Walter Bühlmann, 2022
Schweiz

Walter Bühlmann: Der Seelsorger, Bibliker und Alpinist ist verstorben

Der katholische Priester Walter Bühlmann hat als Alttestamentler und Studienreiseleiter versucht, das Leben zu Zeiten Jesu zu vermitteln. Als Armeeseelsorger bestieg er Viertausender. Er überlebte eine Krebserkrankung und publizierte schliesslich zur Heiligen Verena. Am Samstag ist er mit 86 Jahren im Spital in Stans verstorben.

Stephan Leimgruber*

Noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Walter am 18. Januar 1938 in Eschenbach in eine katholische Familie hineingeboren. Der Vater war Briefträger, die Mutter aus einem Schuhladen, und wuchs Walter Bühlmann mit Bruder und Schwester im katholischen Milieu auf. Er meldete sich im nahen Zisterzienserinnenkloster Eschenbach zum Ministrantendienst und lernte dabei die lateinischen Gebete.

Nach der Matura an der Kantonsschule Luzern widmete er sich dem Philosophie- und Theologiestudium, zunächst an der Theologischen Fakultät Luzern (1959-1961), dann bis zum Lizentiat (1964) an der Päpstlichen Universität Thomas von Aquin in Rom (Angelicum).

Geprägt vom Zweiten Vatikanischen Konzil

Nach der Priesterweihe in Sirnach am 27. Juni 1965 kam er nach Willisau ins erste Vikariat und lernte nach dem ihn sehr prägenden Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 65) die allgemeine Seelsorge kennen.

Blick auf die Altstadt von Jerusalem mit Tempelberg und Felsendom.
Blick auf die Altstadt von Jerusalem mit Tempelberg und Felsendom.

Dabei interessierten ihn Bibel, Theologie und das Heilige Land so sehr, dass er sich für ein Weiterstudium in Freiburg (Schweiz) und Jerusalem (und Qumran) entschloss. Dieses beendete er mit dem Doktorat «Vom rechten Reden und Schweigen» über die Kapitel 10-31 des alttestamentlichen Buchs der Sprüche. Das ermöglichte ihm die Übernahme der biblischen Arbeitsstelle für den Religions- und Bibelunterricht in Luzern sowie die Erteilung alttestamentlicher Vorlesungen und Kurse an der Theologischen Fakultät Luzern.

Der biblische Autor

Hier begann Walter Bühlmann eine reiche Publikationstätigkeit mit über vierzig Büchern und Broschüren, zunächst mit bibeldidaktischen Schriften zu den Propheten Amos und Elija, zu Tobit und Kohelet, die er zusammen mit Annemarie Schwegler verfasste. Weiter schrieb er bibelkundliche Arbeiten über «Bethlehem vor 2000 Jahren», den «Familienalltag zur Zeit Jesu». Für den Neuen Stuttgarter Bibelkommentar verfasste er Band 15: «Das Hohelied».

Bibeln
Bibeln

Die «Moseerzählungen» verstand er als Hilfen für den Religions- und Bibelunterricht; sie erhielten drei Auflagen. Die Psalmen erläuterte er zusammen mit Vreni Merz, die wie Annemarie Schwegler von der Didaktik und Pädagogik herkam. Im neuen Jahrtausend äusserte er sich aus mehr religionssoziologischer und sprachlicher Sicht zu «Frauen und Männer im Alten Testament», zu «Jesus, der Mann aus Nazareth» und  zu «Nazaret vor 2000 Jahren».

Es lag ihm daran, die nachwachsende Generation mit den Gegebenheiten vertraut zu machen, wie sie zur Zeit Jesu bestanden. Dieses Bemühen ergänzte und unterstützte er mit zahlreichen Studienreisen ins Heilige Land. Hier war er im Element und liess keine Fragen der interessierten Teilnehmenden offen. Die Orte Jesu und der Prophetinnen und Propheten sollten erspürt und erfahren werden. Er kannte sie aus seiner Studienzeit.

Regens unter drei Bischöfen

Walter Bühlmann übernahm zehn Jahre lang die Aufgaben eines Regens des Bistums Basel (1989-1999). Als solcher hatte er die Verantwortung für die Inhalte und die Organisation der geistlichen Ausbildung der Studierenden und künftigen Seelsorgenden im Bistum Basel. Er war offen für Studentinnen und Studenten, die sich bereiterklärten in den kirchlichen Dienst des Bistums zu treten.

Kurt Koch, 2005
Kurt Koch, 2005

Eine enge Zusammenarbeit mit den Bischöfen, mit Subregens und Spiritual waren angesagt, die auch Meinungsunterschiede, etwa hinsichtlich Zulassungskriterien, offenbarte. Konflikte mussten ausgetragen werden, denen der Regens nicht ausweichen konnte. Die Stellung der Laien in der Seelsorge hatte zwar im Bistum bereits eine Tradition, aber die Seelsorgestrukturen und manche lieb gewordenen Gewohnheiten waren im Umbruch und mussten neu durchdacht werden.

Regens Bühlmann musste mit drei unterschiedlichen Bischöfen kooperieren: Mit Otto Wüst (bis 1993), mit Hansjörg Vogel (1994-1995) und mit Kurt Koch (1995-1999).

Als Armeeseelsorger im Hochgebirge

Ausserdem stellte sich Walter Bühlmann von 1968 bis 2003 als Armeeseelsorger zur Verfügung. Hier nahm er mit grosser Begeisterung an Hochgebirgskursen teil und konnte eine Reihe Viertausender besteigen, darunter die Dufourspitze und das Allalinhorn.

Wandern, Klettern und Skifahren gehörten zu seinen Leidenschaften. Das militärische Umfeld nahm er in Kauf, um die Berge mit ihrer magischen Anziehungskraft zu erleben.

Pilger auf Skiern auf dem Weg zum Hospiz
Pilger auf Skiern auf dem Weg zum Hospiz

Heimtückische Krebserkrankung

Am Ende der Seminarzeit anlässlich eines Forschungsaufenthalts in Jerusalem diagnostizierte die Medizin eine heimtückische Krankheit bei Walter Bühlmann: einen aggressiven Lymphknotenkrebs. Es folgten ungewisse, menschlich herausfordernde Zeiten mit Chemotherapie. Die Chancen einer Heilung standen fifty-fifty. Walter hat mit konsequenter geistiger, leiblicher und sportlicher Therapie dagegengehalten.

Es war für ihn eine Hilfe, die Diagnose öffentlich zu machen im Buch «Warum gerade ich? Biblische Meditationen eines Krebskranken» (Luzern 2003) und die Krankheit geistlich wie biblisch mithilfe des Kreuzwegs zu verarbeiten.

Ein Vierteljahrhundert weitere Lebensjahre wurde ihm geschenkt. Dazu meinte er rückblickend: «Ich bin dankbar für die Ärzte, für das Pflegepersonal im Kantonsspital, für die Frauen der Spitex, die mich immer wieder pflegten. Ich bete den Text der fünften Station und gehe wieder zufrieden nach Hause.» Im Lichte des Glaubens konnte er Stärkung erfahren und zu seiner Krankheit Ja sagen.

Recherchen zur neuen Diözesanpatronin

Im Jahre 2009 wartete Walter Bühlmann mit einer tiefgründigen hübschen Publikation über die heilige Verena auf, deren Kennzeichen Kamm und Wasserkrug sind und deren Grab bis heute in Zurzach in lebendiger Weise verehrt wird. Vertraut mit archäologischen Methoden prüfte er alle Hinweise zur heiligen Verena von der Thebäischen Legion aus Oberägypten über die Einsiedelei in Solothurns Verenaschlucht bis hin zu den ältesten Funden des Grabes in Zurzach.

Statue der heiligen Verena, Kathedrale Solothurn
Statue der heiligen Verena, Kathedrale Solothurn

Verena gehörte zu den ersten Christinnen in der Schweiz und bezeugte ihren Glauben durch die Begleitung armer Kinder und Erwachsener, denen sie der Legende nach Wasser reichte und die Haare kämmte.

Der Autor stellte heraus, was wichtig und was weniger bedeutsam sei bei der Verehrung der Heiligen Verena und konfrontierte seine Entdeckungen nicht zuletzt mit den neuen sprachlichen und malerischen Werken von Silja Walter und Maria Elisabeth Hafner. Mit Hiobsgeduld arbeitete er alles auf, was Verena betraf und präsentierte die neue Diözesanpatronin (neben den Heiligen Urs, Viktor und Gefährten) in einem schmucken und aufschlussreichen Kunstband «Mit Kamm und Krug. Entdeckungsreise zu Verena und Zurzach» (Luzern 2009).

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Späte priesterliche Dienste

Nach der Pensionierung stellte Walter seine Kraft und seine priesterlichen Dienste weiter dem Pastoralraum Sursee zur Verfügung. Er freute sich über sein reiches Beziehungsnetz und dislozierte vor kurzer Zeit nach Luzern.

Eine neuerliche Attacke einer schweren Krankheit raffte ihn dahin. Das Wort der Bibel  wurde für ihn Realität: «In Deine Hände Herr, gebe ich meinen Geist!» (In manus tuas commendo spiritum meum.) Gott gebe ihm seinen Frieden. Die Todesanzeige beginnt mit den Worten: «Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig. (Psalm 118, 1).

Am Samstag, den 13. April 2024, ist der geschätzte Priester, kundige Bibelwissenschaftler, Regens und unermüdliche Wanderer Walter Bühlmann im Spital in Stans 86-jährig verstorben.

Der Abschiedsgottesdienst wird am Freitag, den 19. April 2024 um 10.00 in der Pfarrkirche St. Georg in Sursee gefeiert. Anschliessend Beisetzung im Priestergrab bei der Pfarrkirche.

*Stephan Leimgruber ist Seelsorger im Pastoralraum Luzern. Bis 2014 war er Professor für Religionspädagogik an der LMU München.


Walter Bühlmann, 2022 | © Vera Rüttimann
16. April 2024 | 16:17
Lesezeit: ca. 4 Min.
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