das hat in mir die Liebe zu dieser Liturgie geweckt», erzählt Werfeli heute. Die Gesänge, der Weihrauch und das feierliche liturgische Geschehen faszinierten ihn. «Ich fand das ästhetisch schön.»

Einen Bezug zur Ukraine, etwa durch Verwandte, haben weder seine Tante noch er. Trotzdem war das Feuer für die ukrainisch griechisch-katholische Kirche entfacht. Nach der Matura besuchte er die Kirche immer öfters. Er fing auch an, sich mit ihrer Theologie auseinanderzusetzen. Von der reformierten zur griechisch-katholischen Kirche konvertiert ist er aber erst 2010, mit 33 Jahren.

Lwiw (Lemberg) vor dem Krieg
Lwiw (Lemberg) vor dem Krieg

2012 besuchte er das erste Mal die Ukraine, seitdem hat er in Lemberg mehrere Sprachkurse besucht. «Die Grammatik ist gut, mir fehlt die Praxis», sagt Mathias Werfeli über seine Ukrainisch-Kenntnisse.

Mit 38 Jesuit geworden

Fünf Jahre später – mit 38 Jahren – schloss er sich den Jesuiten an. Diese hatte er während seines Studiums in Basel kennengelernt. Was in Zürich das Aki ist, ist in Basel die Kug, die Katholische Universitätsgemeinde Basel. An beiden Orten sind die Jesuiten für die Seelsorge der Studierenden zuständig. Mathias Werfeli war regelmässig in der Kug.

Mathias Werfeli in der Krypta der Liebfrauenkirche – wo seine ukrainische griechisch-katholische Kirche Gastrecht hat.
Mathias Werfeli in der Krypta der Liebfrauenkirche – wo seine ukrainische griechisch-katholische Kirche Gastrecht hat.

«Ich wollte Teil der katholischen Weltkirche werden», sagt Mathias Werfeli. «Ich bin wohl einer von wenigen, die die westliche und die östliche katholische Kirche in sich vereinen.» Zum Theologie-Studium ging er nach Paris. Seine ostkirchliche Herkunft sei von den Jesuiten als Bereicherung wahrgenommen worden, sagt Werfeli. Niemand habe ihn gebeten, römisch-katholisch zu werden. Dafür ist er dem damaligen Schweizer Jesuiten-Provinzial Christian Rutishauser dankbar.

Der Weg in die Kirche verlief bei Mathias Werfeli lange durchaus weltlich. Er studierte an der Uni Basel Geschichte und Englisch und jobbte nebenbei und auch nach Studienende im Passagierdienst des Flughafens Basel. Danach arbeitete er zweieinhalb Jahre als Eventmanager am Basel-Tattoo-Musikfestival.

Karriere im Militär

Gleichzeitig machte er Karriere im Militär. Innerhalb der Sanität stieg er auf zum Major im Stab eines Spitalbataillons und wurde – dank Weiterbildung in der Armee – Presseoffizier im Spitalbataillon. Ob Mathias Werfeli weiterhin im Militär aktiv sein wird, hängt von seinem Orden ab. Er könnte sich vorstellen, künftig als Armeeseelsorger tätig zu sein.

Armeeseelsorger spricht mit Armeeangehörigem.
Armeeseelsorger spricht mit Armeeangehörigem.

In zwei Traditionen zuhause

Mathias Werfeli schätzt es, in zwei Traditionen zuhause zu sein: in der römisch-katholischen und in jener der Ostkirchen. In der griechisch-katholischen Tradition gibt es keinen Pflichtzölibat, auch verheiratete Männer können Priester werden. Mathias Werfeli sagt: «Das war für mich kein Thema, weil ich eine stärkere Berufung als Jesuit spürte.»

Jeweils am Dienstag und Samstag findet um 19 Uhr in der Krypta der Liebfrauenkirche ein Friedensgebet statt.

Mathias Werfeli vor der Ukraine-Fahne, die er mit Studierenden gehisst hat. | © Regula Pfeifer
22. März 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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Wie Jesuit werden

Der ehemalige Schweizer Provinzial der Jesuiten, Christian Rutishauser, beschreibt für kath.ch die Aufnahmeregeln des Jesuitenordens: «Der Jesuitenorden ist ein Männerorden der katholischen Kirche. Es gibt keinen dazugehörigen Zweig für Frauen. In die Gesellschaft Jesu können nur Männer aufgenommen werden, die seit mindestens fünf Jahren der römisch-katholischen Kirche angehören und unverheiratet sind. Männer, die zu Kirchen gehören, die mit Rom uniert sind, können auch eintreten. Sie werden bei der Priesterweihe auf den römisch-katholischen Ritus wie auch auf den Ritus ihrer Kirche geweiht. In den Ländern der unierten Ostkirchen gibt es zuweilen Jesuiten, die die Erlaubnis haben, in beiden Riten die Liturgie zu feiern.» (rp)