In der Schweiz liegen Genugtuungszahlungen niedriger als in anderen europäischen Ländern.
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Reaktion auf Kölner Urteil: Deutsche Bischöfe erhöhen Wiedergutmachungszahlungen

Mehr als 40 Millionen Euro hat die katholische Kirche in Deutschland bisher an Missbrauchsbetroffene gezahlt. Nach dem Kölner Urteil teilt die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistung am Dienstag mit, die Höhe der Anerkennungszahlungen deutlich erhöhen zu wollen. In der Schweiz liegen kirchliche Genugtuungszahlungen aktuell bei maximal 20’000 Franken.

Annalena Müller

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistung (UKA) der deutschen Bischofskonferenz entscheidet, wie viel Geld Missbrauchsbetroffene erhalten. Nach der Rechtskräftigkeitswerdung des Kölner Urteils hat die UKA nun angekündigt, die Anerkennungsleistungen deutlich zu erhöhen.

40 Millionen waren nur der Anfang

Mehr als 40 Millionen Euro hat die UKA zwischen Januar 2021 und Dezember 2022 an 1’809 Missbrauchsbetroffene bezahlt. Im Mittel lagen die Anerkennungsleistung bei rund 22’150 Euro pro Antrag, wie das ZDF berichtet. Bei der Höhe der gesprochenen Gelder orientiert sich die UKA an den üblichen Schmerzensgeldsätzen, die Gerichte sprechen. Da das Kölner Urteil diese Sätze nun deutlich nach oben korrigiert hat, dürfte es für die deutschen Bischöfe künftig teurer werden.

Georg Menne erhält 300'000 Euro Schmerzensgeld vom Bistum Köln. Nun will die UKA ihre Zahlungen nach oben korrigieren.
Georg Menne erhält 300'000 Euro Schmerzensgeld vom Bistum Köln. Nun will die UKA ihre Zahlungen nach oben korrigieren.

Hans-Walter Wegmann (77) und sein Kompagnon Eberhard Luetjohann (85) haben jüngst vor dem Kölner Landgericht 300’000 Euro Schmerzensgeld für das Missbrauchsopfer Georg Menne erstritten. Laut Wegmann habe das Kölner Urteil die bestehende Rechtsprechung um ein zehnfaches «der Höhe nach pulverisiert».

UKA zieht die Konsequenz

Nun zieht die UKA die Konsequenz aus dem Kölner Urteil. In einer Pressemitteilung am Dienstag teilt die Vorsitzende Margarete Reske mit, die UKA werde das Urteil bei der «Bestimmung der Höhe der Anerkennungsleistungen im Einzelfall berücksichtigen.»

Margarete Reske, Juristin und Vorsitzende der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK)
Margarete Reske, Juristin und Vorsitzende der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK)

Als Begründung heisst es, dass sich «die Anerkennungsleistungen im oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgeldern» orientieren. Das Urteil des Landgerichts Köln gehöre zweifelslos dazu, «zumal es Missbrauch durch einen Priester zum Gegenstand hat und daraus entstehende Schmerzensgeldansprüche gegen die jeweiligen Dienstherren, z. B. die Diözese, betrifft.»

Anwalt begrüsst die Entscheidung

Hans-Walter Wegmann begrüsst die Entscheidung der UKA «als Ansatz eines Lösungsweges». Der Anwalt gibt allerdings zu bedenken, dass die UKA die «Zahlstelle der Bischofskonferenz ohne eigene Rechtsfähigkeit» bleibe. Sowohl die Zahlungen als auch deren Höhe seien freiwillig und nicht einklagbar.

Der Anwalt Hans-Walter Wegmann begrüsst die Entscheidung der UKA.
Der Anwalt Hans-Walter Wegmann begrüsst die Entscheidung der UKA.

Es gelte nun abzuwarten, wie die UKA ihre Ankündigung umsetzen wird. Sollten Genugtuungsleistungen künftig angemessener ausfallen, könnte der Klageweg vor weltlichen Gerichten obsolet werden, sagt Wegmann gegenüber kath.ch. Die Deutsche Bischofskonferenz wollte sich gegenüber kath.ch nicht äussern.

Kommission Genugtuung

In der Schweiz leistet die «Kommission Genugtuung» seit 2017 Genugtuungsbeiträge an Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld. Trägerinnen der Kommission sind die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) und die Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz (VOS’USM). Sie legen die Höhe der Genugtuungsbeiträge fest. Dieser liegt bei maximal 20’000 Franken.

Im Jahr 2022 lag die Zahl der bei der Kommission eingereichten Fälle bei 18. Gegenüber kath.ch gibt die Präsidentin der Kommission, Liliane Gross, an, dass sie eine steigende Zahl an Anträgen nach Veröffentlichung der nationalen Vorstudie am 12. September erwartet.

Die Kommission selbst könne den Rahmen der Genugtuungszahlung nicht beeinflussen. Dieser sei von SBK, RKZ und VOS’USM festgesetzt. Laut Gross könnte es sinnvoll sein, den Rahmen zu erhöhen. «Auch wenn Geld erfahrenes Leid nicht aufwiegen kann», müsse man die oftmals lebenslangen Folgekosten bei Missbrauchsbetroffenen berücksichtigen.


In der Schweiz liegen Genugtuungszahlungen niedriger als in anderen europäischen Ländern. | © Julia Steinbrecht/KNA
16. August 2023 | 13:30
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