Wilf Gasser, Ina Praetorius und Norbert Bischofberger in der Sternstunde Religion
Schweiz

Überraschend viel Verständnis in der Genderdebatte

Zürich, 21.1.18 (kath.ch) Dass man auch ganz sachlich über das umstrittene Thema «Gender» diskutieren kann, zeigten die evangelisch-reformierte Theologin Ina Praetorius und der Arzt und Sexualtherapeut Wilf Gasser, Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz, in der «Sternstunde Religion» vom 21. Januar. Eine TV-Kritik von kath.ch-Redaktorin Sylvia Stam.

Mit «Kampfbegriff Gender» war die Sendung übertitelt. Mehr Verständnis als Kampf war allerdings im Gespräch zwischen Gasser und Praetorius zu spüren. Als Knackpunkt stellte sich einzig im letzten Drittel der Sendung der Umgang mit Transmenschen heraus. Mit Menschen also, deren «inneres Wissen, welches Geschlecht sie haben», so die Worte eines Betroffenen in der eingeblendeten Filmsequenz, nicht mit ihrem biologischen Körper übereinstimmt.

«Ich kann doch als Mann nicht wissen, wie eine Frau sich fühlt!»

Während Ina Praetorius den Respekt betonte, den sie vor der Äusserung eines solchen Menschen habe, meldete Wilf Gasser genau hier ernsthafte Zweifel an: «Ich kann doch als Mann nicht wissen, wie eine Frau sich fühlt!» Wenn dieses subjektive Gefühl als Realität bezeichnet werde gegenüber dem real vorhandenen Geschlecht, dann sei das pure Ideologie, ereiferte sich Gasser.

Als Analogie nannte er das Beispiel einer Magersüchtigen, die auch bei einem Gewicht von 40 Kilogramm noch das Gefühl hatte, sie sei zu dick. In der Psychologie seien Gefühl und Wahrnehmung etwas sehr Subjektives, so der Psychologe. Natürlich nehme er das Gefühl ernst, dass ein Mensch daran leiden könne. «Ich bezweifle jedoch, dass eine Geschlechtsumwandlung seine Identitätsfragen löst. Die inneren Identitätskonflikte können nicht mit äusseren Massnahmen gelöst werden.»

«Du bist akzeptiert, so, wie du bist.»

Wie eine solche Lösung aussehen könnte – Gasser sprach von einem gemeinsam zu gehenden Weg – blieb leider offen. Er zog lediglich in Betracht, dass es sich bei diesem subjektiven Gefühl um eine «Momentaufnahme» handeln könnte. Dass einer Geschlechtsumwandlung oftmals ein jahrelanges Leiden vorausgeht, wie aus der zweiten Filmsequenz deutlich wurde, thematisierte er nicht. Hier hätte man sich ein Nachhaken des Moderators Norbert Bischofberger gewünscht.

Praetorius hielt dem gegenüber, wenn die Vielfalt vor der Zweiheit bevorzugt würde, hätten Transmenschen weniger Probleme. Diese müssten dann auch nicht auf der operativen Ebene gelöst werden. Die Vielfalt und Offenheit, das sei für sie auch in der biblischen Botschaft enthalten: «Du bist akzeptiert, so, wie du bist, und nicht so, wie dich irgendein System haben will».

«Innere Veränderung basiert auf grundsätzlicher Annahme.»

Genau dies sei auch der Ansatzpunkt für jede Veränderung, hakte Gasser zustimmend ein: «Echte, innere Veränderung, wie man sich selber sieht, basiert immer auf dieser grundsätzlichen Annahme, die jemand erfahren muss», so sein Schlussvotum.

Die Diskussion, zu der auch der Churer Bischof Vitus Huonder eingeladen gewesen wäre, verlief insgesamt überraschend harmonisch und deutlich weniger emotional, als sie etwa in Kommentaren auf Social Media geführt wird. Das hinterliess da und dort das Gefühl, die Referenten hielten sich etwas zurück. Dennoch ist der Debatte um die Gender-Thematik zu wünschen, dass sie mehr in der direkten Begegnung und auf solch sachliche Weise geführt wird. Vielleicht braucht es dazu die laufenden Kameras eines öffentlich-rechtlichen Senders.

Wilf Gasser, Ina Praetorius und Norbert Bischofberger in der Sternstunde Religion
21. Januar 2018 | 17:27
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