Gregor und Hella Sodies vor dem Pfarramt - mit Kirche im Obergeschoss
Konstruktiv

Pfarrei-Duo Hella und Gregor Sodies: «Wir ergänzen uns gut»

Das Ehepaar Hella (41) und Gregor Sodies (43) leitet gemeinsam die Pfarrei Greifensee im Zürcher Oberland. Wie geht das? Was sind die Vorteile, und wo die Knackpunkte? Und wie ist es überhaupt dazu gekommen? Ein Besuch im «Städtli» von Greifensee.

Regula Pfeifer

Ein idyllischer alter Dorfkern – das Quartier «im Städtli» in Greifensee. Die reformierte Kirche steht mächtig da. Doch wo sind die katholische Kirche und das Pfarrhaus dazu? Die eine Hälfte eines rekonstruierten alten Hauses entpuppt sich als Pfarrhaus.

Der Eingang liegt tief. Auf die Klingel öffnet Gregor Sodies. Hinter ihm grüsst Hella Sodies. Die beiden laden in einen luftigen Raum. Er ist bis zum Dach offen und dient als Sitzungszimmer der Pfarrei.

Rund siebeneinhalb Jahre sind Hella und Gregor Sodies an diesem schmucken Ort. Im September 2014 haben sie die Co-Leitung für die Pfarrei Greifensee übernommen. Und sie sind ganz zufrieden damit.

Gregor und Hella Sodies
Gregor und Hella Sodies

Die beiden sitzen am grossen Tisch, sie locker in den Stuhl gelehnt, er gespannt und aufmerksam. «Uns gefällt es, so wie es ist», sagt Hella Sodies. Sie spricht mehr und ausführlicher als er über ihr Paarleben, das auch den Beruf umfasst.

Aber auch Gregor Sodies ergreift das Wort, wirft manchmal korrigierend etwas ein. Macht seinen Standpunkt klar. «Wir ergänzen uns sehr gut», sagt Hella Sodies. «Wir sind dabei aber nicht immer gleicher Meinung», sagt Gregor Sodies. «Da ist ein grosses Vertrauen da, dass der andere es gut macht», so Hella. Und so sind auch spontane Abwesenheiten kein Problem. Der oder die andere weiss genau, was dann zu tun ist.

Spontane Abwesenheiten? Kein Problem

Etwa wenn Hella kurzfristig nach Deutschland reisen muss, da ihr Vater krank ist. Oder wenn Gregor rasch ausrücken muss, weil jemand plötzlich verstorben ist. Bei einem Unfall, bei Suizid, an einem Infarkt. Gregor arbeitet zusätzlich als Notfallseelsorger.

Das Theologenpaar teilt sich in Greifensee eine Pfarreileitungsstelle und zusätzlich eine 50-Prozent-Stelle als Seelsorger. Beide arbeiten also zu 75 Prozent. Ihre Aufgabenbereiche haben sie aufgeteilt. «Wir haben klar festgelegt, wer in diesen Bereichen die Letztverantwortung hat», sagt Gregor. Das habe vor Stellenantritt der damalige Generalvikar Josef Annen von ihnen verlangt, es sei aber auch ihr eigener Wunsch gewesen.

Gregor und Hella Sodies erzählen über ihre Zusammenarbeit
Gregor und Hella Sodies erzählen über ihre Zusammenarbeit

Er ist für die Katechese und die damit betrauten Mitarbeitenden zuständig. Sie hat die Personalführung für die übrigen Mitarbeitenden. Er macht bei den Pfarreireisen mit. Sie ist für die Spiritualität und Erwachsenenbildung zuständig. Die Gruppierungen in der Pfarrei haben die beiden untereinander aufgeteilt. «Einige Gruppen leiten wir, andere organisieren sich selbstständig», sagt Hella. Er hat gemeinsam mit dem Präsidenten den Lead im Pfarreirat, sie vertritt die Pfarreileitung in der Kirchenpflege. Er ist für den Kontakt zu den Reformierten zuständig, sie für jenen zur politischen Gemeinde.

Arbeit nach Vorlieben und Abneigungen aufgeteilt

Die Aufteilung hat teilweise mit Vorlieben oder Abneigungen zu tun. Unterrichten wäre nichts für sie, gibt Hella zu. Das übernimmt Gregor, und zwar «gern», wie er sagt. Dafür fällt es ihr leichter, vor Leute hinzustehen. «Er überlässt mir da gern den Vortritt», sagt sie.

«Was wir beide vollumfänglich machen, ist Liturgie und Seelsorge», erklärt sie. Das heisst aber nicht, dass sie alles gemeinsam machen. Gregor erstellt den Liturgieplan in Absprache mit Hella und den anderen Beteiligten. «Darin sind wir beide ungefähr gleich häufig verteilt», so Hella Sodies. Manche Gottesdienste gestalten sie auch gemeinsam.

Die Predigten sind das Einzige, was sie eindeutig allein vorbereiten. Gleichzeitig ist es den beiden ein Anliegen, an den Gottesdiensten ihres Partners teilzunehmen. «Das knüpft eine spirituelle Verbindung», sagt Hella.

Palmsonntag 2021: Hella Sodies am Ambo.
Palmsonntag 2021: Hella Sodies am Ambo.

Die Verbindung ist auch im Gespräch wahrnehmbar. Die beiden geben zwar der Journalistin Auskunft, schauen einander dabei aber oft an. So, als wollten sie fragen: Ist das ok so für dich? Tatsächlich wirft mal sie, mal er ein Ja dazwischen. Oder ergänzt oder relativiert das eben Gesagte.

Partizipativer Führungsstil

Und wie ist das fürs Team, ein Paar in der Leitung zu haben? «Da mag zu Beginn eine gewisse Befürchtung dagewesen sein, dass wir zu stark auftreten», gibt Gregor zu bedenken. Doch zu einem Problem wurde das offenbar nicht. Hella Sodies verweist auf ihre gemeinsame Grundhaltung: «Wir pflegen einen partizipativen und kollegialen Führungsstil», sagt sie. «Die Teamsitzungen sind unser wichtigstes Führungsmittel.»

«Wir sind ein bisschen wie eine Familie.»

Hella Sodies

Vieles werde da entschieden. Und sonst seien alle sehr kommunikativ. Da finde ein steter Austausch statt – mit allen angestellten und freiwilligen Mitarbeitenden. «Wir sind ein bisschen wie eine Familie», sagt Hella Sodies.

Und wie ist es mit Konflikten in Beruf und im Privaten? «Klar nehmen wir Auseinandersetzungen auch mal nach Hause», sagt Hella Sodies. «Aber da versuchen wir loszulassen und verschieben das Gespräch auf den nächsten Tag.»

«Ihr feministisches Engagement ist überhaupt nicht heikel. Ich bin auch dabei.»

Gregor Sodies
Vivien Siemes, Veronika Jehle, Hella Sodies gestalteten den Magdalena-Gottesdienst in Greifensee
Vivien Siemes, Veronika Jehle, Hella Sodies gestalteten den Magdalena-Gottesdienst in Greifensee

Und wie kommt das bei Gregor an, wenn Hella sich feministisch engagiert? Etwa, als sie in Greifensee den ersten «Feierabend»-Gottesdienst im Kanton Zürich angeboten hat, im letzten August? «Das ist überhaupt nicht heikel», sagt Gregor. «Ich bin da auch dabei, wenn auch weniger laut.» Auch er habe einen «Feierabend» mitgestaltet, diesmal nicht mit Hella, sondern mit Kolleginnen und Kollegen.

Die «Feierabend»-Gottesdienste sind den Magdalena-Gottesdiensten im Aargau entlehnt. Sie werden offener gestaltet als die klassischen Gottesdienste und bestehen aus Bibellesungen, Singen, Musizieren und dem Teilen von Brot und Wein. Ihr Anliegen ist die Gleichberechtigung und Gleichwürdigkeit in der katholischen Kirche.

Jede und jeder segnet das eigene Brot

In der Pandemie haben auch Hella und Gregor gemeinsam mit der damaligen Jugendseelsorgerin in ihrer Pfarrei eine eigene Gottesdienstform entwickelt. Diese realisierten sie erst im Live-Stream, inzwischen in hybrider Form. Dabei wollten sie die Mitfeiernden einbeziehen. Sie luden sie ein, zuhause ihr eigenes Brot zu segnen. Das machen die Leute weiterhin, auch wenn sie den Gottesdienst in der Kirche Greifensee mitfeiern.

Weisser Sonntag per Streaming: Gregor Sodies liest aus der Bibel, Hella Sodies (sitzend) überwacht die Technik
Weisser Sonntag per Streaming: Gregor Sodies liest aus der Bibel, Hella Sodies (sitzend) überwacht die Technik

Die Kirche liegt übrigens gerade gegenüber dem Pfarrhaus, unauffällig eingebaut ins Obergeschoss eines normalen Hauses. «Wie in der Urkirche. Sie trafen sich im Obergemach und teilten Wein und Brot», sagt Hella Sodies. Das gefalle ihr. Die beiden gehen voran über die Quartierstrasse und führen die Treppe hinauf in den Kirchenraum.

Was so selbstverständlich wirkt, war es lange nicht. Rund fünf Jahre musste das Ehepaar warten, bis es die Co-Pfarreileitung in Greifensee antreten konnte. «In dieser Zeit haderte ich oft mit der Kirche», sagt Hella Sodies. Sie machte eine Ausbildung zum Coach und unlängst auch zur Kontemplationslehrerin. Hella Sodies spricht von «zusätzlichen beruflichen Standbeinen».

«Die Kontemplation ist meine spirituelle Quelle.»

Hella Sodies

«Die Kontemplation ist meine spirituelle Quelle, ohne sie würde ich wohl nicht mehr in der katholischen Kirche arbeiten», sagt sie. In Greifensee leitet sie eine Kontemplationsgruppe und ab und zu einen Kontemplationstag, bei dem sie das Sitzen in Stille aus der zen-buddhistischen Tradition mit der christlichen Mystik verbindet. Gern würde sie das irgendwann ausbauen. Und eine Woche pro Jahr verbringt sie in Kontemplation in Wislikofen AG. «Das ist eher nichts für mich», sagt Gregor Sodies, «lange in Stille zu sitzen…».

Von Deutschland in die Schweiz

Das Pfarreileiterpaar in Greifensee kommt aus Deutschland. Gregor Sodies ist in Hamburg aufgewachsen, Hella in Marsberg in Nordrhein-Westfalen. Sie studierten beide in Münster und heirateten 2005. Kurz darauf wanderten sie in die Schweiz aus.

In Winterthur fanden sie ihre erste Anstellung als Seelsorgerin und Seelsorger – in verschiedenen Pfarreien. «Wir hatten ein immer grösseres Netzwerk, jeder in seiner eigenen Pfarrei», sagt Gregor Sodies über die folgenden Jahre. Das konnten sie nicht richtig pflegen – und vor allem nicht miteinander. «Wir merkten, wir hätten das gerne miteinander geteilt», sagt Gregor.

Eine «Kraft ausleben»

So kam der Wunsch auf, in derselben Pfarrei zu arbeiten. Anfänglich sei es dabei noch nicht um die Leitung gegangen, sagt Hella. «Das kam aber recht schnell», relativiert Gregor. «Dann konnten wir uns vorstellen, auch zu leiten, einfach weil wir uns gut ergänzten und auch Lust hatten, das zu tun», sagt Hella. «Es steckt eine Kraft darin, die wollten wir gern ausleben.» Zudem kannten sie andere Theologenpaare, die bereits gemeinsam eine Pfarrei leiteten.

Generalvikar Josef Annen im Zürcher Rathaus, 2019
Generalvikar Josef Annen im Zürcher Rathaus, 2019

Bis zur Umsetzung dauerte es allerdings. Sie hätten ihren Wunsch schon früh bei Generalvikar Josef Annen deponiert, sagt Gregor. Doch bis dieser schliesslich zugesagt und ihnen die Missio zugesichert habe, habe es gedauert. Nicht einfach war zudem, einen Arbeitsort mit genug Stellenprozenten zu finden. «Wir wollten gemeinsam ja mehr als 100 Prozent arbeiten», sagt Hella.

Heimisch im Kanton Zürich

«Und wir wollten auch nicht irgendwohin gehen.» Sie hätten auch Angebote ausserhalb des Kantons Zürich gehabt. Doch nach einem längeren Entscheidungsprozess wurde klar: Ein Wegzug kam nicht infrage. «Wir hatten schon in Deutschland alles hinter uns gelassen, das wollten wir nicht so schnell wieder tun müssen.» Schliesslich seien sie im Kanton Zürich «heimisch geworden».

«Und so sind wir hier gelandet», sagt Hella Sodies und lacht. Ein anderes Theologenpaar hatte zuvor in der Pfarrei gearbeitet. Doch diese hatten eine andere Arbeitsteilung: Die Frau hatte die Leitung, der Mann war Seelsorger. «Sie verliessen die Pfarrei kurz hintereinander, so tat sich für uns eine Tür auf», sagt Hella Sodies.

Hella Sodies, Co-Pfarreileiterin Greifensee-Nänikon-Werrikon.
Hella Sodies, Co-Pfarreileiterin Greifensee-Nänikon-Werrikon.

Ein Coach als Sparringspartner

«Wir hatten von Anfang an einen Coach, der uns berät», erzählt Hella Sodies. «Das war sehr hilfreich.» Da besprachen sie gemeinsam Zwischenmenschliches, aber auch Berufliches. Noch heute treffen sie sich drei oder viermal im Jahr mit dem Coach. «Er ist ein wertvoller Sparringspartner geworden», sagt Hella. Es sei sehr gut, jemanden zu haben, der einen kritisch hinterfragt und mitdenkt. «Wir würden das allen Kolleginnen und Kollegen in der Pfarreileitung empfehlen. Ganz unabhängig von der Leitungsform», sagt Gregor Sodies.

Und wie steht es mit Zweisamkeit – angesichts der Abende, die sie mit ihren jeweiligen Pfarreigruppen verbringen? «Der Sonntagabend gehört uns», sagt Hella Sodies, und Gregor nickt.

Gregor und Hella Sodies vor dem Pfarramt – mit Kirche im Obergeschoss | © Regula Pfeifer
16. Februar 2022 | 05:00
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