Deutsche Bischöfe ziehen zum Abschlussgottesdienst des Ad-limina-Besuchs in die Lateranbasilika in Rom ein, November 2022.
Vatikan

Rote Linien, aber fehlende Sanktionen: Offene Fragen nach Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe

Nach der spannenden Ad-limina-Woche der deutschen Bischöfe in Rom bleiben viele Fragen offen. Die entscheidenden lauten: Wer hat welche Hebel, um die Entwicklung entscheidend zu beeinflussen? Und wer kann was erfolgreich aussitzen?

Von Ludwig Ring-Eifel

Die deutschen Bischöfe haben in Rom (in ihrer Mehrheit) die Ideen des Synodalen Wegs hinreichend klar vorgetragen. Dabei haben sie auch am Druck, der beim «ungeduldigen Gottesvolk» in Deutschland herrscht, keinen Zweifel gelassen.

Bedenken der Kardinäle

Ebenso deutlich waren die Ansagen der wichtigsten Kurienkardinäle, also Luis Ladaria (Dikasterium für die Glaubenslehre) und Marc Ouellet (Dikasterium für die Bischöfe). Sie haben gesagt, was aus römischer Sicht unverhandelbar ist und haben verlangt, dass diese Bedenken in den Synodalen Weg eingebracht werden müssen. Darüber, wie die vatikanischen Bedenken in den Synodalen Weg eingespeist werden sollen, wurden jedoch keine Vereinbarungen getroffen.

Kardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer, bisheriger Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre.
Kardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer, bisheriger Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre.

Kein Veto gegen «Synodalen Rat»

Auch die Forderung aus der konservativen Minderheit der deutschen Bischöfe, Rom möge die Schaffung eines «Synodalen Rats» in Deutschland rechtsverbindlich verhindern, lief erst einmal ins Leere. Zwar gab es auf römischer Seite deutliche Vorbehalte gegen diese neue Leitungsstruktur, aber ein kirchenrechtlich verbindliches Veto blieb aus.

Dies zeigt exemplarisch eine Schwäche der römischen Seite im gegenwärtigen Pontifikat. Sie benennt zwar «Rote Linien», die nicht überschritten werden dürfen. Doch sie verzichtet darauf, zu sagen, was geschieht, wenn diese Linien überschritten werden.

Anekdote zu Franziskus’ Rat

Aus der Frühzeit des Pontifikats von Franziskus ist eine Anekdote überliefert, die das Dilemma verdeutlicht, in dem sich die Kurie bewegt: Experimentierfreudigen Ordensleuten aus Lateinamerika, die darüber klagten, dass sie immer wieder mahnende Briefe aus der vatikanischen Glaubensbehörde erhalten, riet der Papst damals, sie sollten die Briefe lesen – und dann trotzdem weitermachen.

Papst Franziskus.
Papst Franziskus.

Genauso verhält sich nun auch Bischof Bätzing. Trotz einer eindeutigen Klärung aus der Glaubensbehörde, wonach die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht erlaubt ist, sagte er in Rom bei der international gut besetzten Abschlusspressekonferenz, er werde solche Segnungen nicht verbieten.

Kirchenspaltungen gingen vom Vatikan aus

Wie Rom reagieren wird, wenn sich der Synodale Weg in Deutschland mit seinen Beschlüssen über andere Positionen hinwegsetzt, die von den Kurienkardinälen als «nicht verhandelbar» bezeichnet wurden, ist offen. Ein Blick in die jüngere Kirchengeschichte zeigt, dass Kirchenspaltungen fast immer von der römischen Zentrale verkündet werden.

Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).
Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).

So wollte Martin Luther keine eigene evangelische Kirche gründen. Erst nach seiner Exkommunikation durch den Papst im Januar 1521 begann er, eigene Gemeindestrukturen aufzubauen. Zuvor hatte er eine vom Papst gesetzte Frist zum Widerruf seiner Lehren verstreichen lassen.

Exkommunikation bei Altkatholiken und Traditionalisten

Ähnlich war es mit der Abspaltung der Altkatholiken nach dem Ersten Vatikanum: Der Papst setzte den deutschen Theologen und Klerikern, die das neue Dogma der Päpstlichen Unfehlbarkeit ablehnten, eine Frist, dies zu unterzeichnen und exkommunizierte dann die Verweigerer.

Zeitlich näher liegt die Abspaltung der Traditionalisten unter Erzbischof Marcel Lefebvre in den 1980er Jahren: Rom markierte damals eine rote Linie (Bischofsweihe gegen den Willen des Papstes) und verkündete die Exkommunikation, als diese überschritten wurde.

Der exkommunizierte Erzbischof Marcel Lefebvre, 1976
Der exkommunizierte Erzbischof Marcel Lefebvre, 1976

Franziskus setzt auf lange Debatten

Wenn Papst Franziskus ähnlich verfahren würde, wäre dies ein Bruch mit seiner gesamten bisherigen Politik. Er setzte stets darauf, Debatten lange laufen zu lassen, um dann schliesslich die Dinge so zu entscheiden, dass (fast) alle damit leben können. Doch offenbar stösst ein solches Verfahren angesichts von Druck und wachsender Ungeduld aus Deutschland an seine Grenzen.

Eine einzige rote Linie ist nach dem katholischen Kirchenrecht jetzt schon mit einer klaren Sanktion versehen: Wer einer Frau die Priesterweihe zu spenden versucht, ist automatisch exkommuniziert. Diese Regel hat Papst Franziskus erst im Jahr 2021 nochmals verschärft. Deshalb steht nicht zu erwarten, dass ein deutscher Bischof freiwillig diesen Weg ins Aus wählt. (kna)


Deutsche Bischöfe ziehen zum Abschlussgottesdienst des Ad-limina-Besuchs in die Lateranbasilika in Rom ein, November 2022. | © KNA
24. November 2022 | 11:21
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