Marie-Louise Beyeler, Präsidentin des Landeskirchenrates Bern
Schweiz

Wachstum und gute Leistungen: Bern erhöht Zahlungen an katholische Landeskirche

Die römisch-katholische Landeskirche Bern erhält ab 2026 mehr Geld. Marie-Louise Beyeler, Präsidentin des Landeskirchenrats sagt: «Wir haben gute Leistungen erbracht». Auch Zürich muss sich entscheiden. Hier ist noch unklar, wie es weitergeht.

Sarah Stutte

Der reformiert geprägte Kanton Bern will zwischen 2026 bis 2031 den beiden katholischen Landeskirchen mehr Geld zusprechen. Dies aus dem Topf der jährlich 29,4 Millionen Franken für die Erbringung der gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Kirchen, unter anderem für die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Betagten- und Armenhilfe.

Bern  - mit dem Bundeshaus (hinten)
Bern - mit dem Bundeshaus (hinten)

In Zahlen ausgedrückt soll die römisch-katholische Landeskirche gut 2,2 Millionen Franken mehr bekommen als bisher (neu: 6,58 Millionen Franken). Die Christkatholiken machen in der neuen Berechnung des Kantons immerhin ein Plus von gut 100’000 Franken (neu: 140’000 Franken). Zwar erhält die evangelisch-reformierte Landeskirche mit 22,64 Millionen Franken immer noch den Löwenanteil. Doch deren Betrag wurde im Vergleich zur vorherigen Beitragsperiode um knapp 2,3 Millionen Franken gekürzt.

Kein Lobbying

Die Berner Katholikinnen und Katholiken freuen sich darüber. «Wir sind nicht überrascht. Unsere Leistungen gerade im gesamtgesellschaftlichen Bereich sind beträchtlich. Deshalb haben wir schon damit gerechnet, dass diese Ergebnisse sich auch in den Zahlen niederschlagen», sagt Marie-Louise Beyeler, Präsidentin des Landeskirchenrats. Die Frage steht jedoch im Raum, warum den Reformierten im traditionell reformiert geprägten Bern der Gesamtbetrag zugunsten der Katholiken gekürzt und neu verteilt wird? Ist das der Erfolg eines guten katholischen Lobbyings? «Nein. Mit Lobbying hat das nichts zu tun. Das ist eine nackte Zahlenrealität», so Marie-Louise Beyeler.

«Jetzt ist die Ungleichheit beseitigt.»

Marie-Louise Beyeler

Der Berner Regierungsrat sei mit der Umwälzung einer alten Forderung der römisch-katholischen Landeskirche nachgekommen. Dieser stünde, gemessen an den Mitgliedszahlen, mehr Geld zu, sagt Beyeler. Der Regierungsrat bewerte in seinen Überlegungen die katholischen Mitglieder nun gleich wie die reformierten. In der letzten Beitragsperiode sei die Differenz noch historisch begründet worden und die Berechnung habe sich allein auf die Anzahl der Pfarrstellen gestützt. «Jetzt ist die Ungleichheit beseitigt», hält Marie-Louise Beyeler fest.

Guter Leistungsausweis

Vor allem aber sei die Verteilung aufgrund der erhobenen Leistungen vorgenommen worden. «Alle Landeskirchen haben zuhanden des Regierungsrats Berichte verfasst, in denen ihre gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Jahre 2020 und 2021 ausgewiesen wurden», erklärt die Landeskirchenrats-Präsidentin. Aufgrund dieser Leistungen habe der Berner Regierungsrat die Berechnungen vorgenommen.

Daniel Kosch war von 2001 bis 2022 RKZ-Generalsekretär.
Daniel Kosch war von 2001 bis 2022 RKZ-Generalsekretär.

Daniel Kosch ist Experte für Kirchenfinanzen und ehemaliger Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Er hält fest, dass «die Kirchen nicht im Ganzen mehr Geld bekommen». Es werde «bloss eine Umschichtung vorgenommen». Bei der Neuberechnung handle es sich also nicht um einen Ausbau der Kirchenfinanzierung, sondern um eine Stabilisierung.

Demografische Entwicklung

Als Grund für die Umverteilung sieht Kosch die demografischen Entwicklungen. «Vorher wurde der demografischen Zusammensetzung der Bevölkerung nicht genug Rechnung getragen. Die Reformierten wurden bevorteilt, weil sie traditionell stärker unterstützt wurden. Jetzt wird das ausgeglichen. Die reformierte Kirche verliert seit 1970 deutlich an Mitgliedern, bei den Katholiken geht die Mitgliederzahl erst seit knapp zehn Jahren leicht zurück. Dadurch ergibt sich ein Bedarf, gewisse Anpassungen vorzunehmen», erklärt er.

Ähnlich sei es im Kanton Zürich in der Frage der Staatsleistungen an die Landeskirchen gewesen und in der Aufteilung der jährlich 50 Millionen Franken. Zu Beginn hätten auch hier die Reformierten mehr zugesprochen bekommen. Schritt für Schritt hat sich die Verteilung zugunsten der Katholiken verändert.

Unsicherheit in Zürich

Doch momentan wird im Kanton Zürich wieder über diesen Betrag gestritten. Eine Studie der Universität Zürich hat den Kirchen einen massiven Bedeutungsverlust zugeschrieben. Von einem «Versagen während der Corona-Pandemie» war die Rede, auch der rasante Schwund der Mitgliederzahlen war ein Thema. Der Kanton solle sich deshalb überlegen, die jährliche Unterstützung von 50 Millionen Franken zu reduzieren, wie kath.ch berichtete.

Römisch-katholische Dreifaltigkeitskirche in Bern
Römisch-katholische Dreifaltigkeitskirche in Bern

Die Neuregelung der Verteilung des Staatsbeitrags für die gesamtgesellschaftlichen Leistungen an die anerkannten Kirchen wurde noch vor der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie beschlossen. Heute ist die Situation eine andere. Fielen die hohen kirchlichen Austrittszahlen bei der Bemessung der Berner Berechnung weniger ins Gewicht? «Natürlich sind die Austrittszahlen massiv, aber die demografischen Umschichtungen fallen stärker ins Gewicht. Die katholische Bevölkerung im Kanton Bern ist im Durchschnitt wohl einiges jünger als die reformierte. Sie ist migrantischer zusammengesetzt und wirkt robuster in der demografischen Entwicklung», so Kosch.

Abstimmung steht aus

Der Berner Regierungsrat hat die Anteile für die Landeskirchen definiert. Das letzte Wort hat aber der Grosse Rat. Das heisst: Der endgültige Entscheid fällt in der Herbstsession. «Natürlich kann das Parlament die Vorlage noch zurückweisen oder gesamthaft kürzen. Die gesetzliche Grundlage ist klar, deshalb gehe ich davon aus, dass das Parlament die Vorlage annimmt», sagt Daniel Kosch.

Auch Marie-Louise Beyeler kann nicht voraussehen, was passiert. Sie gibt sich aber «vorsichtig optimistisch». In Zürich wird der Kantonsrat ebenfalls im Herbst über die Staatsbeiträge für die Landeskirchen von 2026 bis 2031 entscheiden. Wie optimistisch man hier sein kann, bleibt abzuwarten. Die kantonale Justizdirektion wollte auf Anfrage von kath.ch keine Stellung nehmen zum Berner Entscheid und dessen möglicher Bedeutung für die Katholische Kirche im Kanton Zürich.

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Der Verteilschlüssel

Der Gesamtbetrag in Höhe von 72,6 Millionen Franken bleibt unverändert. Diesen Betrag zahlt der Berner Regierungsrat an die drei Landeskirchen. Daraus sind 43 Millionen Franken für die Löhne der Pfarrpersonen und Seelsorgenden bestimmt. Die restlichen 29,4 Millionen Franken entschädigen die gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Kirchen und werden prozentual auf die drei Landeskirchen aufgeteilt. Die Aufteilung des Beitrags bemisst sich an ihrem Anteil an den erbrachten Leistungen in den Vorjahren und setzt sich für die Beitragsperiode 2026 bis 2031 wie folgt zusammen:

– 22,64 Millionen Franken (77,12 Prozent des Totals) erhält die evangelisch-reformierte Landeskirche.

– 6,58 Millionen Franken (22,40 Prozent des Totals) gehen an die römisch-katholische Landeskirche.

– 140’000 Franken (0,48 Prozent des Totals) erhält die christkatholische Landeskirche. (sas)


Marie-Louise Beyeler, Präsidentin des Landeskirchenrates Bern | © Thomas Uhland
16. Mai 2024 | 12:00
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