(v.l.n.r.) J. El Sonbati, S. Halilovic, J. Projer, M. BenMrad, N. Blancho, H. Stamm
Schweiz

TV-Kritik zur Islam-Arena: Die Frage nach der Angst blieb auf der Strecke

Zürich, 2.4.16 (kath.ch) Über die «Angst vor dem Islam» sollte in der «Arena»-Sendung auf SRF1 vom 1. April diskutiert werden. Obschon die Mischung der Gäste diesmal ausgewogen war, blieb das Thema aufgrund polarisierender Einzelpersonen weitgehend auf der Strecke, findet kath.ch-Redaktorin Sylvia Stam in ihrer Fernseh-Kritik.

Und sie bewegt sich doch, die Arena! Ebenso wenig und ebenso langsam wie die katholische Kirche, aber immerhin: Standen sich vor einem Jahr zum Thema «Islam» noch zwei Extrempositionen gegenüber, so nutze Moderator Jonas Projer das neue Setting mit vier Exponenten, um dieses Mal eine ausgewogenere Mischung in den Ring zu stellen: Mit  Montassar BenMrad, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (Fids) und Sakib Halilovic, Vorstandsmitglied der Vereinigung Islamischer Organisationen Zürich (Vioz), standen zwei Vertreter der beiden grössten muslimischen Dachverbände der Schweiz im Zentrum, die einen gemässigten Islam vertreten. Flankiert wurden sie von Jasmin El Sonbati, Mitbegründerin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, und von Nicolas Blancho, Präsident des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS), der wegen seiner radikalen Positionen immer wieder für Schlagzeilen sorgt.

Die beiden zuletzt Genannten, auch optisch an den beiden äusseren Enden des Halbrings positioniert, sprachen fliessend Schweizerdeutsch– El Sonbati ist Tochter ägyptischer Eltern und Blancho ist Konvertit – während die beiden Mittleren sprachlich als «Fremde» wahrgenommen wurden. Dabei zeigte sich der Waadtländer BenMrad, gebürtiger Tunesier, als energischer Nachfolger von Hisham Maizar, dem verstorbenen Präsidenten der Fids. Dies erstaunt umso mehr, als BenMrad bislang wenig in den Medien präsent war. Wen wundert’s, wenn seine differenzierte Sichtweise etwa zur Frage, ob der Islam ein Gewaltproblem habe, in dieser Sendung so wenig Gehör fand? Vergeblich plädierte er mehrmals dafür, den Blick nicht nur auf ausländische Muslime zu richten, sondern auf jene zu hören, die in der Schweiz leben. Der Frage Projers, ob ein muslimischer Schüler sich weigern dürfe, einer Schweizer Lehrerin die Hand zu geben, wich BenMrad allerdings aus.

Ein Glück, dass er in vielem sekundiert wurde von einem empathischen Halilovic, der obige Frage klar verneinte: Der bosnische Imam von Schlieren, der sich seinen anwesenden Brüdern und Schwestern im Glauben zuwandte und Verständnis für die Ängste in der Schweizer Bevölkerung zeigte, bezog inhaltlich deutlicher, sprachlich jedoch umständlicher Stellung als BenMrad. Seiner Meinung nach hat der Islam kein Gewaltproblem, aber ein Gewaltpotenzial, wie jede Religion. Hier brauche es für die Prävention auch staatliche Hilfe.

Mit Jasmin El Sonbati argumentierte ein erfrischend unverbrauchtes Gesicht aus dem Forum für einen fortschrittlichen Islam. Die einzige Frau im Ring schaffte es, sich im Verlauf der Sendung immer mehr Gehör zu verschaffen, auch wenn sie in der schwierigen Position war, nur wenige Muslime in der Schweiz zu vertreten. Dadurch verlor ihr Hochhalten der Schweizer Verfassung mit deren humanistischen Werten an Gewicht.

Schliesslich Nicolas Blancho, einmal mehr in der Arena, der in bekannter Manier die Haltung des Opfers – oder mit den Worten von El Sonbati: des Märtyrers – einnahm, das unter der Islamophobie der Schweizer Bevölkerung leidet.

Ihm wurde als Gast ein in seiner religionskritischen Haltung ebenso extremer Hugo Stamm, Religionsexperte und Publizist, gegenübergestellt. Dies artete mehrfach in ein lautstarkes Wortgefecht zwischen den beiden aus, das sich endlos um die Huhn-und-Ei-Frage drehte, ob denn nun die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher die Islamophobie in der Schweiz fördere (Stamm) oder diese Islamophobie die Jugendlichen in die Radikalisierung treibe (Blancho).

Das Titelthema der Sendung – Angst vor dem Islam – blieb angesichts solcher Polarisierung weitgehend auf der Strecke. Schade, denn gerade aus dem Publikum kamen lebensnahe Beispiele dafür, wo der Schuh drückt, wie jenes vom muslimischen Schüler, der einer Schweizer Lehrerin den Händedruck verweigerte.
Das Publikum zeigte aber ebenso deutlich, dass alltägliche Schwierigkeiten im gemeinsamen Zusammenleben – als katholische und muslimische Kinder oder als christlich-muslimisches Paar – überwunden werden können. (sys)

 

(v.l.n.r.) J. El Sonbati, S. Halilovic, J. Projer, M. BenMrad, N. Blancho, H. Stamm | © printscreen SRF1
2. April 2016 | 11:54
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!