P. Olivier Bagnoud während einer Heilungsmesse
Story der Woche

Vom Bischof verboten: Wer sind «Koinonia» und ihr Anführer Olivier Bagnoud?

Der Bischof von Lausanne-Genf-Freiburg, Charles Morerod, hat die charismatische Gemeinschaft «Koinonia Johannes der Täufer» verboten. Recherchen von kath.ch zeigen: Die Gemeinschaft hat sektenhafte Züge. Ihr Anführer veranstaltet Heilungsmessen und glaubt, jesuanische Wunder bewirken zu können.

Annalena Müller

Das Aus des Schweizer Ablegers der «Koinonia Johannes der Täufer» kam überraschend. Die kleine Gruppe besteht aus vier Laien und dem Priester Olivier Bagnoud. Letzterer zelebriert Heilungsmessen. Zusammen bewohnen sie ein Haus in Semsales (FR). Das Haus muss die Gruppe bis zum Sommer räumen. Spirituelle Tätigkeiten sind ihnen ab sofort verboten.

Eine Mauer des Schweigens

Wer aber sind die «Koinonia» und warum wurden sie jetzt verboten? Versuche, mehr über die Gruppierung zu erfahren, gestalten sich schwierig. Niemand möchte oder darf reden. Kontaktversuche mit der Gemeinschaft laufen ins Leere. Anrufe werden nicht abgenommen. Und wenn doch, bleibt der versprochene Rückruf aus.

Pater Olivier Bagnoud, Priester und Leiter der Gemeinde, erklärt sich bereit, schriftlich auf Fragen zu antworten. Tut es aber nicht. Er sendet schliesslich ein allgemeines Statement. Die evangelisierende Gemeinschaft «Koinonia» wirkt sektenhaft verschlossen.

Das Haus der Gemeinschaft in Semsales (FR)
Das Haus der Gemeinschaft in Semsales (FR)

Auch ihre direkte Nachbarschaft gibt sich zurückhaltend. Déogratias Ahishakiye ist Moderator des Pfarreiverbundes St-Denis-Veveyse, zu dem Semsales gehört. Trotz der pastoralen Nachbarschaft mit der «Koinonia» habe man nicht viel miteinander zu tun, sagt er. Skandale seien ihm keine bekannt. Ahishakiye verweist auf Bischof Charles Morerod.

Bischof Morerod nutzt rechtlichen Spielraum aus

Immerhin: Charles Morerod ist bereit zu reden. Im Gespräch mit kath.ch erklärt er, dass er und die Gemeinschaft im Juni 2020 ein Niederlassungsabkommen unterzeichnet haben. Was Morerod zu diesem Zeitpunkt nicht weiss: Zwei Monate zuvor hat das «Dikasterium für Laien, die Familie und das Leben» der «Koinonia» die Anerkennung verweigert.

Charles Morerod
Charles Morerod

Rein rechtlich ist eine solche Verweigerung folgenlos. Diözesanrecht erlaubt einem Bischof, auch eine nichtanerkannte Gemeinschaft zu beherbergen. Umgekehrt gilt aber auch: Da beim Abkommen nicht alle Informationen offengelegt wurden, kann der Bischof die diözesane Anerkennung zurückzuziehen. Von diesem Recht hat Morerod am 20. März Gebrauch gemacht.

Misstrauen gegenüber charismatischen Gemeinschaften wächst

In den letzten Jahren ist bei Morerod das Misstrauen gegenüber charismatischen Gemeinschaften gewachsen. Was den Bischof besonders besorgt: «Wir haben immer wieder gesehen, dass einige dieser Gemeinschaften sektenhafte Züge entwickeln. Dies öffnet Tür und Tor für Missbrauch jeglicher Art.»

Auch die Gemeinschaft "Verbe de Vie" wird aufgelöst
Auch die Gemeinschaft "Verbe de Vie" wird aufgelöst

Tatsächlich haben sich die Skandale um charismatische Gemeinschaften gemehrt. Und auch deren Auflösungen. Allein in der Diözese Lausanne-Genf-Freiburg sind aktuell drei Gemeinschaften betroffen.

«Verbe de Vie» befindet sich seit vergangenem Sommer in Auflösung. Die Skandale um die «Gemeinschaft der Seligpreisungen» sorgen für Zerfallserscheinungen. Die französische Zeitung «La Croix» hatte sie Anfang des Jahres publik gemacht. Und nun muss «Koinonia» die Diözese verlassen.

Erst Rückzug, dann Verkündigung

Im Jahr 1979 gründet der 1936 geborene Argentinier Pater Ricardo Argañaraz die «Koinonia Johannes der Täufer» in Italien. Auf ihrer Website ist zu lesen, dass in der Gründungsphase die Anhängerinnen und Anhänger urchristliche und frühmonastische Motive aufgriffen. Wie die Wüstenväter leben die Mitglieder zunächst zurückgezogen. Sie widmen sich dem Gebet und der Erfahrung Gottes.

In der zweiten Phase kommen Verkündigungsaktivitäten hinzu. Laut der deutschsprachigen Webseite besteht die Gemeinschaft weltweit aus 10’000 Mitgliedern. Diese sollen auf fünf Kontinenten aktiv sein. Recherchen von kath.ch in Deutschland haben ergeben, dass hier Zweifel angebracht sind. Die Gemeinschaft scheint weniger weit verbreitet, als von ihr selbst angegeben.

Ricardo Argañaraz 2021
Ricardo Argañaraz 2021

Auch mit Rom gibt es früh Probleme. 1999 muss ihr Gründer, Argañaraz, auf Druck aus Rom alle Leitungsfunktionen abgeben. Es gibt Gerüchte über finanzielle Veruntreuung. Vielleicht auch andere Vorfälle. Genaues ist nicht bekannt. Mögliche Beweise sind nicht öffentlich.

Heilungsmessen mit Tanz

In der Schweiz ist «Koinonia» seit 2012 aktiv. Zunächst in Form ihres spirituellen Anführers, des Priesters Olivier Bagnoud. Dieser zelebriert «Heilungsmessen». Zunächst im Bistum Sitten, der Heimat von P. Bagnoud. Ab 2014 nur noch im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg. Bagnoud glaubt, eine Gabe zur Heilung zu haben. In Gottesdiensten, deren Form an Freikirchen erinnert, beten und tanzen die Gläubigen. In einer Art Ekstase bitten sie Gott um Heilung von ihren Leiden. Auf YouTube kann man sich Videos dieser Messen anschauen.

Auf der Webseite der Schweizer «Koinonia» finden sich weitere Heilungszeugnisse. Zum Beispiel das von Véronika. Sie berichtet, dass die Gebete von Bagnoud sie von ihrer starken Kurzsichtigkeit und von Sodbrennen befreit haben. Noch weiter geht der Fall der Polin Magda. Infolge einer genetischen Krankheit habe sie kaum noch gehen können. Auf einem Kongress in Prag hätten die Gebete des Bagnoud sie geheilt.

Bagnoud glaubt an seine Wunder

Bagnoud suggeriert, dass er Blinde wieder sehen und Lahme wieder gehen lassen kann. Natürlich sagt er nicht, dass er Jesus sei. Wahrscheinlich glaubt er das auch nicht. Aber er scheint zu glauben, dass seine Gebete jesuanische Wunder bewirken.

Die Amtskirche teilt diesen Glauben nicht. Das Bistum Sitten hat ihm schon 2014 untersagt, spirituell tätig zu sein. Nun folgt mit Lausanne-Genf-Freiburg auch das zweite Westschweizer Bistum.

Olivier Bagnoud sendet täglich auf YouTube
Olivier Bagnoud sendet täglich auf YouTube

Aber Bagnoud hat Anhängerinnen und Anhänger. Auf seinen YouTube-Kanal sind 1350 Personen abonniert. Er stellt täglich Videos online. Die «Parole de Dieu pour ce jour» («Wort Gottes zum heutigen Tag») werden im Schnitt 100-mal angeklickt. Das Verbot durch den Bischof hat daran nichts geändert.

Unklar wie es weitergeht

Für die Mitglieder der Gemeinschaft ist das Ende der «Koinonia» potentiell dramatisch. Ausser Bagnoud verfügt keines der Mitglieder über einen Schweizer Pass. Eine der Frauen stammt aus Burkina Faso, die beiden anderen sowie der Bruder kommen aus Osteuropa. Ob und wo sie bleiben können, ist unklar.

Auch für den Priester wird es eng. In der Westschweiz kann er nicht mehr wirken. Die Frage, wie und wo es für ihn weitergeht, bleibt – wie alle anderen Fragen – unbeantwortet.

In einer früheren Version des Artikels hiess es, dass Olivier Bagnoud im Bistum Sitten zum Priester geweiht wurde. Bagnoud wurde jedoch 2008 in Oberitalien zum Priester geweiht. Das hat die Redaktion am 1. April 2023 korrigiert.


P. Olivier Bagnoud während einer Heilungsmesse | © youtube
31. März 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Statement der Gruppe

Auf konkrete Fragen wollte Pater Olivier Bagnoud nicht antworten. Per Whatsapp sendet er folgendes Statement:

«Wir haben die Entscheidung des Bischofs Charles Morerod zur Kenntnis genommen. Wir respektieren diese Entscheidung. Wir werden also die Diözese in dem vom Bischof festgelegten Zeitraum verlassen. Mit freundlichen Grüssen P. Olivier Bagnoud.» (am)