Herbert Volken beim Papst
Porträt

Papst, Gebet und Gletscher: Ein Walliser und seine Mission

Früher betete die Walliser Gemeinde Fiesch für den Schwund des Aletschgletschers. Seit 2009 beschwört ihr Prozessionsgelübde dessen Wachstum. Dies dank dem unermüdlichen Einsatz des früheren Gemeindepräsidenten Herbert Volken. Er ging dafür bis zum Papst.

Sarah Stutte

Herbert Volken (73) ist ein grossgewachsener Mann mit einer Vision und dem nötigen Durchsetzungswillen. Der langjährige Präfekt des Bezirks Goms und frühere Gemeindepräsident von Fiesch blickt auf ein Vierteljahrhundert im Dienst des Staates Wallis zurück. Als solcher war er befugt, Mitglieder von Kommissionen zu ernennen, die Armee aufzubieten oder bei Katastrophen den Notstand auszurufen.

Letzteres war beispielsweise im Lawinenwinter 1999 der Fall, als das Goms neun Tage lang von der Aussenwelt abgeschnitten war. «Die Strassen und Zuglinien waren gesperrt. Wir hatten keinen Strom mehr, sogar das Heizöl gefror. In diesem Jahr musste die Präfektur den Notstand ausrufen. So etwas bleibt für immer in Erinnerung», berichtete Herbert Volken 2019 in einem Interview.

Bedrohtes Eis: der Grosse Aletschgletscher im Wallis.
Bedrohtes Eis: der Grosse Aletschgletscher im Wallis.

Berühmt durch Aletschgletscher

Dass die Natur unberechenbar ist und wir Menschen versuchen sollten, mit ihr in Einklang zu leben – mit diesem Wissen wuchs Volken auf. Dem Vollblut-Bergführer lagen die Wälder und Berge seiner Heimat ganz besonders am Herzen, und die klimatischen Veränderungen betrachtete er mit Sorge. Seine Fähigkeit, nicht lange um den heissen Brei herumzureden, sondern aktiv etwas zu tun, führte ihn schliesslich in den Vatikan und zum Papst.

Schreiben aus dem Vatikan an Bischof Norbert Brunner
Schreiben aus dem Vatikan an Bischof Norbert Brunner

In der Welt berühmt wurde der Fiescher durch den Aletschgletscher. Dessen Gletscherrand war vor 300 Jahren noch sehr hoch. Grosse Eisbrocken brachen in den Märjelensee ab, verursachten Überschwemmungen und bedrohten das Dorf. Daraufhin erlaubte die Kirche 1678 ein Gelübde, in dem Gott darum gebeten wurde, den Gletscher nicht mehr weiter wachsen zu lassen.

Knechtlicher Arbeit entsagen

Aus den Unterlagen von Herbert Volken geht hervor, dass dieses Versprechen beinhaltete, sich «jeden Samstag von der Vesper an von jeder knechtlichen Arbeit zu enthalten, ausgenommen seien nur das Einlegen dürren Heus und Getreides, damit Gott durch die Fürbitte der Mutter Maria seinen Zorn abwenden möge, den man aus dem Vordringen des Gletschers, der Hab und Gut vernichten könne, drohen sehe».

Das Gelübde wurde vom Bischof von Sitten mit folgenden Worten angepasst und wie folgt abgesegnet: «Die Leute der Talschaft sollen im Chor der Kirche zu Fiesch eine Kerze unterhalten, die jeden Sonn- und Feiertag während der Heiligen Messe brenne». Seit 1862 werde das Gletschergebet mit einer Prozession zur Kapelle im Ernerwald begangen, sagt Herbert Volken. Diese finde immer am Tag des Heiligen Ignatius, dem 31. Juli statt. Falls das Datum nicht auf einen Sonntag falle.

Der frühere Fiescher Gemeindepräsident Herbert Volken (hier in einer SRF-Dokumentation 2015).
Der frühere Fiescher Gemeindepräsident Herbert Volken (hier in einer SRF-Dokumentation 2015).

Päpstliche Zustimmung

Ab 1870 gab es aber dann ein neues Problem rund um den Aletschgletscher: Er begann nicht mehr zu wachsen, sondern zu schmelzen. Und das bis heute. Der resolute Volken machte sich deshalb vor einigen Jahren Gedanken und beriet sich mit dem damaligen Fiescher Pfarrer, Pascal Venetz.

Sie kamen zum Schluss, dass abermals eine Änderung des Gebetstextes angezeigt war. Diesmal solle darum gebetet werden, dass der Gletscher wieder wachse. Doch die Zustimmung dazu konnte nur der Papst geben.

Norbert Brunner, früherer Bischof von Sitten, 2009.
Norbert Brunner, früherer Bischof von Sitten, 2009.

Venetz und Volken setzten daraufhin ein Schreiben auf, das an Bischof Norbert Brunner ging und in der Folge zu einer Generalaudienz bei Papst Benedikt XVI. führte. Mit dem Gesuch und einem Bild des Aletschgletschers als Geschenk im Gepäck, sprach Volken im September 2009 persönlich beim Papst vor. Er betonte dabei, wie wichtig es sei, «dass durch ein erneutes Gletscherwachstum das zum Leben wichtige Gut, das Wasser, in richtigem Mass erhalten bleibt». Damit konnte er das Oberhaupt der katholischen Kirche davon überzeugen, den Gebetstext zu ändern.

Bewegender Moment

Herbert Volken erinnert sich noch gut an diesen besonderen Moment: «Es war bewegend, dem Heiligen Vater persönlich die Hand zu reichen und ihm mit einem offiziellen Schreiben der Pfarrei und der Präfektur das Anliegen der Gommer nachhaltig und überzeugend vorzutragen». Volken glaubt immer noch fest daran, dass das Gebet und die Prozession etwas bewirken können.

Obwohl es seit seiner Pension ruhiger für ihn und um ihn herum geworden ist, hat er nach wie vor Visionen. Wie die, seinen 14 Enkeln das Skifahren beizubringen. Den nötigen Willen dazu hat er allemal.

SRF-Interview mit Herbert Volken zum Papstsegen: https://www.srf.ch/play/tv/news-clip/video/herbert-volken-ueber-den-papst-segen?urn=urn:srf:video:0a6f576e-532b-428f-9a56-f538b21a4d6f


Herbert Volken beim Papst | © zVg
20. September 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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