Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche
Story der Woche

Rückt der Neubau des Luzerner Theaters der Jesuitenkirche auf die Pelle?

Noch ist nichts entschieden. Trotzdem macht sich der Präfekt der Jesuitenkirche in Luzern Sorgen um den sakralen Prachtbarockbau an der Reuss. Das geplante Neue Theater soll nämlich in direkter Nachbarschaft gebaut werden.

Wolfgang Holz

Luzern will ein neues Theater. Die Reussmetropole geniesst ein grosses Renommee als Kulturstadt und will diesen Ruf mit einem Theater-Neubau aufpolieren. Der Neubau soll ein grosser Wurf werden – nach dem Scheitern des seit Jahren geplanten Musiktheaters «Salle Modulable», das aus finanziellen Gründen Schiffbruch erlitt.

Ein Neubau soll es sein

Das 1839 eröffnete und seither mehrmals renovierte Theatergebäude an der Reuss im Stadtzentrum von Luzern ist ziemlich in die Jahre gekommen. Seit dem letzten grösseren Um- und Neubau nach einem Brand sind 90 Jahre vergangen. Eine komplette Renovation und Erneuerung ist dringend nötig.

Die Jesuitenkirche in Luzern: Hier gibt es eine Gedenktafel, die an Pater Martin Schmid erinnert.
Die Jesuitenkirche in Luzern: Hier gibt es eine Gedenktafel, die an Pater Martin Schmid erinnert.

Die Kosten dafür wurden schon 2010 grob auf 45 Millionen Franken geschätzt – für einen grossen Anbau. Ein Neubau würde bis zu 80 Millionen Franken kosten. Das Neue Theater soll künftig nicht nur Produktionen auf modernstem Niveau zur Aufführung bringen. Auch ein Begegnungsort der Generationen ist geplant.

Architekturachse fortsetzen

Was die Architektur betrifft, ist angedacht, dass das Neue Theater eine innerstädtische Achse der Kultur vom Europa- bis zum Theaterplatz fortführt. Hier haben Jean Nouvel mit dem KKL Luzern und Santiago Calatrava mit dem Portikus und der Eingangshalle des Bahnhofs (Hauptarchitekten: Ammann und Baumann) bereits zwei renommierte Architekten Marksteine gesetzt. Der Theaterneubau soll daher mit einem dritten architektonischen Wurf internationale Aufmerksamkeit auf Luzern lenken, wie eine Potenzial-Studie der Universität St. Gallen 2021 postuliert.

Touristen vor der Jesuitenkirche: Links im Hintergrund ist das weisse Gebäude des Luzerner Theaters zu sehen. Dazwischen liegt der Theaterplatz.
Touristen vor der Jesuitenkirche: Links im Hintergrund ist das weisse Gebäude des Luzerner Theaters zu sehen. Dazwischen liegt der Theaterplatz.

Die Kirche ist ein Juwel

So weit so schön. Das Problem an den Theaterplänen ist allerdings: Am Theaterplatz thront bereits ein dominantes architektonisches Gebäude, vis-à-vis vom jetzigen Stadttheater: die Jesuitenkirche – ein Juwel an der Reuss.

«Ich mache mir deshalb Sorgen, dass der Neubau des Theaters sehr nahe an die Jesuitenkirche heranreichen könnte.»

Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche

Gebaut zwischen 1666 bis 1677, ist die Kirche der erste grosse, sakrale Barockbau der Schweiz. Ihr sakrales Vorbild ist «Il Gésu» in Rom. Künstlerisch hervorzuheben sind der Barock- und Rokoko-Stuck, der Hochaltar, die Orgel und der Kirchenschatz.

Konzerte, Gottesdienste, Organistenausbildung

«Dank der eindrucksvollen Akustik des imposanten Kirchenraumes dient die Kirche heute neben Gottesdiensten auch der Ausbildung von Organisten und als Konzertlokalität», sagt Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche und verantwortlich für den Kirchen- und Veranstaltungsbetrieb.

Hansruedi Kleiber,  Präfekt der Jesuitenkirche, öffnet das Gittertor ins herrliche Innere des Kirchenraums.
Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche, öffnet das Gittertor ins herrliche Innere des Kirchenraums.

«Ich mache mir deshalb Sorgen, dass der Neubau des Theaters sehr nahe an die Jesuitenkirche heranreichen könnte.» Was er mit «sehr nahe» meint, kann der frühere Leiter des katholischen Pastoralraums Luzern nicht in Metern präzisieren. «Es geht vor allem um den Lichteinfall – denn wir haben sehr grosse Fenster. Eine allzu grosse Nähe könnte den Lichteinfall in die Kirche beeinträchtigen.»

Erster Jesuit in Luzern nach dem Verbot von 1848

Seit 2006 arbeitet Kleiber als Präfekt der Jesuitenkirche in Luzern in einem 50-Prozent-Pensum. Zuvor war er Provinzial der Schweizer Jesuiten in Zürich und Studentenseelsorger in Basel. Sein Dienstherr ist der Kanton, dem das Gebäude der Jesuitenkirche gehört. Die Luzerner Regierung residiert auch in dem ehemaligen Gebäude der Jesuiten, das direkt an die Jesuitenkirche angebaut ist. Seit dem Jesuitenverbot von 1848 ist Kleiber der erste Jesuit in Luzern, der an der Jesuitenkirche an der Reuss tätig ist.

Trauergemeinde in der Jesuitenkirche während der Gedenkfeier für den berühmten Surseer Theologen Hans Küng.
Trauergemeinde in der Jesuitenkirche während der Gedenkfeier für den berühmten Surseer Theologen Hans Küng.

«Ich kann mir vorstellen, dass das neue Theater massiv grösser wird als das bisherige», befürchtet Kleiber. Andererseits ist er sich sicher, dass es vor dem Bau des Neuen Theaters in Luzern zu einer Volksabstimmung kommt. Auf jeden Fall wird es Einsprachemöglichkeiten geben: «Noch ist nichts Konkretes entschieden, was den Theaterneubau betrifft. Ich warte einfach ab und schaue.»

Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche, auf der Luzerner Kapellbrücke.
Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche, auf der Luzerner Kapellbrücke.

Man darf gespannt sein. Da der Kanton sowohl beim Theaterneubau mitmischt als auch Eigentümer der Jesuitenkirche ist, ist von einer Sensibilität für beide Belange auszugehen. Es könnten aber auch Konflikte entstehen. Denn die Planungen für den Neubau sehen laut einem städtischen Bericht – mit Ausnahme der Grundstücksgrenzen – «keine Vorschriften für den Abstand zur Jesuitenkirche oder zur Reuss vor».

Alternativstandort wurde verworfen

Es hätte auch einen alternativen Standort für das Neue Theater gegeben – doch den haben Luzerner Stadtrat und Projektierungsgesellschaft letztes Jahr verworfen. Der Grund: Die Alternative auf der anderen Seeseite hätte den denkmalgeschützten Musikpavillon und das geschützte Hotel National gefährdet.

Ein Living Stones-Guide mit einer Gruppe in der Jesuitenkirche. Auch die Kirche steht unter Denkmalschutz.
Ein Living Stones-Guide mit einer Gruppe in der Jesuitenkirche. Auch die Kirche steht unter Denkmalschutz.

Wobei dieser Standort eben auch gerade deshalb ausgewählt wurde, um den jetzigen Freiraum zwischen dem alten Theater und der Jesuitenkirche zu erhalten. Und – die Jesuitenkirche steht auch unter Denkmalschutz.

Für den Bau des Neuen Theaters haben sich Kanton, Stadt, Luzerner Theater wie auch weitere massgebende Partner in der «Projektierungsgesellschaft für ein Neues Luzerner Theater» versammelt.

Ende 2022/Anfang 2023: Siegerprojekt bekannt

Die Projektierungsgesellschaft unter dem Vorsitz von Stadtpräsident Beat Züsli hält an ihrer Absicht fest, am Theaterplatz einen Neubau zu realisieren. Nach der Genehmigung durch den Grossen Stadtrat startete der Architekturwettbewerb im Oktober 2021: Wenn alles wie geplant läuft, soll voraussichtlich Anfang 2023 das Siegerprojekt öffentlich präsentiert werden.

Der Präfekt der Jesuitenkirche könnte dann seine Stimme erheben.


Hansruedi Kleiber, Präfekt der Jesuitenkirche | © Christian Merz
19. August 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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