Vreni Peterer, Missbrauchsopfer und Präsidentin IG Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld
Schweiz

Vreni Peterer: «Bischof Felix hat grossen Schaden angerichtet und Vertrauen zerstört»

Bischof Felix Gmür hat Tagebuchnotizen und Kontaktdaten eines Opfers an den Täter weitergegeben. Das hat Vreni Peterer von der «IG Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld» getriggert. Die Kirche versichere, Betroffene zu schützen. «Aber nun scheint es so, dass Bischof Felix Gmür genau das Gegenteil gemacht hat», sagt Peterer. Sie ermutigt Betroffene, sich dennoch zu melden.

Annalena Müller

Was haben Sie gedacht, als Sie von dem Umgang des Bistums Basel mit dem Missbrauchsfall gehört haben?

Vreni Peterer*: Als Betroffenenorganisation sind wir erschüttert und geschockt über das Vorgehen von Bischof Felix Gmür. Es gibt aber auch meine persönliche Betroffenheit. Als Opfer von sexuellem Missbrauch durch einen katholischen Priester hat mich die Information, dass Bischof Gmür Tagebuchnotizen und Kontaktdaten des Opfers an den Täter weitergegeben hat, aufs heftigste getriggert.

Muss Bischof Felix Gmür um Gelder aus Luzern bangen?
Muss Bischof Felix Gmür um Gelder aus Luzern bangen?

Das ist schrecklich…

Peterer: Ich hätte nie gedacht, wieder in diesem Masse in die Hilflosigkeit eines Opfers zu geraten. Erst als ich mich einer neutralen Person anvertrauen konnte, fand ich von der Opferrolle wieder in die Rolle einer starken Überlebenden. In diesem Moment überfiel mich eine Angst vor dem 12. September, wenn der Öffentlichkeit die Pilotstudie präsentiert wird.

«Wir hoffen und erwarten, dass es spätestens ab dem 12. September auch eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene gibt.»

Inwiefern?

Peterer: Um mich mache ich mir keine Sorgen, da ich gute Leute um mich habe, die mich in schwierigen Situationen auffangen. Vielmehr denke ich an Betroffene, die von Inhalten der Studie getriggert werden könnten. Wir hoffen und erwarten, dass es spätestens ab dem 12. September auch eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene gibt.

Das Bistum gibt die Schuld an den «Verfahrensfehlern» dem Offizial, der den Fall bearbeitet hat. Wie stehen Sie als Betroffenenorganisation zu einem solchen Abschieben der Verantwortung?

Peterer: «Abschieben» ist das treffende Wort dafür! Weshalb kann Bischof Gmür nicht hinstehen und klar sagen: «Ich bin der Bischof und trage die Verantwortung für diesen Verfahrensfehler». Die IG MikU erwartet, dass Missbrauchsfälle ausnahmslos Chefsache sind.

Zeichen gegen Missbrauch – Katholikinnen und Katholiken demonstrierten für eine demokratischere Kirche.
Zeichen gegen Missbrauch – Katholikinnen und Katholiken demonstrierten für eine demokratischere Kirche.

Hätte das Opfer nicht die Medien eingeschaltet, wäre wohl bis heute nichts geschehen. Erst auf den Druck des «Beobachter» hat Felix Gmür am 4. Juli diesen Jahres die Akten schliesslich nach Rom gesandt. Was sagen Sie als Betroffenenorganisation dazu?

Peterer: Unsere Erfahrung zeigt, dass es nicht das erste Mal war, dass von kirchlicher Seite erst reagiert beziehungsweise gehandelt wird, wenn Druck von den Medien kam.

«Bischof Felix hat grossen Schaden angerichtet und Vertrauen zerstört.»

Was bedeutet das Basler Versagen für die Glaubwürdigkeit der Schweizer Kirche in Sachen Missbrauchsverfolgung?

Peterer: Bei jeder sich bietenden Gelegenheit versichert die Kirche öffentlich, dass der Schutz von Betroffenen an erster Stelle stünde. Aber nun scheint es so, dass Bischof Felix Gmür genau das Gegenteil gemacht hat. Mit der Aushändigung von persönlichen Tagebuchnotizen und den Kontaktdaten des Opfers an den Täter hat Bischof Felix grossen Schaden angerichtet und Vertrauen zerstört. Glaubwürdigkeit wurde verspielt.

Was sagen Sie Missbrauchsbetroffenen, die von den Vorkommnissen im Bistum Basel abgeschreckt sind?

Peterer: Trotz dem absolut unverständlichen und unverzeihlichen Handeln von Bischof Felix ermutigt die IG MikU Betroffene, sich dennoch zu melden und über erfahrene Missstände zu reden. Es ist der einzige Weg, um Gerechtigkeit zu erfahren und etwas zu ändern.

*Vreni Peterer (62) ist Präsidentin der «Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld». Sie ist selbst Opfer von sexuellem Missbrauch. Als zehnjähriges Mädchen wurde sie von einem Priester der katholischen Kirche vergewaltigt. Dieser war vorgängig in einer anderen Pfarrei tätig, wo er in den Fünfzigerjahren zu vier Monaten Gefängnis bedingt verurteilt worden war, weil «er im Unterricht den Mädchen etwas zu nahe gekommen ist».

Anlaufstellen für Missbrauchsbetroffene

Eine Liste mit kirchlichen und weiteren Anlaufstellen für Missbrauchsbetroffene ist hier zu finden.

Für eine unabhängige Beratung ist die «Opferhilfe Schweiz» zu empfehlen.

Wer die eigene Geschichte öffentlich machen möchte, kann sich an die Redaktion von kath.ch wenden. Diese betreibt einen kritischen und unabhängigen Journalismus. Die Redaktions-Mailadresse lautet redaktion@kath.ch.


Vreni Peterer, Missbrauchsopfer und Präsidentin IG Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld | © telezueri.ch
22. August 2023 | 17:15
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