Stephan Leimgruber, katholischer Theologe.
Theologie konkret

Stephan Leimgruber: «Fiducia Supplicans» ermöglicht Segnungen für alle Paare

Der Theologe Stephan Leimgruber sieht in «Fiducia Supplicans« einen wichtigen Schritt zur Inklusion. Daran ändere auch die Medienmitteilung des Vatikans nichts. Die Bischofskonferenzen müssten nun vorangehen und sich Gedanken zur Umsetzung in ihren Gebieten machen.

Stephan Leimgruber*

Die römisch-katholische Kirche zeigt sich als lernfähig und hat über ihre lange Verweigerung der Segnungen aller nachgedacht. Neu dürfen geweihte Seelsorger gleichgeschlechtliche Paare segnen, die darum bitten. Neu dürfen sie auch heterosexuelle Paare segnen, von denen ein Partner oder beide in zweiter Ehe lebt beziehungsweise leben.

Bischofskonferenzen sind gefragt

Diese Öffnung darf als respektabler Schritt gewürdigt werden. Vorbedingungen, wie eine Durchleuchtung des Lebens, darf es nicht geben, wie es die frühere Fixierung auf das sechste Gebot bei der Beichte war. Sowohl das Dikasterium für die Glaubenslehre als auch Papst Franziskus haben intensiv über diesen Schritt nachgedacht – vielleicht im Nachgang des ersten Teils der Weltsynode im Oktober 2023 in Rom. Nun ist er im Dokument «Fiducia supplicans» vom 18. Dezember 2023 freigegeben. Jetzt ist in den Bischofskonferenzen ein Umdenken angesagt.

Ein Priester segnet ein gleichgeschlechtliches Paar (Symbolbild)
Ein Priester segnet ein gleichgeschlechtliches Paar (Symbolbild)

Die Erlaubnis zur Segnung aller ist pastoral motiviert. Es geht darum, die Öffnung hin zur Transzendenz achtsam wahrzunehmen und niemand vom Segen Gottes auszuschliessen. Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert oder infolge seiner Biografie disqualifiziert werden. Alle können Gottes Segen empfangen. Damit soll die Würde einer jeden Person gewahrt bleiben.  

Erweiterung des engen Segensverständnisses

Wenn immer ein geweihter Seelsorger um den Segen gebeten wird, darf er dieser Bitte nun guten Gewissens entsprechen. Was für die Sakramente gilt, gilt auch für die Sakramentalien. Die einzige Auflage, die für den Empfang gemacht wird, besteht darin, dass keine Simulation einer ehelichen Trauung inszeniert wird. Das ist einsichtig, denn hier wird ja eine Türe geöffnet, die jahrelang verschlossen war, aber nicht das Sakrament der Ehe neu umschrieben.

Dieser Schritt zur Segnung aller Paare hin erweitert ein enges Segensverständnis. Hier geht es nicht um den sakramentalen Ehesegen, sondern um die Anrufung Gottes für ein Paar; Gottes Hilfe und seine Gnadengaben werden für das Leben erfleht und wirksam mitgeteilt. Keine Rechtfertigung eines bestimmten Lebensstils ist intendiert, wohl aber eine pastorale Unterstützung der Personen auf ihrem Weg.

Wie sollen die Segnungen konkret geschehen?

Das neue Dokument hat nicht im Griff, wie dieser Segen für alle im Leben realisiert wird. Deshalb gilt es zu vermeiden, dass er vor dem Hauptaltar in der Kirche gespendet wird oder im Kontext einer klassischen Liturgie. Der neue Segen soll vorerst einmal privat gespendet werden, unter Gebet und wohl auch mit einem Segensgestus. Deshalb sollen neue Segensgebete entwickelt werden.

Ein homosexuelles Paar wird im Gottesdienst gesegnet.
Ein homosexuelles Paar wird im Gottesdienst gesegnet.

Den regionalen Bischofskonferenzen ist die Konkretisierung überlassen. Natürlich ist in Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Personen verfolgt und gefoltert werden, vorsichtig mit dieser Segnung umzugehen. Die sexuelle Orientierung ist gesamtgesellschaftlich noch nicht lange und nicht überall mit Vielfalt verbunden und akzeptiert.

Medienmitteilung ändert nichts an Segensmöglichkeit

Selbst innerhalb der Kirche werden diese neuen Töne nicht überall gerne gehört. Es muss zugegeben werden, dass das Dokument kein in jeder Hinsicht ausgereiftes und konsistentes ist, weshalb es auch harsche Kritik von verschiedener Seite geerntet hat.

Das Dokument zeigt anfanghaft eine neue Richtung, will aber ausdrücklich jeden Anschein einer Gleichstellung mit der Ehe vermeiden. Anfechtbar ist etwa die Rede von den «irregulären Situationen». Bemerkenswert für mich ist, dass «Fiducia supplicans» den Beginn eines Paradigmenwechsels signalisiert, dem noch einige weitere Selbstkorrekturen folgen dürften.

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In einer Medienmitteilung vom 4. 1 gab Kardinal Fernandez ein Beispiel für einen Segen anlässlich einer Wallfahrt. Dieses Beispiel ist nicht verpflichtend und ändert nichts an der Aufgabe der Bischofskonferenzen, das Thema aufzunehmen und ortsgerechte Vorschläge zu erarbeiten. Es bleibt dabei, dass jeder geweihte Seelsorger den Segen spenden kann. Bis sich aber diese Kehrtwende in den Diözesen eingespielt hat, braucht es noch Zeit.

*Stephan Leimgruber ist Seelsorger im Pastoralraum Luzern. Bis 2014 war er Professor für Religionspädagogik an der LMU München.


Stephan Leimgruber, katholischer Theologe. | © zVg
14. Januar 2024 | 07:00
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