Kerzen für den Frieden in der Ukraine in der Pfarrkirche Näfels GL. Unfrieden herrschte in der Kirchgemeinde selbst nach dem Rücktritt des Kirchenrats.
Schweiz

«Situation in der Kirchgemeinde ist schlimm»: Näfels ringt mit dem dualen System

Die Euphorie währte nicht lange in Näfels. Nach einer Zeit der Entspannung und Harmonie kommt es zum Knall. Am 31. Oktober ist nach nur 17 Monaten im Amt der komplette Kirchenrat zurückgetreten. Was ist da los? Annäherungen an einen Konflikt. Und an die Probleme des dualen Systems.

Wolfgang Holz

«Die Zusammenarbeit zwischen Pfarrei und Kirchenrat ist noch nicht konfliktfrei.» So stand es bereits im Protokoll der Kirchgemeindeversammlung Ende Mai dieses Jahres in Näfels. Trotz ausgewechseltem Rat sei keine Ruhe eingekehrt.

Martin Laupper, zurückgetretener Kirchenratspräsident in Glarus
Martin Laupper, zurückgetretener Kirchenratspräsident in Glarus

Der damalige Präsident Martin Laupper hielt laut Protokoll in seiner Begrüssung fest: «Die aufgerissenen Gräben und Verletzungen der Vergangenheit zeigen Wirkung. Misstrauen, Abgrenzung und Lagerbildung bestimmen aus Sicht des Kirchenrates zu oft die Handlungs- und Gesprächskultur.»

Haussegen hängt schief

Nun herrschen erneut Kirchenknatsch und Disharmonie in Näfels. Der kollektive Rücktritt des Kirchenrats ist ein Knall. Nach nur 17 Monaten im Amt. «Die Situation in der Kirchgemeinde ist schlimm», versichert ein Kirchenmitglied in Näfels, das seinen Namen nicht online lesen möchte.

In Näfels kracht es seit längerem. Kirchgemeindeversammlung am 10. Juni 2022
In Näfels kracht es seit längerem. Kirchgemeindeversammlung am 10. Juni 2022

Man vermute in Kirchenkreisen, dass sich trotz des globalen Rücktritts hinter den Kulissen noch einiges tue. Doch der Haussegen hängt schief. Schon wieder.

Generalvikar Luis Varandas hält sich bedeckt

Für Generalvikar Luis Varandas ist es nicht aussergewöhnlich, dass «dort, wo Menschen zusammenarbeiten, auch Konflikte auftreten können», meint er diplomatisch. Luis Varandas ist als Generalvikar Stellvertreter des Bischofs für die Bistumsregion Zürich-Glarus. Er ist verantwortlich für das kirchliche Personal und die Pastoral in den Kantonen Zürich und Glarus.

Generalvikar Luis Varandas
Generalvikar Luis Varandas

Was das duale System anbelangt, sei dieses erprobt und würde in vielen Pfarreien auch gut funktionieren, so Varandas. Es könnten aber Probleme dort auftreten, «wo eben die duale Zusammenarbeit gefragt ist».

Woran es in Näfels genau liegt, dass es gerade dort nicht so funktioniert und wie es dort jetzt weitergeht, darauf will Generalvikar Varandas nicht näher eingehen. «Das kann ich nicht mitteilen, es gibt interne Dinge zu klären», sagt er gegenüber kath.ch. Die Landeskirche Glarus sei jetzt zuständig dafür, eine Sachwaltung für die Übergangszeit einzusetzen, bis ein neuer Kirchenrat gewählt sei.

4000 Seelen und ein barockes Gotteshaus

Die römisch-katholische Pfarrei Näfels ist eine stattliche Pfarrei, landschaftlich wunderbar gelegen. Sie erstreckt sich vom See bis in die Berge und ist damit die grösste katholische Pfarrei im Dekanat Glarus.

Katholische Kirche Näfels
Katholische Kirche Näfels

Es leben rund 4000 Katholikinnen und Katholiken in diesen Gemeinden. Im Gebiet der Pfarrei befinden sich drei Kirchen und drei Kapellen. Die Kirche St. Hilarius ist ein sehr schönes barockes Gotteshaus.

«Der Fall Näfels ist im Kanton Glarus einzigartig.»

Martin Leutenegger, Präsident Landeskirche Glarus

Doch der schöne Schein trügt. Die römische-katholische Landeskirche Glarus ist derzeit noch auf der Suche nach einem Sachwalter, der neue Kirchenräte finden soll, die dann gewählt werden können. «Wir haben traurigerweise Kenntnis von dem kollektiven Rücktritt genommen», sagt Präsident Martin Leutenegger auf Anfrage von kath.ch.

Martin Leutenegger, der neue Präsident der Glarner Landeskirche.
Martin Leutenegger, der neue Präsident der Glarner Landeskirche.

Er kenne die Interna in der Pfarrei Näfels zu wenig. Und es sei auch nicht an er Landeskirche, eine Meinung über den Vorfall abzugeben. «Der Fall Näfels ist aber im Kanton Glarus schon einzigartig», versichert Leutenegger, der selbst auch seit Jahren als Kirchenrat in Glarus tätig ist. Das duale System würde in Glarus gut funktionieren.

«Im Zentrum steht die Verweigerung des Pfarramtes.»

Martin Laupper, zurückgetretener Kirchenratspräsident

In Näfels offensichtlich nicht. «Der Kirchenrat hatte zunehmend keine Handlungsspielräume mehr, seine Verantwortung nach Gemeindegesetz, Verfassung und dualem System wahrzunehmen», sagt Martin Laupper, seines Zeichens zurückgetretener Kirchenratspräsident gegenüber kath.ch. Und er betont: «Im Zentrum steht die Verweigerung zur konstruktiven Zusammenarbeit seitens des Pfarramtes».

Pfarrer Stanislav Weglarzy von Näfels-Mollis hat gekündigt.
Pfarrer Stanislav Weglarzy von Näfels-Mollis hat gekündigt.

Alle geplanten Geschäfte für die bevorstehende Kirchgemeindeversammlung, insbesondere das Budget der Kirchgemeinde, seien durch entsprechendes Verhalten zeitlich verzögert oder verunmöglicht worden. «Auf diesem Hintergrund hat sich der Kirchenrat entschieden, seine Verantwortung abzugeben.»

Einseitige Dominanz gefährlich

Das duale System versagt seiner Meinung nach nicht nur in St. Hilarius in Näfels. «Das duale System setzt zwingend die Bereitschaft und den Willen beider Parteien – Kirchenbehörde und Pfarramt – für ein respektvolles Miteinander voraus», so Laupper. Sobald eine Seite zu dominieren versuche, würden Konflikte entstehen. «Leider sind die Spiesse für eine Konfliktlösung der beiden Parteien nicht gleich lang.»

Die Wahlurne für die geheime Wahl geht herum: Kirchgemeindeversammlung Näfels am 10. Juni 2022.
Die Wahlurne für die geheime Wahl geht herum: Kirchgemeindeversammlung Näfels am 10. Juni 2022.

Grund: Auf der öffentlich-rechtlichen Seite bestehe ein gesetzlich verankertes Beschwerderecht bis zu einem allfälligen Gerichtsentscheid. Die Kirche setze dagegen, so Laupper, bei Konflikten auf Mediation, auf das Gespräch.

Krise bewältigen – aber wie?

«In einer Krisensituation, wo unmittelbarer Handlungsbedarf vorliegt, ist das nicht das adäquate Mittel zur zeitgerechten Problemlösung. Und bei der personellen Besetzung eines Pfarramtes werden offenbar die persönlichen Voraussetzungen für die duale Zusammenarbeit zu wenig geprüft.» Das duale System sei so angelegt, dass Kompetenzüberschreitungen respektive Einmischungen zwangsläufig entstehen können, sagt Laupper.

Blick zurück auf Konflikt

Ist also der Pfarrer letztendlich der Schuldige für den Konflikt – der ja ein beratendes Mitglied im Kirchenrat ist? Anfang April 2022 hatte sich der Pfarradministrator Stanislav Weglarzy bekanntlich in einer ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung zum Pfarrer wählen lassen. Zuvor war der Kirchenratspräsidentin Daniela Gallati vom Kirchenrat das Vertrauen entzogen und entmachtet worden.

Mariä Verkündigung in der St. Hilarius-Kirche in Näfels
Mariä Verkündigung in der St. Hilarius-Kirche in Näfels

«Übergriffige» Einmischung

Nach Aussagen von Kirchgemeindemitgliedern konnten es beide nicht im täglichen Umgang miteinander. Der Pfarradministrator fühlte sich von der langjährig aktiven und angesehenen Kirchenratspräsidentin «kontrolliert». Andererseits hatte sich der tschechischstämmige Geistliche, der schon mehr als 20 Jahre in der Schweiz arbeitet, offenbar «übergriffig» in das politische Geschehen eingemischt.

«Pfarrer Weglarzy gestaltet die pastorale Seite mit Erfolg.»

Martin Laupper

«Ein Pfarrer hat zwei zentrale Aufgaben: die pastorale Arbeit in der Pfarrei und die konstruktive Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde. Pfarrer Weglarzy gestaltet die pastorale Seite mit Erfolg», versichert der zurückgetretene Kirchenratspräsident.

Und wie sieht der Pfarrer selbst den erneuten Kirchenknatsch in Näfels? «Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich keine Stellung zum Rücktritt des Kirchenrates nehmen möchte», antwortet Pfarrer Stanislav Weglarzy lapidar auf eine Anfrage von kath.ch.


Kerzen für den Frieden in der Ukraine in der Pfarrkirche Näfels GL. Unfrieden herrschte in der Kirchgemeinde selbst nach dem Rücktritt des Kirchenrats. | © Christian Merz
2. November 2023 | 13:00
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