Blick auf Türme des Grossmünsters und der Wasserkirche in Zürich, versteckt hinter Bäumen an der Limmat.
Schweiz

Studie zeigt: Massiver Bedeutungsverlust der Landeskirchen im Kanton Zürich

Die beiden Landeskirchen im Kanton Zürich haben seit 2017 massiv an Bedeutung verloren. Eine vom Kanton und den Kirchen in Auftrag gegebene Studie kritisiert besonders das Versagen während der Corona-Pandemie. Der Kanton solle sich überlegen, die jährliche Unterstützung von 50 Millionen Franken zu reduzieren.

Annalena Müller

Der Kanton Zürich zahlt den kantonalkirchlichen Körperschaften jährlich 50 Millionen Franken. Mit dem Geld werden Aktivitäten unterstützt, die von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind. Alle sechs Jahre müssen die Gelder durch den Kantonsrat gutgeheissen werden. Eine vom Kanton und den beiden Landeskirchen in Auftrag gegebene Studie der Universität Zürich zeigt: Seit 2017 haben die Kirchen einen massiven Bedeutungsverlust erfahren. Die Autoren empfehlen daher dem Kanton «im Hinblick auf die kommende Finanzierungsperiode den bisherigen finanziellen Rahmen zu diskutieren.»

Erosion der öffentlichen Rolle der Landeskirchen

Die noch unveröffentlichte Studie trägt den sperrigen Titel «Kirchliche Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung im Kanton Zürich». Durchgeführt hat sie ein Team des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Wie bereits in der Vorgängerstudie von 2017, wurden die Angebote der Landeskirchen und deren Nutzung durch die kantonale Bevölkerung untersucht.

Hauptgebäude der Universität Zürich.
Hauptgebäude der Universität Zürich.

Die Auswertung der erhobenen Daten zeigt: Die beiden Landeskirchen erbringen weiter gesamtgesellschaftlich wichtige Leistungen. Gleichzeitig haben sie in den letzten sechs Jahren deutlich an gesellschaftlicher Bedeutung verloren. Dies manifestiert sich auf verschiedene Arten. So ist die Bekanntheit kirchlicher Angebote in der Gesellschaft stark zurückgegangen. Auch misst die Bevölkerung den kirchlichen Angeboten weniger Bedeutung bei als noch vor sechs Jahren.

Ein wesentlicher Grund dafür liegt laut den Autoren der Studie in der wachsenden Distanz zwischen Landeskirche und Bevölkerung. Diese sei seit 2015 deutlich gewachsen und dürfte in Zukunft noch weiterwachsen. Besonders die «jüngeren Kohorten (bis 45 Jahre)», welche kirchliche Angebote nur wenig nutzen, trügen zu dieser Entwicklung bei.

Kirchen haben während Corona versagt

Ein wenig rühmliches Zeugnis stellt die Studie den Landeskirchen für ihr Engagement während der Corona-Pandemie aus. Zwar nähmen die Kirchen für sich in Anspruch, «in ausserordentlichen Situationen mit Angeboten proaktiv, schnell und unkompliziert einen bedeutenden Beitrag zum individuellen oder gesellschaftlichen Wohlergehen» leisten zu können.

Corona hat die Kirchen überfordert. Drei Priester mit Maske.
Corona hat die Kirchen überfordert. Drei Priester mit Maske.

Aber während der Pandemie hätten die Landeskirchen diese aktive Rolle kaum übernommen, sondern «vornehmlich reaktiv» auf die staatlichen Massnahmen gehandelt. Hinzu kommt, dass die sozialen Angebote, welche die Kirchen für besonders betroffene und gefährdete gesellschaftliche Gruppen eingeführt hat, weder von der Bevölkerung noch von den politischen Gemeinden wahrgenommen wurden. Sie seien schlicht zu wenig bekannt gewesen.

Empfehlungen der Studie

Auf Grundlage der Erkenntnisse empfehlen die Autoren den staatlichen Stellen, «im Hinblick auf die kommende Finanzierungsperiode den bisherigen finanziellen Rahmen zu diskutieren.» Von den kirchlichen Partnern solle der Kanton mehr Transparenz zu der Verwendung von staatlichen Mitteln einfordern.

Den Landeskirchen legt die Studie zum einen die Aufarbeitung ihrer passiven Rolle während der Corona-Pandemie ans Herz, die im Widerspruch zum kirchlichen Selbstverständnis steht, in Krisen unkompliziert und schnell zu agieren. Ausserdem müsse die Kommunikation kirchlicher Angebote an ein breites, zunehmend kirchenfernes Publikum, verbessert werden. Sonst sei zu erwarten, dass sich der kirchliche Bedeutungsverlust fortsetzen werde.


Blick auf Türme des Grossmünsters und der Wasserkirche in Zürich, versteckt hinter Bäumen an der Limmat. | © Barbara Ludwig
27. Oktober 2023 | 12:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!