In Gelb-Weiss, in den Farben des Vatikans, kickt das Frauenfussballteam, das 2018 gegründet wurde.
Vatikan

Vatikan fördert Frauenfussball: Wie «Calcio» im Kirchenstaat immer bedeutsamer wird

Kommt es bald zu einem Fussball-Match des Vatikan gegen die «Squadra Azzurri»? Der Heilige Stuhl zeigt neuerdings Ambitionen in Sachen «Calcio». Journalist Ulrich Nersinger hat die «Himmelsstürmer» unter die Lupe genommen – auch den Frauenclub in der Männerbastion Vatikan.

Wolfgang Holz

Eigentlich gibt es nur einen Tennisplatz im Vatikan. Seit 1977 entstand im Norden der Vatikanstadt ein eigener Court. Kleriker wie Laien jagen seither mit grosser Begeisterung dem Filzball hinterher. Doch eigentlich treibt schon jahrhundertelang eine ganz andere sportliche Leidenschaft den Kirchenstaat um: Der «calcio». Zu deutsch: Fussball.

Ursprünglich rugbyartiges Spiel

Wobei «calcio» ursprünglich ein altitalienisches, insbesondere florentinisch rugbyartiges Fussballspiel meint: den «calcio fiorentino». Ausgerechnet eine Partie dieser mittelalterlichen Kick-Variante, die mit Kostüm und harten Bandagen in den obersten Adelsschichten von Florenz ausgetragen wurde, fand 1521 im Belvederehof des päpstlichen Palasts statt.

Der deutsche Vatikan-Kenner und Journalist Ulrich Nersinger hat das Buch "Himmelsstürmer" geschrieben.
Der deutsche Vatikan-Kenner und Journalist Ulrich Nersinger hat das Buch "Himmelsstürmer" geschrieben.

Wie Ulrich Nersinger in seinem Buch «Himmelsstürmer» beschreibt, einer Geschichte des vatikanischen Fussballs, verfolgte Papst Leo X. den Match vom Borgiaturm aus. Für Historiker steht heute mit grosser Wahrscheinlichkeit fest, dass sich drei Päpste in ihrer Jugend am «calcio fiorentino» ergötzt haben, allesamt Florentiner.

Historie des Fussballs

Doch nicht nur diese historischen Wurzeln des Fussballs im Vatikan begründen die aktuelle Fussballleidenschaft im Papststaat. Nersinger, seit Jahrzehnten profunder Kenner des Vatikans, erkennt als Journalist dafür auch andere Signale in seiner Monographie – die kurz und bündig und sehr unterhaltsam geschrieben ist. Und nicht nur das: Sie skizziert auch in einem knappen Abriss die Historie des Fussballs insgesamt.

«Der FC Guardia Svizzera trägt seit vielen Jahren Spiele aus.»

Ulrich Nersinger, Journalist und Buchautor

«Da ist nämlich zum einen die Tatsache, dass der FC Guardia Svizzera, die 1975 etablierte Fussballmannschaft der Schweizergarde, seit vielen Jahren Spiele austrägt», so der 65-jährige Autor. Zum anderen gebe es seit den 1970er Jahren eine eigene vatikanische Fussballliga, in der heute bis zu zwölf Mannschaften mitkicken und einen Meister ermitteln.

Mitarbeiter der Kirchenstaatsverwaltung

Die Spieler rekrutieren sich aus Mitarbeitenden der Kirchenstaatsverwaltung. Wie etwa aus Personen der vatikanischen Museen. Des «Osservatore Romano». Der vatikanischen Gendarmerie. Gespielt wird jeweils auf verschiedenen Fussballplätzen in der heiligen Stadt. Wo eben gerade etwas frei ist. Hintergrund für die Gründung der Fussballliga war auch, dass man etwas für die körperliche Fitness der Vatikanmitarbeiter tun und das Gemeinschaftsgefühl unter den Angestellten steigern wollte.

Hoher Fussballbesuch im Vatikan: Der damalige Nati-Trainer Vladimir Petkovic (links) und Granit Xhaka (rechts).
Hoher Fussballbesuch im Vatikan: Der damalige Nati-Trainer Vladimir Petkovic (links) und Granit Xhaka (rechts).

Aber auch die Päpste selbst haben seit besagtem Papst Leo X. entsprechende Ambitionen in Sachen Fussball entwickelt. Insbesondere unter Papst Paul VI. «fand der Fussball im kleinsten Staat der Welt definitiv eine Heimstatt und Organisation», wie Nersinger schreibt. Für das Spiel und die Spieler hatte er stets offene Ohren. Die Fussballpioniere waren, wie gesagt, die Schweizergardisten.

Heiliger Vater seit frühester Jugend Fussballfan

Papst Johannes Paul II. war seit frühester Jugend ebenfalls ein bekennender und leidenschaftlicher Fussballfan. In seiner Heimat Polen kickte er zusammen mit Schülern des Pallottiner-Ordens. Während seines Deutschlandbesuchs 1987 feierte Karol Wojtyla im Gelsenkirchener Parkstadion eine Messe. Danach wurde der Pontifex in dem Ruhrpott-Verein Schalke 04 zum Ehrenmitglied ernannt. Bei Schalke kickten ja früher zahlreiche polnischstämmige Stars wie Ernst Kuzorra oder «Stan» Libuda. Ehrenmitglied wurde der Papst später übrigens auch noch beim FC Barcelona und bei Real Madrid.

«Im Fussball ist kein Platz für Individualismus.»

Papst Franziskus

Und natürlich ist auch Papst Franziskus, aus Argentinien stammend, dem Heimatland des legendären Diego Maradona, ein grosser Fussball-«Tifoso». Schon früh wurde der 1936 in Buenos Aires geborene Jorge Bergogli Anhänger der Stadtclubs San Lorenzo. Für ihn ist Fussball «schlichtweg die schönste Sportart der Welt.»

Papst Franziskus.
Papst Franziskus.

In einer Ansprache an die Fussballmannschaften Argentiniens und Italiens anlässlich eines Freundschaftsspiels 2013 strich Papst Franziskus auch die moralischen Werte des «calcio» hervor.

«Im Fussball ist kein Platz für Individualismus», sagte Papst Franziskus. «Sondern alles ist Koordination für die Mannschaft. Diese drei Dinge: Schönheit, Selbstlosigkeit und Kameradschaft sind vielleicht in einem Begriff des Sports zusammengefasst, den man nie aufgeben darf: Amateur.» Hehre Worte in Zeiten sündhaft teuer bezahlter Profis. Und doch treffen sie den Kern des Fussballs. «Denken Sie daran, bevor sie Champions sind – sind sie Menschen.»

Seit 2018 kicken die «Donne»

Die eigentliche Überraschung, die Autor Ulrich Nersinger in seinem dünnen Bändchen für die Leserinnen und Leser in Sachen Vatikanfussball bereithält, ist die Tatsache, dass dort seit 2018 auch die «donne» recht dribbelstark am Ball sind. Will heissen: Frauenfussball ist im Gegensatz zu anderen Frauen-Tabus in der katholischen Kirche kein Problem. Im Gegenteil.

In der Kabine: Die "Donne" des vatikanischen Fussballteams.
In der Kabine: Die "Donne" des vatikanischen Fussballteams.

«Wir wurden sogar ermutigt!», wird Danilo Zennari, einer der Geburtshelfer des vatikanischen Frauenfussballvereins «Donne in Vaticano» im Buch zitiert. Kein Wunder. Denn rund 1000 Frauen arbeiten heute im Vatikan. Da klingt es fast selbstverständlich, wenn Frauen auch Fussball spielen wollen. Derzeit zählt der Klub rund 25 Spielerinnen. In den päpstlichen Farben, mit weissen Shorts und gelben Shirts, treten sie zu Matches an.

Eklat bei erstem Länderspiel

Eines ihrer ersten «Länderspiele» endete allerdings 2019 mit einem Eklat. Denn gegen den FC Mariahilf in Wien zeigten einige der österreichischen Spielerinnen auf ihren Körper gemalte Eierstöcke und Pro-Abtreibungs-Slogans. Auch Zuschauer missbrauchten das Spiel für politische Botschaften, mit Transparenten in Regenbogenfarben und anti-homophoben Sprüchen. Die Vatikanspielerinnen sagten das Spiel am Ende ab – haben aber den Spass am Fussball nicht verloren.

Das Fussballtrikot des Vatikans gibts in Souvenirshops zu kaufen und ist heiss begehrt.
Das Fussballtrikot des Vatikans gibts in Souvenirshops zu kaufen und ist heiss begehrt.

Angesichts der bereits quasiexistenten «Frauen-Vatikan-Nati» fragen sich so manche Fussball-Tifosi, ob es nicht in naher Zukunft auch eine Männernationalmannschaft geben könnte. Nach dem Motto: Der Vatikan tritt der Fifa bei und nimmt künftig an Welt- und Europameisterschaften teil. Ein gelbschwarzes Nationaltrikot, das eine gewisse Ähnlichkeit zu dem von Borussia Dortmund aufweist, existiert bereits und erfreut sich im Souvenirshop des Vatikans einer regen Nachfrage.

Wird es jemals eine Vatikan-Nati geben?

Doch, ob es jemals wirklich so weit kommt? Denn einerseits hat die «Stammelf» des Vatikans, der FC Guardia, aufgrund der dichten Dienstpläne der Schweizergarde nicht immer Zeit zum Kicken. «Andererseits verfügen ausser der Schweizergarde kaum Personen im Vatikan über die Staatsbürgerschaft des Kleinstaats», gibt Ulrich Nersinger zu bedenken. «Und das wäre ja die Grundbedingung für eine Nationalmannschaft.»

Vermutlich bleibt es also auch in Zukunft eher bei ausländischen Freundschaftsspielen des Vatikans. Mit dem Segen von ganz oben. Vom Fussballgott höchstpersönlich. 

Das Buch «Himmelsstürmer» von Ulrich Nersinger hat 70 Seiten und ist 2022 im Verlag Petra Kehl erschienen.


In Gelb-Weiss, in den Farben des Vatikans, kickt das Frauenfussballteam, das 2018 gegründet wurde. | © zVg
2. September 2022 | 13:30
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