Charlotte Kreuter-Kirchhof
International

Trotz Kritik von Kardinal Koch: «Der Synodale Weg steht im Einklang mit dem Kirchenrecht»

Die Juristin Charlotte Kreuter-Kirchhof (51) hat in Rom über den Synodalen Weg informiert. Wie erklärt sie sich die vatikanische Skepsis gegenüber dem deutschen Reformprojekt? «Es gibt zu wenige persönliche Begegnungen.» 

Raphael Rauch

Sie haben an der deutschen Botschaft einen Vortrag gehalten. Hat der Nazi-Vergleich von Kurienkardinal Kurt Koch Ihren Rom-Aufenthalt überschattet?

Charlotte Kreuter-Kirchhof*: Nein. Der Botschafter der Bundesrepublik am Heiligen Stuhl hat zu Beginn der Veranstaltung sich dazu geäussert. Er hat den Antisemitismus-Beauftragten Felix Klein zitiert, der gesagt hatte: «Dass der Vergleich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte herhalten muss, um zu einem innerkirchlichen Konflikt Stellung zu beziehen, ist irritierend.»

Charlotte Kreuter-Kirchhof
Charlotte Kreuter-Kirchhof

Kardinal Koch liess mitteilen, er habe mit dem Vergleich «von theologischen Debatten auf dem Synodalen Weg mit den Vorgängen um die sogenannten Deutschen Christen während der Nazizeit keineswegs den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland oder die Synodalversammlung gemeint». Für mich stellt sich die Frage: Wen hat der Kardinal stattdessen gemeint?

Kreuter-Kirchhof: Ich finde, der Botschafter hat klar und deutlich gesagt, was es zu dieser Kontroverse zu sagen gibt. Inzwischen hat ein klärendes Gespräch zwischen Kardinal Koch und Bischof Bätzing stattgefunden. 

«Der Synodale Weg ist kein deutscher Sonderweg.»

In Rom gibt es viele Kritiker des Synodalen Wegs. Wie ist Ihr Vortrag angekommen?

Kreuter-Kirchhof: Ich hatte den Eindruck, dass in Rom Interesse am Synodalen Weg besteht. Der Synodale Weg ist kein deutscher Sonderweg. Er ist eingebunden in den weltweiten synodalen Prozess, den Papst Franziskus angestossen hat.

Der aus St. Gallen stammende Kirchenhistoriker Franz-Xaver Bischof spricht beim Synodalen Weg in Frankfurt.
Der aus St. Gallen stammende Kirchenhistoriker Franz-Xaver Bischof spricht beim Synodalen Weg in Frankfurt.

Sie sind Juristin. Warum sind Sie überzeugt, dass der Synodale Weg nichts Schismatisches hat?

Kreuter-Kirchhof: Am Synodalen Weg wirken hochrangige Kirchenrechtlerinnen und Kirchenrechtler mit. Alle Texte, die wir vorbereiten, werden auch darauf hin geprüft, ob der Inhalt mit dem kanonischen Recht in Einklang steht. Natürlich gibt es Punkte, an denen die Synodalversammlung den Wunsch äussern wird, der Heilige Stuhl möge das Kirchenrecht ändern. Aber das formulieren wir als Anregung. Wir verlassen das kanonische Recht nicht.

«Menschen dürfen nicht wegen ihrer geschlechtlichen Identität oder persönlichen Lebensform diskriminiert werden.»

Trotzdem gibt es einen Zielkonflikt. Wenn jetzt die Bistümer das kirchliche Arbeitsrecht anpassen und auch queeren Menschen eine Missio geben, dann widerspricht das dem Lehramt.

Kreuter-Kirchhof: Hier sind das Forum, das sich mit diesen Fragen befasst, und die Synodalversammlung zu einem anderen Verständnis gekommen: Mehr als 95 Prozent der Synodalen und mehr als 93 Prozent der Bischöfe wollen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes ändern, damit Menschen nicht wegen ihrer geschlechtlichen Identität oder persönlichen Lebensform diskriminiert werden und Geschiedenen nicht gekündigt wird, wenn sie ein zweites Mal heiraten. 

Dorothee Becker leitet eine Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus, Riehen.
Dorothee Becker leitet eine Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus, Riehen.

Das Bistum Essen beginnt mit einer Praxis, die es in den Schweizer Diözesen Basel, Chur und St. Gallen schon länger gibt: Laiinnen und Laien sollen taufen können. Laut Kirchenrecht ist das schon jetzt möglich. Gibt es weitere Beispiele, wo es im bestehenden Recht mehr Spielraum gibt, als wir anwenden?

Kreuter-Kirchhof: Ein weiteres Hoffnungszeichen sehe ich in der Beteiligung von Gläubigen bei der Bestellung von Bischöfen. In Paderborn werden hierzu erste Schritte gegangen. Auch hier müssen wir das kanonische Recht nicht ändern – sondern können schon jetzt voranschreiten. Sehr wichtig ist auch, dass ein Synodaler Rat für die katholische Kirche in Deutschland eingerichtet wird und wir so ein Forum schaffen, in dem Bischöfe und Gläubige miteinander beraten, aufeinander hören und gemeinsam entscheiden. Wir wollen eine synodale Kirche. 

Hat man Ihnen in Rom viele kritische Rückfragen gestellt?

Kreuter-Kirchhof: Natürlich, aber genau das ist doch Synodalität! Wir hören einander zu – erst recht bei kritischen Fragen. Es geht darum, die Perspektive des anderen in den Blick zu nehmen und dann gemeinsam nach Wegen zu suchen. 

«Wir sollten uns viel öfter gegenseitig von unseren synodalen Wegen und Prozessen berichten.»

Welche Erklärung haben Sie für den Argwohn in Rom gegenüber dem Synodalen Weg?

Kreuter-Kirchhof: Es gibt viel zu wenige persönliche Begegnungen. Ein regelmässiger Austausch ist in meinen Augen ein wichtiger Beitrag zu einer synodalen Kirche. Wir sollten uns viel öfter gegenseitig von unseren synodalen Wegen und Prozessen berichten und an den weltweiten Erfahrungen zur Erneuerung unserer Kirche teilhaben lassen.

* Charlotte Kreuter-Kirchhof (51) ist Professorin für Deutsches und Ausländisches Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Juristischen Fakultät der Universität Düsseldorf. Seit 2020 gehört sie dem Vatikanischen Wirtschaftsrat an. Sie ist Delegierte des Synodalen Wegs.


Charlotte Kreuter-Kirchhof | © Synodaler Weg
7. Oktober 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!