Mahmud
Schweiz

«Es kommt auf das Zeichen an, das man setzt»

«Ich beginne pünktlich am Morgen um sieben Uhr.» Mahmud, 55 und aus Somalia, hat in Bern einen Job. Er gehört zu den Mitarbeitenden der Dreifaltigkeitspfarrei im Stadtzentrum, der «Dreif».

Georges Scherrer

Aufgrund der Härtefallklausel im Asylwesen erhielt Mahmud die Aufenthaltserlaubnis in der Schweiz und kann darum verschiedenen Jobs nachgehen. Zwei Mal in der Woche verträgt er den «Anzeiger Region Bern» in die Haushalte der Altstadt. An kalten Tagen zieht er seine dicke, rote Windjacke an und die Kappe des «Anzeigers» tief über die Ohren hinab.

Zudem ist er in das städtische «Kompetenzzentrum Arbeit» integriert. Dieses Eingliederungsprogramm gestattet es ihm, an zwei weiteren Tagen zu arbeiten. Im Zentrum ist er in der Küche engagiert. Diese bereitet Mahlzeiten für verschiedene Schulen in Bern und Umgebung zu.

«Es ist ein Ort, wo ich mich wohl fühle.»

Mahmud

In der Küche legt er an verschiedenen Orten Hand an. «Jedesmal gibt es etwas anderes zu tun. Der Chef bestimmt das Menü», erklärt Mahmud. Er ist vor allem für das Rüsten des Gemüses und die Zubereitung der Suppen zuständig.

«Wir bereiten jeweils ein vegetarisches Menu vor und ein zweites mit Fisch oder Fleisch», präzisiert er. Er geht jeweils auch mit, wenn die Speisen in die Schulen gebracht werden.

Und er weilt auch regelmässig in der Dreifaltigkeitspfarrei. «Es ist ein Ort, wo ich Gesellschaft finde und wo ich mich wohl fühle.» An dem Ort könne er sich mit Leuten über die Themen austauschen, die ihn beschäftigen, erzählt Mahmud weiter.

Alles fing mit einer Bitte an

An Weihnachten 2013 setzte er das erste Mal seinen Fuss auf das Areal der «Dreif». Er bat um etwas Geld, welches er seiner Familie zu Weihnachten nach Somalia schicken wollte. Mahmud erinnert sich.

"La Prairie" mit den grünen Fensterläden vor der Dreifaltigkeitskirche in Bern
"La Prairie" mit den grünen Fensterläden vor der Dreifaltigkeitskirche in Bern

Die Antwort, die er erhielt, «war nicht hart, aber normal». Es ging nicht um das Geld. «Vielmehr hat mich die Art und Weise beeindruckt, wie der Pfarrer geantwortet hat. Er versteht die Menschen.»

Nun wird es aber kompliziert. «Ich weiss nicht, wie ich erklären soll, dass jemand die Menschen versteht. Es gibt Leute, die verstehen einfach nicht. Man trifft sich nicht. Bei anderen Leuten klappt der Kontakt und es ist ok.»

Man hilft sich gegenseitig. Wenn Mahmud wieder einmal ein Problem hat, dann weiss er, dass er bei Pfarrer Christian Schaller auf ein offenes Ohr trifft. Gemeinsam versucht man jeweils die Sache zu lösen.

«Uns wird geholfen. Also helfen wir der Pfarrei, ihre Aufgaben zu bewältigen», lautet das Motto, an das sich Mahmud hält. «Einige Stunden arbeiten ist nicht viel. Es kommt aber auf das Zeichen an, das man setzt.»

Aufenthaltsraum in "La Prairie"
Aufenthaltsraum in "La Prairie"

Halil geht es wirklich schlecht

Im Offenen Haus «La Prairie»  auf dem Pfarreiareal begegnet Mahmud vielen Menschen. Zum Beispiel Halil. Dieser verschwindet manchmal wochenlang, hält sich in Deutschland auf, kommt wieder zurück nach Bern, ist unstet. «Ihm geht es wirklich nicht gut. Es ist das Leben», stellt Mahmud nüchtern fest.

«Ich helfe, soweit es in meinen Möglichkeiten liegt.»

Mahmud

Halil ist fünfzig Jahre alt, hat keine Perspektiven und lebt von Parkbank zu Parkbank. In Bern kennt man sich. «Halil hat eine geschwollene Backe, ich habe ihm geraten, zu Frau Tobler zu gehen.»

Pfarrer Schaller erkundigt sich neugierig nach dieser Dame. Sie arbeitet beim Roten Kreuz und könnte Halil behandeln, erklärt Mahmud und ergänzt: «Ich helfe Halil, soweit es in meinen Möglichkeiten liegt.»

Der köstliche Messwein

Der Muslim hat mit seinem Glauben nicht viel am Hut. In seiner Heimat kam er schon früh mit der katholischen Kirche in Kontakt. In Somalia bilden die Muslime die übergrosse Mehrheit. Es gibt ein paar katholische Kirchen.

Mahmud hatte das Glück, dass er eine Missionsschule besuchen konnte, wo er unter anderem auch Englisch lernte. «Es war also nicht das erste Mal, als ich nach Bern kam, dass ich einen Ort der katholischen Kirche wie diesen betrat.»

Die Kirche kennt er seit seiner Jugend – und auch den Messwein. «Diesen habe ich das erste Mal getrunken, als wir in einer kleinen Kapelle die Sakristei aufräumten. «Seitdem verschmähe ich Wein nicht», sagt der Wahl-Berner mit einem breiten Lachen.

Den Dreif-Pfarrer bezeichnet er als Freund. «Es ist ein Freund, den ich wertschätze. Ich weiss nicht, ob es viele solche Menschen gibt. Es sind vermutlich wenige.» (gs)

Bereits erschienen:

In einer Notlage mit offenen Armen empfangen

«Warum hätte ich Angst haben sollen?»

Nächster Seriebeitrag: Christin Schaller und die «Dreif» folgt demnächst.

Mahmud | © Georges Scherrer
27. Februar 2020 | 11:45
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Die «Dreif» in Bern und ihre Leute

Die Pfarrei Dreifaltigkeit in Bern, kurz «Dreif», befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bundeshaus. Nicht nur ihre zentrale Lage bewirkt, dass viele Menschen den Weg zu ihr finden, sei es in die Kirche oder zu einem der Angebote, die sie bereithält. Wöchentlich werden in der Pfarrei 19 Gottesdienste gefeiert. Das Zentrum Dreifaltigkeit umfasst ein grösseres Gelände mit verschiedenen Gebäuden, darunter das Tagungszentrum «Rotonda» und das Offene Haus, «La Prairie» genannt.

Auf diesem Areal ist auch die eigenständige französischsprachige katholische Kirchgemeinde der Bundesstadt zuhause, die «Paroisse de langue française» mit ihren eigenen Räumlichkeiten und Aktivitäten. Rund 300 Frauen und Männer wirken als Freiwillige in beiden Pfarreien. Der für beide Gemeinden verantwortliche Pfarrer heisst Christian Schaller. In einer kleinen Serie beleuchtet kath.ch das umtriebige Schaffen des Geistlichen und seines Seelsorgeteams. (gs)