Der Berner Pfarrer Christian Schaller.
Schweiz

Pfarrer Schaller ist dort, wo Hilfe geleistet werden muss

Christian Schaller ist sehr umtriebig. Der Bürostuhl ist nicht sein bevorzugter Arbeitsort. Viel lieber ist er unter den Leuten. Er leitet die Berner Zentrumspfarrei Dreifaltigkeit, kurz «Dreif» genannt, mit ihrem grossen Pfarreizentrum. Das offene Haus «La Prairie»* steht Bedürftigen offen, die «Rotonda» für grössere Gruppen, Firmen-Meetings und gesellschaftliche Anlässe.

Georges Scherrer

«Ich habe einen privilegierten Kontakt zu Leuten, die Hilfe benötigen», sagt Christian Schaller von sich und meint die obdachlosen, hilfsbedürftigen und einsamen Menschen. Ihre Probleme kann er aber nicht alleine bewältigen. Ihm steht der Sozialdienst der Berner Pfarrei Dreifaltigkeit zur Seite.

Das sind zwei Fachleute mit entsprechender Ausbildung, die sich der konkreten Probleme annehmen, etwa mit Tipps, welche Stelle in der Stadt weiterhelfen kann. Oder wie es Schaller sagt: «Zur praktischen Umsetzung seiner Ziele muss man die verschiedenen Wege kennen, die dorthin führen.»

«Den Menschen so annehmen, wie er ist.»

Ebenso ist die Fachstelle Sozialarbeit (Fasa) der Katholischen Kirche Region Bern eine wichtige Unterstützung und ein hilfreicher Ratgeber in der Erfüllung dieser Aufgaben.

Wegweiser auf dem Gelände der "Dreif".
Wegweiser auf dem Gelände der "Dreif".

Seelsorge bedeutet für den 57-jährigen Priester, dass er sich jener Menschen annimmt, die von der Armut betroffen sind. Dazu gehört auch die Altersarmut. Diese sei in den Altersheimen versteckt. Auch dafür brauche es Sensibilität. «Seelsorge heisst für mich auch: Den Menschen so annehmen, wie er ist.»

Kein Mensch dürfe mit einer Etikette versehen werden, etwa: Asylant, Sans-papier oder alt – oder zu jung. «Ich versehe auch keinen Banker oder Diplomaten, der hier vorbeikommt, mit einem Stempel», erklärt der Priester und blickt verschmitzt hinüber zu einem Fenster: «Da drüben ist die amerikanische Botschaft und etwas weiter die französische! Das sind meine Nachbarn.» – Und unter Nachbarn kennt man sich, betont Pfarrer Schaller, der die Pfarrei seit fünf Jahren leitet.

Vielfältige Angebote

Auf dem Gelände der beiden Kirchgemeinden Dreifaltigkeit und «Paroisse de langue française», der französischsprachigen Pfarrei der Bundesstadt, läuft immer etwas. Neben der grossen Pfarreikirche befinden sich auf dem Areal verschiedene andere pfarreiliche Gebäude.

Da ist zum einen die «Rotonda». Der Saal, der für Pfarreianlässe genutzt, aber auch ausgemietet wird, ist im Boden versenkt. Nur die Glaskuppel ragt über den Pfarreigarten hinaus.

Die Rotonda neben den Tagungs- und Schulungsräumen (rechts).
Die Rotonda neben den Tagungs- und Schulungsräumen (rechts).

Ein Mehrzweckgebäude steht am Rande des Gartens. Dort sind weitere Räume untergebracht: Ein Saal mit angrenzender Küche, weitere Tagungs- und Schulungsräume. Die Mitarbeiter können diese für ihre Arbeit mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern nutzen.

Auf dem Areal ist in einer altehrwürdigen Berner Campagne, einem klassischen Landhaus, das offene Haus «La Prairie» untergebracht. Dort können Menschen, die Kontakt und Geselligkeit suchen, einen Kaffee trinken. In der Küche werden mit Hilfe Freiwilliger jeden Tag bis zu sechzig Mahlzeiten für Menschen in Not gekocht. Kostenpunkt pro Mahlzeit: Fünf Franken.

Die Küche der "Dreif".
Die Küche der "Dreif".

Das ganze Areal mit den zahlreichen Gebäuden muss fachgerecht verwaltet und finanziert werden, so dass die verschiedenen Angebote der Pfarrei auch weiterhin wahrgenommen werden können.

Getragen wird der Betrieb von der Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung, in der über ein Dutzend Pfarreien und Missionen der Region zusammengeschlossen sind. Die Gesamtkirchgemeinde sorgt für Reparaturen und Investitionen. Aktuell steht eine kostspielige Sanierung der intensiv genutzten Küchen und Toiletten des Zentrums «La Prairie» an.

Zahlreiche Helferinnen und Helfer

Pfarrer Schaller und sein Team stehen aber nicht alleine da. Sie sind in die Stadt integriert. «La Prairie» und das vielseitige Angebot der gesellschaftlichen Treffs in der «Rotonda» und auf dem ganzen Areal könnten nicht aufrecht erhalten werden, wenn die Pfarrei nicht von zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfern unterstützt würde. Der Pfarrer legt sehr gerne selbst Hand an, wenn das Team ein leckeres Buffet für einen Anlass auf die Beine stellt.

«Ein Seelsorger muss die Armut berühren.»

Pfarrer Schaller arbeitet aus einer grossen inneren Kraft heraus. Er sagt: «Es gibt nichts Schlimmeres als einen Seelsorger, der über die Armut spricht und sie selber nicht kennt, benennt oder berührt und zwar dort, wo sie ist.» Der Geistliche ergänzt: «Ich kann nicht reden über, ich rede mit.» Und fügt an: «Mir geht es darum, mich der Not dieser Menschen anzunehmen: durch Hören, Begleiten und Helfen; ihnen einen Tipp zu geben, wo sie noch anklopfen können, und vieles andere mehr.»

Der vorbildliche Heilige

Wenn er schon einen Heiligen nennen muss, der ihm zum Vorbild dient, dann ist es der heilige Basilius. Dieser habe sich dafür eingesetzt, dass für bedürftige Menschen gesorgt wird, so der Pfarrer der Berner Zentrumspfarrei.

Christian Schaller würde auch gerne regelmässig im Quartier Hausbesuche durchführen, um jenen Menschen beizustehen, die alleine sind. «Dafür habe ich aktuell aber leider viel zu wenig Zeit. Ich schaffe es nicht einmal ganz, pro Woche einen solchen Besuch zu machen.

Apéro in der Rotonda.
Apéro in der Rotonda.

Was trägt ihn bei diesem grossen Arbeitspensum? «Ich habe ein gesundes Gottvertrauen und viele Menschen um mich herum, die mir helfen», sagt er. Die Stadtbehörden wissen, dass sich in der Pfarrei Dreifaltigkeit auch Menschen aufhalten, die manchmal «nicht ganz legal hier leben. Aber das ist die Realität der heutigen Welt», sagt Schaller.

Selbstverständlich stehen auch die Pfarreimitglieder zu ihrem Pfarrer. Dies unter anderem auch finanziell mit grosszügigen Spenden. «Sie sehen, dass die Pfarrei ein äusserst wichtiges Zentrum für die Berner Innenstadt bildet.»

* «La Prairie» in Bern

«Das Offene Haus hat zwei Eingangstüren – eine auf die Gasse und eine in die Pfarrei. Von dieser Mischung lebt es», sagt Karl Johannes Rechsteiner von der Kommunikationsstelle der Katholischen Kirche Region Bern. In diesem Haus treffen sich heute Menschen verschiedenster Herkunft und unterschiedlichster Lebenslagen. Das Haus steht allen offen.

Vor den Toren der Altstadt Bern entstand 1450 ein Landhaus. 1927 erwarb der damalige Stadtpfarrer Emil J. Nünlist das Land bei der Dreifaltigkeitskirche und erhielt das Haus als Abbruchobjekt geschenkt. Im Jahre 1981 blieb dank der Initiative des Komitees «Chile läbe statt boue» das Haus vom drohenden Abbruch verschont. Es wurde renoviert und seinem neuen, sozialen Zweck zugeführt.

Als ehemaliges Landgut einer der frankophon angehauchten Berner Patrizierfamilien trägt es heute den französischen Ehrentitel: «La Prairie», die Wiese. (gs)

Bereits erschienen:

In einer Notlage mit offenen Armen empfangen

«Warum hätte ich Angst haben sollen?»

«Es kommt auf das Zeichen an, das man setzt»

Der Berner Pfarrer Christian Schaller. | © Georges Scherrer
3. März 2020 | 11:15
Lesezeit: ca. 4 Min.
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weitere Artikel der Serie «Dreif Bern»

Die «Dreif» in Bern und ihre Leute

Die Pfarrei Dreifaltigkeit in Bern, kurz «Dreif», befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bundeshaus. Nicht nur ihre zentrale Lage bewirkt, dass viele Menschen den Weg zu ihr finden, sei es in die Kirche oder zu einem der Angebote, die sie bereit hält. Wöchentlich werden in der Pfarrei 19 Gottesdienste gefeiert. Das Zentrum Dreifaltigkeit umfasst ein grösseres Gelände mit verschiedenen Gebäuden, darunter das Tagungszentrum «Rotonda» und das offene Haus, «La Prairie» genannt.

Auf diesem Areal ist auch die eigenständige französischsprachige katholische Kirchgemeinde der Bundesstadt zuhause, die «Paroisse de langue française», mit ihren eigenen Räumlichkeiten und Aktivitäten. Rund 300 Frauen und Männer wirken als Freiwillige in beiden Pfarreien. Der für beide Gemeinden verantwortliche Pfarrer heisst Christian Schaller. Sein Porträt bildet den Abschluss einer kleinen Serie, in der kath.ch das umtriebige Schaffen des Geistlichen und dessen Seelsorgeteams beleuchtet. (gs)