Saïda Keller-Messahli
Schweiz

Saïda Keller-Messahli: «Die EVP gibt mir eine konkrete Chance»

Die Islamismuskritikerin Saïda Keller-Messahli will mit Unterstützung der EVP in den Nationalrat. Die Polit-Quereinsteigerin sieht kein Problem damit, dass sich ihre Überzeugungen nicht eins zu eins mit denjenigen der konservativ-christlichen Partei decken. «Ich kandidiere auf einer unabhängigen Liste und kann deshalb meine Positionen frei vertreten», sagt sie.

Sarah Stutte

Sie kandidieren für den Nationalrat auf der Liste «Ethische Unternehmerinnen und Führungskräfte» und haben sich nun offensichtlich der EVP zugewandt. Warum?

Saïda Keller-Messahli*: Weil die EVP mir eine konkrete Chance gibt, für den Nationalrat zu kandidieren und sie zu einem grossen Teil soziale Werte vertritt, mit denen ich mich identifizieren kann.

Aber in einigen Punkten klaffen Ihre Wertevorstellungen mit denjenigen der EVP sicher auch auseinander. Beispielsweise was das klassische Rollenverständnis betrifft? Da ist die EVP ja eher wertkonservativ.

Keller-Messahli: Teilweise schon, aber ich bin nicht Mitglied einer Partei und muss darum nicht alles nach Parteibüchlein vertreten. Ich kandidiere auf einer unabhängigen Liste von Führungskräften und kann somit meine Positionen ganz frei vertreten.

«Meine Position deckt sich nicht mit derjenigen der EVP, wenn es um die Rechte von homosexuellen Menschen geht.»

Die EVP hat dieselben Positionen wie ich, wenn es um den Sozialstaat geht, der auch für nichtprivilegierte Menschen sorgt. Hingegen deckt sich meine Position nicht mit derjenigen der EVP, wenn es um die Rechte von homosexuellen Menschen geht, insbesondere um deren Recht auf Heirat.

Wo treffen Sie sich? In den Thematiken politischer Islam, Religionsfreiheit und Verhüllungsverbot?

Keller-Messahli: Ich glaube, dass wir uns insbesondere bei der Religionsfreiheit und dem Verhüllungsverbot sehr wohl treffen. Bezüglich der Religionsfreiheit meine ich immer auch die Rechte der Nichtreligiösen.

Beim Verhüllungsverbot haben übrigens alle drei Nationalräte der EVP so wie ich auch für ein Verhüllungsverbot gestimmt. Beim Thema Islamismus hat es bei der EVP, wie bei einigen anderen Parteien, sicher noch Luft nach oben. Die EVP kann hier von meiner Expertise profitieren.

Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam
Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam

Wie kam die unabhängige Liste «Ethische Unternehmer:innen und Führungskräfte» zustande? Und was ist daran der ethische Aspekt?

Keller-Messahli: Alle Kandidaten und Kandidatinnen dieser Liste haben als Unternehmerinnen und Unternehmer oder Führungskräfte den Anspruch, sozial gerecht, umweltfreundlich und nachhaltig zu wirtschaften. Dieser Anspruch verbindet sie. Es ist genau dieser Anspruch, der heute so nottut. 

«Meine Kandidatur soll überraschen.»

Wie sind Sie auf diese Liste gerückt?

Keller-Messahli: Man war der Ansicht, dass ich der Liste als Zugpferd nützlich sein kann. Diese Herausforderung habe ich aus bereits erwähnten Gründen gerne angenommen.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer Kandidatur und was würden Sie als Nationalrätin verändern wollen?

Keller-Messahli: Dass sie überrascht und das tut sie auf breiter Front (lacht). Als Nationalrätin möchte ich unabhängig und nach bestem Wissen und Gewissen die künftige Politik der Schweiz mitbestimmen.

*Saïda Keller-Messahli (66) ist eine tunesisch-schweizerische Romanistin, Filmwissenschaftlerin und muslimische Menschenrechtsaktivistin. Sie ist Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam. Als Islamismus-Expertin hat Sie sich einen internationalen Status erarbeitet. Das Interview wurde schriftlich geführt.


Saïda Keller-Messahli | © Sarah Ley
23. August 2023 | 17:02
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