Jean-Michel Girard, Apostolischer Administrator der Abtei Saint-Maurice
Schweiz

Papst ernennt Administrator für Saint-Maurice

Für die von Missbrauchsvorwürfen heimgesuchte Unterwalliser Chorherren-Abtei Saint-Maurice hat Papst Franziskus einen neuen Interimsleiter berufen. Wie das vatikanische Presseamt am Dienstag mitteilte, ernannte der Papst den ehemaligen Oberen der Kongregation des Grossen Sankt Bernhard, Jean-Michel Girard (75), zum apostolischen Administrator.

Der 75-jährige Jean-Michel Girard wurde mit dem Zusatz «sede plena et ad nutum Sanctae Sedis» zum neuen apostolischen Administrator von Saint-Maurice berufen. Das bedeutet, dass der bisherige Abt sein Amt derzeit nicht ausüben kann und der Papst sich eine endgültige Entscheidung über die Besetzung vorbehält.

Schwere Missbrauchsvorwürfe

Der Ruf der im 6. Jahrhundert gegründeten Abtei Saint-Maurice wurde in den vergangenen Monaten durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert. Im September legte Jean Cesar Scarcella (71) nach dem Vorwurf der sexuellen Belästigung sein Amt bis auf Weiteres nieder, um die Ergebnisse einer kirchlichen Untersuchung abzuwarten.

Abt Jean Scarcella von Saint-Maurice lässt sein Amt bis zum Abschluss der Voruntersuchung ruhen.
Abt Jean Scarcella von Saint-Maurice lässt sein Amt bis zum Abschluss der Voruntersuchung ruhen.

Ihm folgte interimistisch der Prior der Abtei, Roland Jaquenoud, als Vorsteher der Gemeinschaft. Auch dieser trat inzwischen zurück. Ihm wurde in der Sendung «Mise au Point» des Schweizer Fernsehens RTS am 19. November vorgeworfen, vor 20 Jahren einen Novizen sexuell genötigt zu haben.

Die Ausstrahlung der TV-Sendung hatte eine schwere Krise ausgelöst, da sie die Existenz von neun Missbrauchsfällen über mehrere Jahrzehnte hinweg enthüllte, die von Kanonikern, darunter auch Jaquenod, mutmasslich begangen worden waren. Die Abtei Saint-Maurice VS gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht.

Abtei untersteht direkt dem Papst

Da die Abtei selbst keinen neuen Prior ernennen konnte, wandte sie sich an den Papst, dem die Gemeinschaft unmittelbar untersteht. Rom hat die heikle Aufgabe nun dem 75-jährigen Kanoniker Jean-Michel Girard zu übertragen. Girard war von 2014 bis 2023 Propst der Kongregation des Grossen Sankt Bernhard. Das Hospiz, das von Bernard de Menthon im 11. Jahrhundert gegründet wurde, war ebenfalls von Missbrauchsfällen in den 1980er-Jahren betroffen.

Von 2016 bis Juni 2022 war Pater Girard Abtprimas der Konföderation der Regularkanoniker des Heiligen Augustinus, der religiösen Konföderation, zu der unter anderem die Abtei Saint-Maurice gehört. Von 2022 bis 2023 war er Präsident der Union der Höheren Ordensoberen der Schweiz.

Auch Roland Jaquenoud wird Missbrauch vorgeworfen.
Auch Roland Jaquenoud wird Missbrauch vorgeworfen.

Pater Girard ist als apostolischer Administrator der direkte Vertreter des Papstes. Er leitet die territoriale Abtei bis auf weiteres. Seine Aufgabe ist zeitlich nicht begrenzt: Er bleibt so lange, wie der Papst es für notwendig erachtet. Apostolische Administratoren bleiben jedoch in der Regel nur einige Monate. (cic/cath.ch/sas)


Jean-Michel Girard, Apostolischer Administrator der Abtei Saint-Maurice | © Jérôme Favre/Echo Magazine
28. November 2023 | 14:04
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