Pater Benno Wilhelm Josef Schildknecht OSB
Schweiz

Trotz Demenz konnte Pater Benno Schildknecht das Gloria auf Latein beten

Der Benediktiner-Pater Benno Schildknecht hatte ein erstaunliches Gedächtnis. Doch zuletzt litt er an Altersdemenz. «Pater Benno sagte oft: Der Gedanke ist gerade versunken in den Trümmern meiner Erinnerung», meint Prior Gregor Brazerol. Seit zwei Jahren war Pater Benno blind und fast taub. Am Mittwoch ist er mit 101 Jahren gestorben.

Jacqueline Straub

Ihr Mitbruder, Pater Benno, ist im Alter von 101 Jahren verstorben. Wie haben Sie ihn erlebt?

Pater Gregor Brazerol*: Er war dem Leben zugewandt, fröhlich, sportlich, sinnlich, musikalisch. Er hatte auch Freude an Sprachen und an der Natur. Immer wieder hörte ich von ihm: Oh, das ist aber ein schönes Wort! Er konnte geniessen, war aber kein Genussmensch. Er hatte ein ausserordentliches Gedächtnis für Details und Begebenheiten. Er hatte viele Anekdoten zu erzählen und hatte einen reichen Schatz an Wissen angesammelt. Er war ein frommer Mann, der bis zum Schluss über das Leben gestaunt hat.

«Der Tod war einfach eine Tatsache, die zum Leben dazugehörte.»

An Weihnachten haben Sie noch mit ihm zusammen das Gloria gebetet.

Brazerol: Ja, er konnte es in lateinischer Sprache auswendig, obwohl seine Demenz schon weit fortgeschritten war. Ich habe gespürt, dass er ganz im Glauben lebt, ihn tief verinnerlicht hat.

Wie war es für ihn, all seine Freunde zu überleben?

Brazerol: Er stammt aus einer Generation, in der nicht über Gefühle gesprochen wurde. Er bedauerte es aber, wenn jemand starb. Er hat sich nie mit dem Sterben auseinandergesetzt. Der Tod war einfach eine Tatsache, die zum Leben dazugehörte.

«Ich segnete ihn, er bekreuzigte sich.»

Wie erlebten Sie Ihren Mitbruder die Tage vor seinem Tod?

Brazerol: Seit zwei Jahren war er blind und fast taub. Ob ich oder meine Mitbrüder zu ihm durchdrangen, hing von der Tagesverfassung ab. Ich habe eine intensive Innenwelt bei ihm gespürt. Vor einer Woche war ich noch bei ihm, da hat er mich wahrgenommen. Ich segnete ihn, er bekreuzigte sich. Drei Stunden vor seinem Tod war ein Mitbruder bei ihm. Er war ganz ruhig und ist in den Tod hinübergeschlafen.

Kloster Fischingen
Kloster Fischingen

Wie belastend war die Demenz-Erkrankung für die Mitbrüder?

Brazerol: Belastend ist das falsche Wort. Wir wussten, dass Mitbruder Benno im Heim bestens und liebevoll betreut wird. Bis zum Schluss war er dankbar, höflich und hat wahrgenommen, dass man es gut mit ihm meint. Er war nie böse. Selbst mit seiner Demenz-Erkrankung ist er ein liebenswürdiger Mensch geblieben. Mit ihm haben wir gelernt, ganz in der Gegenwart zu sein. Es ging halt nur noch das, was in diesem Augenblick möglich war.

«Er hat früh bemerkt, dass er Dinge vergisst.»

Was ist Ihnen von Pater Benno besonders in Erinnerung geblieben?

Brazerol: Sehr vieles. Ich habe ihn die letzten 15 Jahre erlebt – also als alten Mann. Er war immer ein freundlicher, humorvoller Mensch. Was mich zuletzt stark beeindruckt hat, war sein Umgang mit der Demenz. Er hat früh bemerkt, dass er Dinge vergisst. Er realisierte, dass er etwas wusste, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern. Er sagte dann: «Das ist gerade versunken in den Trümmern meiner Erinnerung. Ich möchte es jetzt nicht mehr herausgraben.»

Hat ihn seine Demenz-Erkrankung traurig gemacht?

Brazerol: Ja. Es gab auch Momente, in denen er verärgert war. Er sagte dann: «Ich weiss, dass ich es weiss. Aber ich kann es nicht mehr greifen.» In seiner Demenz hatte er kaum einen bewussten Umgang damit.

* Pater Gregor Brazerol (60) ist Prior des Benediktinerklosters Fischingen. Die Abdankung von Pater Benno Schildknecht ist am Mittwoch, 1. Februar, um 10 Uhr in Fischingen.


Pater Benno Wilhelm Josef Schildknecht OSB | © zVg
29. Januar 2023 | 18:55
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