#OutInChurch, Walter Kirchschläger, Chorherren vom Grossen St. Bernhard: Was diese Woche wichtig wird
Heute erscheint ein Buch zur «#OutInChurch»-Initiative. Walter Kirchschläger wird am Mittwoch 75. Und die Chorherren vom Grossen St. Bernhard haben eine Kapitelsitzung, die von Missbrauchsfällen überschattet wird.
Raphael Rauch
Drei Monate nach der TV-Sendung «#OutInChurch» erscheint am heutigen Montag ein Buch. Es enthält persönliche Statements, theologische Überlegungen und Solidaritätsbekundungen mit queeren Mitarbeitenden in der katholischen Kirche.
Pierre Stutz hatte Angst vor einem «Zu-Grunde-Gehen»
Ein Beitrag stammt vom Schweizer Theologen Pierre Stutz. Der ehemalige Priester des Bistums Basel beschreibt in dem Buch, wie er sich nach qualvollem Ringen schliesslich geoutet hat:
Pierre Stutz über sein Outing
«Als ich dann in der Teamsitzung den anderen mitteilen wollte, dass ich schwul bin und dass ich die offene Klostergemeinschaft verlassen werde, um mich für eine Partnerschaft öffnen zu können, umzingelte mich nochmals eine gewaltige Angst. Ich fiel zu Boden, schrie laut und hoffte leise, durch einen Herzschlag von diesem hoffnungsvollen Zu-Grunde-Gehen verschont zu werden. Unglaubliche Geburtswehen! Schmerzvoll befreiendes Weinen! Die Teammitglieder bildeten einen Vertrauenskreis um mich, was mich zu meiner Mitte führte.
Eine heilende Kraft, wie sie in den Heilungsgeschichten meines Lebensfreundes aus Nazaret beschrieben wird, richtete mich auf zu meiner neuen Lebensaufgabe: von Gottes farbenfroher Liebe zu erzählen, die sich auch in der Liebe zwischen zwei Frauen, zwei Männern als Sakrament ereignet. Dank dieser Geborgenheitserfahrung wuchs in mir ein Vertrauen in mein öffentliches Coming-out, das dann auch in der Schweizer Tagesschau zu sehen war.»
Pierre Stutz in «Out in Church: Für eine Kirche ohne Angst», herausgegeben von Michael Brinkschröder, Gunda Werner, Bernd Mönkebüscher, Jens Ehebrecht-Zumsande und Veronika Gräwe, Herder-Verlag 2022.
Pierre Stutz bereut seinen Schritt nicht. Der damalige Kardinal Joachim Meisner habe ihm verboten, sich im Gebiet des Erzbistums Köln zu engagieren. Ansonsten habe er aber überall Seminare und Vorträge halten können, wobei nicht alle gleich cool mit seinem Outing umgingen.
«Homosexualität nicht aussprechen»
«Inoffiziell liess mir ein Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz mitteilen, dass ich als spiritueller Autor weiterhin tätig sein dürfe, wenn ich das Wort ‘Homosexualität’ öffentlich nicht aussprechen würde», schreibt Pierre Stutz, und findet: «Treffender kann die jahrhundertlange Kultur der Tabuisierung und der Diskriminierung dieser existenziellen Thematik nicht auf den Punkt gebracht werden.»
Beim Herbert-Haag-Preis 2021 bestärkte Pierre Stutz alle, sich zu outen, gerade auch Priester: «Schwule Priester ermutige ich gerne: Zeigt euch! Geht den aufrechten Gang, ohne euch würde die Seelsorge zusammenbrechen!»
Die Schweizer Bischöfe sind nicht mutig
Diesen Mut haben allerdings nur wenige. Das hängt auch damit zusammen, dass die Schweizer Bischöfe bislang davor zurückschrecken, eine Garantieerklärung abzugeben, wonach die sexuelle Orientierung keine Konsequenzen bei der Vergabepraxis der Missio canonica hat. Dies führt zu absurden Situationen.
Meinrad Furrer, der zusammen mit dem Priester Martin Stewen und der Theologin Veronika Jehle im Mai einen Segnungsgottesdienst für alle Liebende in der Zürcher Kirche Peter und Paul organisiert, kann davon ein Lied singen: Vom reaktionären Bischof Vitus Huonder hatte er früher eine Missio erhalten – ob er vom jetzigen Churer Bischof Joseph Bonnemain oder Felix Gmür im Bistum Basel ebenfalls eine Missio bekäme, bezweifelt Furrer. Mehr dazu später auf kath.ch.
Die Bischöfe können sich mit Verweis auf das Lehramt zurücklehnen
Die Lektüre des Buches «#OutinChurch» rüttelt wach. Doch wer will, kann sich auch weiterhin in selbstzufriedener Untätigkeit wiegen und auf die herrschende Meinung des Lehramtes verweisen. Der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth stellt fest: Das «strikt heteronormative Menschenbild» des Lehramts lasse eine positive Würdigung anderer Geschlechtsidentitäten nicht zu.
«Indem sich die Kirche für dieses Menschenbild amtlich auf die Offenbarung und Gott selbst beruft, markiert sie es als irreformabel und macht sich immun gegen Kritik», schreibt Bernhard Anuth. Er ist übrigens der Doktorvater des künftigen stellvertretenden Generalsekretärs der Thurgauer Landeskirche, Hermann Herburger.
Walter Kirchschläger wird 75
Am Mittwoch feiert der Exeget Walter Kirchschläger seinen 75. Geburtstag. Er kann auf ein bewegtes Leben zurückschauen: Er wuchs in einem politischen Haus auf – sein Vater war österreichischer Diplomat, Aussenminister und von 1974 bis 1986 Bundespräsident.
Walter Kirchschläger wurde als erster Laie – zu diesem Wort hat der Jubilar eine ganz besondere Beziehung – Sekretär des Wiener Kardinals Franz König.
Erinnerungen an die Synode 72
1982 kam Walter Kirchschläger als Professor für Neues Testament nach Luzern und wurde später Gründungsrektor der Universität Luzern. Dass die Luzerner nicht so stolz sind auf ihre Universität wie die Tessiner auf ihre «Università della Svizzera italiana», ärgert Walter Kirchschläger noch heute.
Noch mehr ärgert ihn aber der Reformunwillen der katholischen Kirche und der Verrat am Evangelium. Davon zeugt auch Walter Kirchschlägers neues Büchlein «Wie aus ‘Laien’ Kirche wird: Als Getaufte gemeinsam auf dem Weg», erschienen im TVZ-Verlag.
Hier kann man eindrucksvoll nachlesen, dass die Schweizer Bischöfe an der Synode 72 mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein gegenüber Rom aufgetreten sind – viel mutiger und offensiver als heute. Dabei hat «Bischof Franziskus», wie Walter Kirchschläger den Papst konsequent nennt, mit mutigen Bischöfen gar kein Problem.
Chorherren unter Druck
Auch auf dem Simplon-Pass im Wallis macht sich langsam der Frühling bemerkbar. Doch den Chorherren des Grossen Sankt Bernhard ist gerade nicht nach Frühling zumute. Das hat mit zwei Missbrauchsfällen zu tun, die die Chorherren beschäftigen.
Ein Missbrauchsfall hat sich an einer Schule in Lausanne in den 1980er-Jahren ereignet. Der damalige Seelsorger an der Schule war der heutige Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey.
Astrid Kaptijn war bei den Chorherren
Die Missbrauchsfälle werden auch Thema der Kapitelsitzung sein, die diese Woche auf dem Grossen Sankt Bernhard stattfindet. Die grosse Frage lautet: Gibt es weitere Fälle? Die Täterforschung aus anderen Ländern zeigt, dass Übergriffe selten ein einmaliger Einzelfall waren.
Bereits vor einigen Monaten war die Freiburger Kirchenrechtlerin Astrid Kaptijn bei den Chorherren und berichtete von ihren Einblicken in die Täterforschung. Demnach fehlt es vielen Tätern an einem Täterbewusstsein – von daher könnte es gut sein, dass weitere Fälle ans Licht kommen. Die Chorherren rufen Betroffene explizit dazu auf, ihre Fälle zu melden.
Landsgemeinde in Glarus
Am Sonntag ist der 1. Mai. Dann kommt in Glarus die Landsgemeinde zusammen. Eines der Traktanden ist der Memorialsantrag «Slow Sundays im Klöntal». Die Jungen Grünen und die Grünen des Kantons Glarus wollen, dass das Klöntal «an mindestens acht Sonntagen im Jahr» autofrei wird: «Dies soll von morgens bis abends in beide Fahrtrichtungen gelten. Ausnahmen sind möglich», ist der Kantonswebsite zu entnehmen. Die Chancen, dass der Antrag durchgeht, gelten als gering. Aber Landsgemeinden sind ja immer für Überraschungen gut.
Wir suchen Ihre Madonna!
Der Mai ist nicht nur ein Wonnemonat, sondern auch ein Marienmonat. Wie im letzten Jahr wollen wir im Monat Mai in unserer Rubrik «Bild des Tages» 31 Marienbilder zeigen. Wer ein Foto im Querformat beisteuern möchte, bitte an redaktion@kath.ch mailen. Vielen Dank!
Was wird nächste Woche wichtig? Ich freue mich über Ihren Input an rauchzeichen@kath.ch.
Einen guten Start in die Woche wünscht Ihnen
Ihr
Raphael Rauch
11. Mai 2022: In einer ersten Version war zu lesen, dass Jean-Marie Lovey damals an der Schule der Verantwortliche war. Dies stimmt so nicht. Er war damals als Seelsorger an der Schule tätig.
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