Urs Brosi, Generalsekretär RKZ
Schweiz

Bistum Basel: Urs Brosi vermutet «Defizit an Professionalität»

Der Generalsekretär der RKZ, Urs Brosi, äussert sich zum Missbrauchsfall im Bistum Basel. Die kirchenrechtliche Bestimmung, wonach «in diesen Verfahren gegen Priester nur Priester richten und nur Priester klagen dürfen», sei ein antiquiertes Standesdenken. Um die Glaubwürdigkeit für interne Strafverfahren zurückzugewinnen, brauche es Frauen in der Voruntersuchung, im Richterkollegium und in der Funktion der klagenden Kirchenanwältin.

«Haben die berichteten und teilweise eingestandenen Fehlleistungen eher mit einem Defizit an Professionalität oder mit einem Fehler in der Prioritätensetzung (Schutz für Kirche und Täter statt für die Opfer) zu tun? Ich vermute eher ersteres. Positiv ist ja, dass der Bischof über den beschuldigten Priester ein Tätigkeits- und Kontaktverbot verhängte und eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft veranlasste. Also eher kein Vertuschen und kein Täterschutz, auch wenn die Meldung nach Rom 2019 fälschlicherweise unterblieb.

«Eine Pflicht zur Aussage und zur Wahrheit gibt es nur für die Zeuginnen und Zeugen.»

Mich irritiert jedoch, dass die Voruntersuchung nicht nur wegen einer fehlenden Unterschrift des mutmasslichen Opfers, sondern auch aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung des beschuldigten Priesters abgeschlossen worden sein soll – wenn dies denn stimmt. Denn gleich wie in der staatlichen Strafprozessordnung (Art. 113 StPO) gilt im kirchlichen Recht, dass eine beschuldigte Person sich nicht selbst belasten muss und nicht verpflichtet ist, eine Straftat einzugestehen (can. 1728 CIC). Sie darf schweigen. Eine Pflicht zur Aussage und zur Wahrheit gibt es nur für die Zeuginnen und Zeugen.

Bischof Felix Gmür
Bischof Felix Gmür

Was mich in diesem Zusammenhang wirklich ärgert, ist die kirchenrechtliche Bestimmung, wonach in diesen Verfahren gegen Priester nur Priester richten und nur Priester klagen dürfen. Denn «das Amt des Richters und Kirchenanwalts [können] nur Priester gültig ausüben» (Art. 13 Normae de gravioribus delictis, Stand 2021).

«Dies widerspricht der geforderten Unparteilichkeit des Gerichts.»

Die Bestimmung offenbart nicht nur das antiquierte Standesdenken, sondern schafft auch eine Nähe zwischen der beschuldigten Partei und dem Richterkollegium. Dies widerspricht der geforderten Unparteilichkeit des Gerichts. Vor allem mangelt es damit aber auch häufig an Fachkompetenz im Umgang mit potenziellen Sexualstraftätern. Wenn die Kirche für ihre internen Strafverfahren etwas Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will, indem sie Unparteilichkeit und Professionalität stärkt, muss diese Bestimmung weg, und dann gehören auch Frauen in die Voruntersuchung, ins Richterkollegium und in die Funktion der klagenden Kirchenanwältin.

Papst Franziskus
Papst Franziskus

Als kleiner Lichtblick: Papst Franziskus hat es in seinem Schreiben zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs ausdrücklich als «zweckmässig» beurteilt, wenn die Bischöfe sich von «qualifizierten Personen», auch von Nichtpriestern, in den Abklärungen für ein Strafverfahren gegen Priester unterstützen lassen (Vos estis lux mundi, 2019 und 2023, Art. 14).»

Das schreibt Urs Brosi auf Anfrage von kath.ch. Der Kirchenrechtler und Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) äussert sich zum Missbrauchsfall im Bistum Basel, den der «Beobachter» aufgedeckt hat. Ein Priester aus Nigeria hat eine Minderjährige in den 1990er-Jahren jahrelang missbraucht. Bischof Felix Gmür hat kein kirchenrechtliches Strafverfahren eröffnet, ebenso wenig wurden die Akten nach Rom geschickt. Die Unterlagen schickte der Basler Bischof erst am 4. Juli 2023 in den Vatikan. (jas)


Urs Brosi, Generalsekretär RKZ | © Regula Pfeifer
21. August 2023 | 12:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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